"Der Absturz", titelt Le Soir. "Nach der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn verlässt Armand De Decker die MR", so die Schlagzeile von L'Echo und L'Avenir. Der MR-Politiker Armand De Decker wird jetzt offiziell der Vorteilsgewährung beschuldigt. Postwendend forderte MR-Chef Olivier Chastel den ehemaligen Senatspräsidenten auf, von seinen gewählten Ämtern zurückzutreten. De Decker entschied sich aber für eine andere Variante: Er kündigte seinen Austritt aus der MR an, will aber seine beiden noch verbleibenden Ämter weiter bekleiden – und zwar als Unabhängiger. De Decker ist noch Mitglied des Gemeinderats von Uccle und des Brüsseler Regionalparlaments.
La Libre Belgique suggeriert derweil, dass sein Abgang nicht ganz freiwillig erfolgte: "Die Hintergründe des Ausschlusses von Armand De Decker aus der MR", so die Schlagzeile. Das Resultat ist jedenfalls das gleiche; das beißende Fazit von la Libre: "Armand De Decker verlässt die MR durch den ganz kleinen Dienstbotenausgang".
Das Ganze ist natürlich eine Folge seiner Verwicklung in die Kasachgate-Affäre. In dieser Angelegenheit war De Decker ja quasi in doppelter Funktion aufgetreten: als Politiker und zugleich als Anwalt, wobei nicht immer klar war, welche Mütze er nun gerade auf hatte. Wenn die Justiz jetzt wegen Vorteilsgewährung ermittelt, dann wegen eines Besuchs von Armand De Decker beim damaligen Justizminister Stefaan De Clerck. Dabei soll sich De Decker für die Interessen seines Mandanten stark gemacht haben, des Milliardärs Patokh Chodiev.
Kasachgate ist ein Musterbeispiel dafür, wie blind Menschen werden können, meint Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Armand De Decker sieht nach eigenen Angaben nicht das Problem. Und das Schlimmste ist: Er meint das auch noch so. Wenn Liebe blind macht, dann gilt das wohl noch mehr für Macht. So blind, dass man am Ende nicht mehr die Grenze sieht zwischen dem "Nutzen seines Netzwerks" auf der einen Seite und dem "Missbrauch der staatlichen Institutionen für den Eigengebrauch" auf der anderen. Die Rüge des Untersuchungsausschusses war noch vage. Zum Glück gibt es die Justiz, um die Politik daran zu erinnern, wo die roten Linien sind.
De Decker ist in diesem zynischen Spiel nur ein Bauernopfer, ist derweil De Standaard überzeugt. Getrieben durch Habsucht und verblendet durch die eigene vermeintliche Macht hat De Decker seinen politischen Einfluss verkauft für reine Lobbyarbeit. Doch ist er wohl nur eine "kleine Garnele" in dieser Geschichte. Er war einfach nur nicht schlau genug, um diskret zu agieren. Es gab wohl noch andere Handlanger. Die Untersuchungskommission hat es nur leider versäumt, der Sache wirklich auf den Grund zu gehen.
Auch Le Soir bedauert das Scheitern der Kasachgate-Untersuchungskommission: Ihre Arbeit wurde permanent torpediert durch miese politische Spielchen. Jetzt übernimmt die Justiz das Ruder. Das war dringend nötig, um zu verhindern, dass die "kasachischen Leichen" weiter im Keller der belgischen Politik herumstinken.
Drama um Eric Geboers
Auf vielen Titelseiten prangt aber auch noch das Foto eines anderen Mannes, und die Schlagzeilen fassen im Grunde alles zusammen: "Eric Geboers will Hund retten und ertrinkt", titelt Gazet van Antwerpen. "Er gab sein Leben für einen Welpen", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins. "Ertrunken, weil er sein Hündchen retten wollte", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Eric Geboers war in den 1980er-Jahren ein erfolgreicher Motocrossfahrer. Fünf Mal wurde er Weltmeister. Am Sonntagabend ist er in einem See in der Nähe von Mol ertrunken. Er wurde 55 Jahre alt. Das Fazit von Het Laatste Nieuws: "Eric Gebours war ein großer Champion, aber auch ein großer Mensch".
Soziales Blutbad bei Mestdagh
Viele frankophone Zeitungen beschäftigen sich mit der gestrigen Ankündigung eines Umstrukturierungsplans bei der Einzelhandelskette Mestdagh. La Libre Belgique und L'Echo bringen es auf den Punkt: "Mestdagh streicht einen von fünf Arbeitsplätzen". Le Soir setzt das neuerliche Sozialdrama in seinen Kontext: "Innerhalb von vier Jahren sind in den Supermärkten 4.618 Arbeitsplätze verloren gegangen".
L'Echo und La Libre Belgique kommen in ihrer Analyse zu demselben Schluss: Wir müssen den Realitäten ins Auge sehen – in unserem kleinen Land gibt es einfach zu viele Supermärkte, sind sich beide Blätter einig. Der belgische Markt ist ganz offensichtlich gesättigt. Die Geldbörse des Verbrauchers ist in der Zwischenzeit aber nicht entsprechend größer geworden. Heißt: Die Einzelhandelsketten müssen mit extrem kleinen Gewinnmargen arbeiten.
Es wird wohl Zeit, dass sich die Politik einmal mit der Problematik beschäftigt. Es reicht nicht mehr, bei jedem sozialen Blutbad sein Mitgefühl zu bekunden. Man muss sich vielmehr die Frage stellen, welchen Platz die Geschäftswelt künftig einnehmen soll.
In der Zwischenzeit kann man den Supermarktketten aber schon einmal einen guten Tipp geben, glaubt L'Avenir: Die Unternehmen brauchen ein klares, sofort ersichtliches Profil. Es bringt gar nichts, wenn alle im Wesentlichen das Gleiche anbieten und dabei auch dieselben Rezepte und Konzepte anwenden. Wohlwissend, dass die Nischen bereits von kleinen Anbietern besetzt wurden, die sehr genau wissen, was ihre Kundschaft wünscht.
"Der vielfarbige Flame"
De Morgen und Het Laatste Nieuws präsentieren ihrerseits den jüngsten flämischen Integrationsbericht, der eine Art Spiegelbild des Zusammenlebens im nördlichen Landesteil darstellen soll. De Morgen gibt dem Ganzen einen treffenden Titel: "Der vielfarbige Flame". Die Ergebnisse können aber teilweise zu denken geben.
Beispiel: Vier von zehn türkischstämmigen Flamen sind der Ansicht, dass die Religion wichtiger ist als die belgischen Gesetze. Auffallend ist aber auch, dass ausländischstämmige Mitbürger im Wesentlichen genauso glücklich sind wie "Ur-Flamen". Das Fazit von Het Laatste Nieuws: Man kann Multikulti nicht für gescheitert erklären, der Punkt ist: Wir leben nicht zusammen, sondern nebeneinander.
Roger Pint