"Tödliche Verfolgungsjagd von Migranten", titelt La Dernière Heure. "Zweijähriges Flüchtlingsmädchen stirbt nach wilder Verfolgung", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. Viele Zeitungen berichten am Freitag über einen tragischen Vorfall, der sich in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag ereignet hat.
Der Polizei war in der Nähe von Namur ein Kleinbus aufgefallen, der so voll besetzt war, dass es tatsächlich verdächtig anmuten konnte. Wie sich später herausstellte, saßen 30 Menschen in dem 3,5-Tonner. Die Polizei will den Wagen stoppen. Dabei kommt es zu einer wilden Verfolgungsjagd, die quasi quer durch die ganze Wallonie führt. In der Nähe von Mons errichtet die Polizei eine Straßensperre. Der Fahrer gibt dennoch Vollgas, die Beamten eröffnen das Feuer. Das Fahrzeug kann am Ende gestoppt werden. Die Insassen sind allesamt kurdische Migranten. Darunter ist auch ein schwerverletztes zweijähriges Mädchen, für das am Ende jede Hilfe zu spät kommt. Die Todesursache ist noch unklar. Fest steht aber offenbar, dass die Zweijährige nicht durch Polizeikugeln starb.
Het Laatste Nieuws bringt auf seiner Titelseite ein erschreckendes Detail: "Die Menschenschmuggler ließen das Mädchen aus dem Fenster baumeln, bei voller Fahrt", schreibt das Blatt. Het Nieuwsblad wird im Innenteil präziser: "Aus dem Fahrzeug gehalten, um die Polizei auf Abstand zu halten", so die Zeitung.
In dieser tragischen Geschichte haben einige die Schuld bei der Polizei gesucht. Die wahren Kriminellen sind aber die Menschenschmuggler, bemerkt La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Die haben erst einmal ein viel zu kleines Büsschen mit 30 Flüchtlingen vollgestopft. Das Geld ist ihnen wichtiger als das Schicksal ihrer Opfer. Dann haben sie auch noch ein Kind als menschlichen Schutzschild missbraucht. Einzig die Polizei kann solche Tragödien verhindern. Das aber bestimmt nicht, indem man die Ordnungskräfte an den Pranger stellt.
Donald De Wever
"Der Schatten-Premier tritt aus dem Schatten", so derweil die Schlagzeile auf Seite eins von De Standaard. Die Rede ist natürlich von N-VA-Chef Bart De Wever, der in den letzten Tagen gleich mehrmals von sich reden gemacht hat. "Bart De Wever verhagelt die Atmosphäre innerhalb der Föderalregierung", bemerkt auch Le Soir.
Gleich mit mehreren Vorstößen hat der N-VA-Chef die Koalitionspartner irritiert: Erst kritisierte er den haushaltspolitischen Kurs der Regierung. Jetzt stellt er auch den Atomausstieg 2025 infrage. Und in letzter Zeit übte De Wever auch mehrmals Fundamentalkritik an der Europäischen Union. "Vom Europa-Skeptiker zum Europhoben", so fasst Le Soir die Entwicklung zusammen. "De Wever positioniert sich als antieuropäische Führungsfigur", bemerkt auch La Libre Belgique auf Seite eins.
"The Donald ist unter uns", zitiert Het Laatste Nieuws in seinem Kommentar den flämischen OpenVLD-Minister Bart Tommelein. Den Koalitionspartner erinnert Bart De Wever also an Donald Trump. Und auch die anderen Regierungsparteien sind gelinde gesagt irritiert. Dabei stellt sich allerdings die Frage, was denn jetzt mehr überrascht: die Tatsache, dass De Wever seine Koalitionspartner in regelmäßigen Abständen vorführt, oder der Umstand, dass die darauf immer noch verdutzt reagieren?
Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung
Wenn inzwischen etwas offensichtlich ist, dann das: De Wever schert sich nicht um die Meinung der anderen, glaubt Het Nieuwsblad. Die Beziehungen zu den anderen Parteien sind ihm egal. Schon jetzt macht er klar, dass die nächste Regierung von seinen Gnaden sein wird, dass er die Bedingungen diktieren wird. Der permanente Wahlkampf der N-VA ist aber kontraproduktiv. Um effiziente Politik geht es hier jedenfalls nicht. De Wever mag Recht haben mit seinem Widerstand gegen den Atomausstieg. Nur wäre es gut, wenn eine Regierung da einen klaren Standpunkt hätte. Jetzt weiß niemand, wo es langgehen soll - und das ist die schlechteste aller Optionen.
Het Belang van Limburg sieht das ähnlich: Die von Bart De Wever gesäten Zweifel am Atomausstieg haben gigantische Folgen, meint das Blatt. Das Problem ist schlicht und ergreifend, dass das den Druck vom Kessel nimmt. Konkret: Warum sollte man nach Alternativen suchen für die Kernenergie, wenn die größte Partei des Landes vorab zu verstehen gibt, dass Alternativen gar nicht nötig sein müssen, weil die Reaktoren am Ende doch am Netz bleiben werden? Ein klassischer Fall einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Ohne Druck wird es letztendlich keine ausreichenden Alternativen geben.
"Das hat man jetzt davon!"
Apropos Strom: Einige Zeitungen beschäftigen sich auch am Freitag noch mit der Entscheidung des französischen Energiekonzerns Engie, 1,6 Milliarden Euro aus der Kasse der belgischen Tochter Electrabel nach Paris zu transferieren. Das wird in Form einer "Dividende" erfolgen. Nach Informationen von L'Echo und De Tijd ist das nur ein Teil eines Masterplans, der darauf abzielt, die mit Electrabel verbundenen Risiken möglichst zu minimieren.
Das hat man jetzt davon, wettert La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Die Belgier haben mit Electrabel mal eben einen hochstrategischen Sektor einfach aus der Hand gegeben. Die Politik schaute damals tatenlos zu. Resultat: Jetzt ist sogar nicht mehr auszuschließen, dass die Franzosen sozusagen eine Pleite von Electrabel organisieren, um am Ende für den Rückbau der belgischen Atomkraftwerke oder den Umgang mit dem Atommüll nicht mehr aufkommen zu müssen. Hier ist höchste Vorsicht geboten.
Mehr noch, sind De Tijd und L'Echo überzeugt. Wir brauchen Garantien, keine Versprechen. Die Belgier sollten sich nicht von den blumigen Beschwichtigungen der Engie-Direktion einlullen lassen. Es wäre nicht das erste Mal, dass diese Leute ihre Versprechen nicht einhalten. Electrabel ist jetzt leer gemolken. Angesichts all dessen muss sich die Regierung hier unerbittlich zeigen.
Roger Pint