"Die USA ziehen sich aus dem Atomabkommen mit dem Iran zurück", titeln L'Echo und De Tijd. Diese Schlagzeile sieht man heute in den verschiedensten Varianten: "Trump zieht den Stecker aus dem Iran-Deal", schreibt etwa De Standaard; "Trump versenkt das Atomabkommen", notiert Het Nieuwsblad; "Trump jagt den Nuklear-Deal mit dem Iran in die Luft", so formuliert es Het Belang van Limburg.
US-Präsident Donald Trump hat also einseitig das Atomabkommen aufgekündigt. In Europa reagierte man durch die Bank mit Bedauern und Unverständnis auf die Entscheidung. Die EU will nach Aussage der Außenbeauftragten Federica Mogherini an dem Abkommen festhalten. Dennoch: "Trump sorgt in Europa für Besorgnis", bemerkt De Morgen auf Seite eins. Angefangen damit, dass viele europäische Unternehmen gerade erst wieder im Begriff waren, den iranischen Markt zu erschließen.
Auch andere Zeitungen lassen schon Analyse-Elemente in ihre Schlagzeilen einfließen: "Trump verlegt den Iran wieder in die Achse des Bösen", schreibt etwa La Libre Belgique. "Trump will den Iran in die Knie zwingen", glaubt Le Soir. Het Laatste Nieuws ist seinerseits bei ganz praktischen Auswirkungen: "Mit einer gekritzelten Unterschrift macht Trump unser Leben teurer", prophezeit das Blatt auf Seite eins. Der Ölpreis hat jedenfalls schon wieder angezogen.
Selten gesehene Arroganz
Allein La Libre Belgique scheint noch halbwegs Verständnis für die Entscheidung des US-Präsidenten aufzubringen: Das Atomabkommen mit dem Iran war tatsächlich unbefriedigend, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Beispiel: Die ursprüngliche Absicht des Westens war es, 2015 bei der Vertragsunterzeichnung, die gemäßigten Kräfte um den damals neuen Präsidenten Hassan Rohani zu stärken. Diese Rechnung ist schon mal nicht aufgegangen. Stattdessen hat Teheran fleißig weiter gezündelt, man denke an Syrien, den Libanon oder den Jemen. Vielleicht eröffnet Trumps Entscheidung nun die Möglichkeit, das Abkommen breiter zu fassen.
Viele andere Leitartikler gehen demgegenüber mit dem Schritt hart ins Gericht: Hier hat einer das Kind mit dem Badewasser ausgeschüttet, meint etwa L'Avenir. Das Regime in Teheran kann sich jetzt jedenfalls wieder ungeniert seinem Atomprogramm zuwenden. Außerdem werden die Hardliner in dem Land dadurch gestärkt. Das alles ist Trump offensichtlich herzlich egal.
Das gilt auch für die Meinung der Europäer, bemerkt De Morgen: Der Reihe nach waren sie nach Washington gepilgert, um doch noch zu versuchen, Trump umzustimmen. Seine Entscheidung zeugt denn auch von einer selten gesehenen Arroganz Europa gegenüber. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass der Mann mehr denn je an der Heimatfront unter Druck steht. Stichwort Verbindungen zu Russland, Stichwort Sex-Skandal. Dass er dabei den Mittleren Osten nur noch mehr in Unruhe versetzt, scheint der große Mann in Washington dabei billigend in Kauf zu nehmen.
Kein stabilisierender Faktor mehr
"Trump und die Büchse der Pandora", so fasst es De Tijd im Telegramm-Stil zusammen. Er scheint sich bei seiner Entscheidung auf die angeblichen Erkenntnisse zu basieren, die der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu unlängst präsentiert hatte. Dabei erinnerte dessen Auftritt doch verdächtig an die Show, die der damalige US-Außenminister Colin Powell 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat abgezogen hatte, als er angebliche Beweise vorlegte für die These, wonach der Irak im Besitz von Massenvernichtungswaffen war. Fakt ist jedenfalls: Donald Trumps Außenpolitik ist impulsgesteuert und enthält die Saat für Chaos. Die USA sind nicht länger ein stabilisierender Faktor in der Welt. Im Gegenteil.
"Sind der Mittlere Osten und die Welt gestern Abend sicherer geworden?", fragt sich rhetorisch Het Belang van Limburg. Die Antwort lautet ganz klar: Nein. Die Spirale, in der sich Israel und der Iran immer weiter hochschaukeln, wird sich jetzt nur noch schneller drehen. Und das alles nur, weil es offensichtlich Trumps einziges Ziel ist, alle Entscheidungen seines Vorgängers Barack Obama rückgängig zu machen.
Ganz nebenbei dürfte sich auch Kim Jong-un das Ganze sehr genau verfolgt haben, glaubt L'Echo. Trumps Entscheidung mag ein Indiz dafür sein, wie vertrauenswürdig die USA als Vertragspartner sein können. Trump jedenfalls hält seine Versprechen nur dann, wenn es ihm gerade passt.
Maurane und Sennek
Viele frankophonen Zeitungen bringen ihrerseits heute natürlich eine Hommage an die Sängerin Maurane. Die Meldung vom Tod der 57-Jährigen war gestern für die Blätter zu spät gekommen. Und in den Schlagzeilen ist das Wort "Stimme" allgegenwärtig, denn die von Maurane war einzigartig, unverwechselbar... "Belgien hat seine schönste Stimme verloren", titelt La Libre Belgique. "Belgien weint um seine schönste Stimme", so formuliert es La Dernière Heure. "Eine goldene Stimme", schreibt Le Soir. "Belgien ist sprachlos", meint L'Avenir.
Jeder, der Maurane kannte, wird ihre menschliche Wärme vermissen, trauert La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Aber vor allem den Humor der großen Sängerin. Ihr lautes Lachen war legendär. Doch konnte die Frau auch nachdenklich und melancholisch sein: Es war die versteckte Seite des Clowns.
Apropos Musik: Einige Zeitungen beleuchten schließlich noch das gestrige Halbfinale des Eurovision-Song-Contests: "Sennek lieferte eine starke Leistung ab", bewerten Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen den Auftritt der 28-jährigen Sängerin aus Löwen. Die Blätter kannten offensichtlich noch nicht das Ergebnis. Andere wohl: "Sennek schafft es nicht ins Finale", schreibt Het Nieuwsblad. Het Laatste Nieuws meint lapidar: "Sennek ist gestolpert".
Roger Pint