"Blutbad in Gaza", titelt La Libre Belgique. "Dutzende Tote bei Blutbad im Gaza-Streifen", schreibt De Tijd auf Seite eins. "Israel tränkt seinen 70. Geburtstag in Blut", so die Schlagzeile von De Morgen.
Gestern sind die Proteste im Gaza-Streifen an der Grenze zu Israel eskaliert. Die Palästinenser erinnern zunächst an die Staatsgründung Israels vor 70 Jahren. Sie sprechen ihrerseits von der Nakba, der Katastrophe, da das Ereignis für die Palästinenser gleichbedeutend ist mit dem Verlust ihres Landes und der Vertreibung hunderttausender Palästinenser.
Ganz unmittelbar richten sich die Proteste im Gaza-Streifen aber auch gegen die Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem. Die israelischen Sicherheitskräfte sind jedenfalls mit voller Härte gegen die Demonstranten vorgegangen; dabei kam auch scharfe Munition zum Einsatz. Im Moment ist von 58 Toten und 2.400 Verletzten die Rede. "Grenzenlose Gewalt", so denn auch die erschrockene Schlagzeile von Het Nieuwsblad.
"Gaza blutet, Jerusalem feiert"
Gestern war denn auch ein "schizophrener Tag", wie Le Soir bemerkt. De Standaard und L'Echo bringen es auf den Punkt: "Gaza blutet, Jerusalem feiert". Het Belang van Limburg formuliert es zynischer: "Blutbad während Ivankas Festchen".
"Es war aber ein vorhersehbares Blutbad", hält L'Avenir fest. Der Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem wird nämlich von den Palästinensern als ultimative Provokation empfunden. Laut UN-Beschluss ist Ost-Jerusalem nach wie vor die Hauptstadt des zu gründenden Palästinenser-Staats. "Trump setzt den Gaza-Streifen in Brand", so fasst es denn auch Le Soir zusammen.
Da haben sich gestern wohl gleich mehrere für den Kriegsnobelpreis qualifiziert", meint sarkastisch Gazet van Antwerpen. Die Hamas, aber vor allem die Herren Netanjahu und Trump. Der US-Präsident hat in seiner Grußbotschaft Israel über den grünen Klee gelobt und dabei die Palästinenser so gut wie nicht erwähnt.
Wie kann man denn im gleichen Atemzug von Frieden in der Region sprechen. Ein Grund dafür ist wohl das Ego des Herrn Trump: Die Lobeshymnen aus Israel schmeicheln ihm; und einem Narzissten ist alles andere egal, auch der Weltfrieden.
Der Friedensprozess ist tot
Alle Beteiligten verhalten sich hier einfach nur noch zynisch, meint auch Het Belang van Limburg. Machen wir uns nichts weiß: Die Ereignisse spielen auch der Hamas in die Karten. Der Erfolg einer Protestaktion gegen die Politik Israels misst sich aus Sicht der islamistischen Organisation auch mit der Anzahl Toter, die dabei zu beklagen sind.
Nun muss man sagen: Die Verzweiflung unter den jungen Palästinensern ist offensichtlich ohnehin grenzenlos, wenn sie sich, wie gestern zu beobachten, fasst schon selbstmörderisch in den israelischen Kugelhagel stürzen. Donald Trump und Kollege Benjamin Netanjahu haben derweil gestern nochmal überzeugend unter Beweis gestellt, dass im internationalen Recht nur ein Gesetz gilt, nämlich das des Stärkeren.
Diese Meinung wird offensichtlich auch von anderen geteilt, meint sinngemäß Het Nieuwsblad. Fakt ist jedenfalls, dass N-VA-Chef Bart De Wever Israel gestern in einem Tweet zum 70. Geburtstag gratuliert hat, ohne die Opfer auch nur mit einer Silbe zu erwähnen. Sehr bedauerlich, meint das Blatt, Zurückhaltung wäre wohl angebrachter gewesen.
Der Friedensprozess ist im Augenblick jedenfalls tot, glaubt De Morgen. Trump hat mit seiner Entscheidung die Lage nur noch komplexer gemacht. Hier wird die "faktische Situation", die nach 1967 durch die Besetzung unter anderem von Ost-Jerusalem entstanden ist, in Beton gegossen.
Israel muss aufpassen, 70 Jahre nach seiner Staatsgründung nicht in die Geschichte einzugehen als Nation, die aus friedvollen Absichten heraus gestiftet wurde, die aber Gewalt nötig hat, um bestehen zu bleiben.
Auch Israel hätte am Frieden viel zu gewinnen, ist auch De Standaard überzeugt. Nicht nur wirtschaftlich. Die bewusste Erniedrigung und die gezielte Verarmung der Palästinenser bleiben zudem ein schrecklicher Schandfleck, ein Schatten auf einem Volk mit einer so reichhaltigen Geschichte.
Und Europa?
La Libre Belgique wünscht sich ihrerseits, dass sich so eine Art Altersweisheit einstellt. Israel ist schließlich 70 Jahre alt. Das Land ist quasi eine direkte Umsetzung des universellen Prinzips des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Inzwischen sollte man doch dazu im Stande sein, den Palästinensern dasselbe Recht zuzuerkennen.
Israel würde so viel Respekt und Anerkennung gewinnen, wenn man endlich so viel Edelmut an den Tag legen würde, und nicht mehr das Gesetz des Stärkeren anwendet, sondern die Ungerechtigkeit den Palästinensern gegenüber abbaut.
"Und Europa?", fragt sich rhetorisch La Dernière Heure. Europa kann nur tatenlos zusehen, ist ohnmächtig angesichts der Alleingänge des großen transatlantischen Bruders. Europa ist mehr denn je gespalten und geschwächt, meint das Blatt resigniert.
Das Grenz-Echo plädiert denn auch für ein Aufbäumen. Die EU und ihre führenden Politiker können ein erstes starkes Zeichen gegen die unverantwortliche Politik der USA setzen. Etwa, indem sie sich rasch und klar zum Atomabkommen mit dem Iran bekennen.
Der Mai 2018 könnte einmal in die Geschichte eingehen als der Zeitpunkt, an dem eine blinde Gefolgschaft endete. Und an dem die EU endlich die weltpolitische Bühne betrat.
rop/jp