"Alles ist wieder möglich", titelt Gazet van Antwerpen. "Was für eine Spannung! Jetzt kämpfen sie zu dritt um den Meistertitel", so die Schlagzeile von La Dernière Heure.
Am Wochenende ist der Kampf um die Meisterschaft in der ersten Fußballdivision plötzlich wieder spannend geworden: Tabellenführer Club Brügge verlor zuhause gegen den RSC Anderlecht mit 1:2. Brügge hatte seit 2015 nicht mehr im eigenen Stadion verloren. Danach besiegte Standard Lüttich den RC Genk mit 5:0. Resultat von alledem: Brügge hat nur noch zwei Punkte Vorsprung auf Anderlecht.
"Anderlecht kann vom Titel träumen", so denn auch die Schlagzeile von Le Soir. "Club Brügge muss Anderlecht fürchten", notiert auch das GrenzEcho. Selbst Standard Lüttich kann sich wieder Chancen auf den Meistertitel ausrechnen. Der Rückstand auf den Tabellenführer beläuft sich nur noch auf vier Punkte.
Bei alledem gibt es einen Wermutstropfen: Auch am Sonntag hat der Video-Schiedsrichter, der sogenannte VAR, wieder für hitzige Diskussionen gesorgt. In der Begegnung zwischen Brügge und Anderlecht hat der mindestens eine folgenschwere Fehlentscheidung getroffen: "Wut auf den Video-Schiedsrichter", schreibt denn auch Het Belang van Limburg. Das ging so weit, dass der Präsident von Club Brügge sogar über eine mögliche "Verschwörung" schwadronierte, wie auch Het Nieuwsblad bemerkt.
Het Laatste Nieuws zitiert diesen Bart Verhaeghe mit den Worten: "Entweder ist das unprofessionell oder da steckt mehr dahinter". Das Blatt bringt es auf seiner Titelseite wie folgt auf den Punkt: "Nach dem Sieg von Anderlecht haben alle den Kopf verloren".
Luft nach oben
"Können wir uns darauf einigen, dass der Video-Schiedsrichter nicht alle Probleme löst?", meint versöhnlich Het Nieuwsblad in einem Kommentar. Mal ehrlich: Hätte es ohne diesen VAR weniger Diskussionen gegeben? Nein! Garantiert mehr. Natürlich ist da noch Luft nach oben. Natürlich muss das System noch optimiert werden. Hinter den Unzulänglichkeiten ein Komplott zu vermuten, wie es Bart Verhaeghe getan hat, das geht allerdings gar nicht.
Sehen wir es mal positiv, meint der Kolumnist von Het Laatste Nieuws, die Playoffs sind ein würziger Schlussakkord für die diesjährige Meisterschaft. Immerhin erleben wir jetzt einen wahren Thriller.
Schwarzer Supermarkt-Tag und Kampf gegen Plastik
Es gibt aber am Montag auch noch ernstere andere Themen: "Carrefour Market: Es steht wohl ein schwarzer Tag bevor", schreibt L'Avenir auf Seite eins. Bei der Mestdagh-Gruppe wurde für Montag eine außerordentliche Sitzung des Betriebsrates einberufen. Die Gewerkschaften befürchten, dass die Direktion einen Umstrukturierungsplan ankündigen wird, inklusive Stellenabbau. Mestdagh betreibt 83 Supermärkte, vornehmlich im frankophonen Landesteil. Dies meist unter dem Label "Carrefour Market".
"Dem Plastik wird der Krieg erklärt", so schließlich die Aufmachergeschichte von Le Soir. Die EU-Kommission will noch in diesem Monat ein Gesetzesprojekt vorstellen. Im Fadenkreuz sind anscheinend vor allem Einweg-Artikel, die also einmal gebraucht und dann weggeschmissen werden.
Neues Getöse von der N-VA
Die N-VA und insbesondere ihr Vorsitzender Bart De Wever machen derweil auch am Montag wieder von sich reden: "De Wever Premierminister? Analyse eines Missverständnisses", so etwa die Schlagzeile auf Seite eins von La Libre Belgique. Am Wochenende hatte es ja geheißen, der N-VA-Anführer strebe für die nächste Legislaturperiode ab 2019 das Amt des föderalen Regierungschefs an. Das sei eine Fehldeutung, sagt der flämische Politikwissenschaftler Dave Sinardet in La Libre und auch in La Dernière Heure. Die Strategie der N-VA ist und bleibt, immer einen Fuß drinnen, aber auch einen Fuß draußen zu behalten.
Eine mögliche Bestätigung für diese These liefert am Montag De Morgen in seinem Leitartikel: Ebenfalls am Freitagabend hatte Bart De Wever plötzlich den Druck auf die eigene Koalition erhöht, als er forderte, dass das Haushaltsgleichgewicht doch 2019 erreicht werden muss. Damit verstieß er gegen ein ungeschriebenes Gesetz, meint das Blatt. Im Prinzip gilt, dass die Koalitionspartner im Vorfeld der Kommunalwahlen eine Art Burgfrieden schließen, dass also föderalpolitische Themen jetzt erst einmal tabu sind. Was sehen wir hier also? Die N-VA stellt die Mehrheit innerhalb der Mehrheit, verhält sich aber wie die Minderheit.
Het Laatste Nieuws glaubt dem N-VA-Chef kein Wort. Gerade erst hat doch Belgien bei der EU-Kommission sein Stabilitätsprogramm eingereicht. Aus dem geht ganz klar hervor, dass Belgien erst 2020 eine schwarze Null schreiben will. Jetzt heißt es plötzlich, der N-VA-Finanzminister wolle doch versuchen, das Haushaltsgleichgewicht 2019 zu erreichen. Versuchen wohlgemerkt! Das ist kein klares Engagement. Wäre der Finanzminister noch Journalist, er wäre wohl der erste gewesen, der eine solche Aussage in der Luft zerrissen hätte.
Die N-VA hat am Wochenende auch in Antwerpen mit einem Kongress ihren Wahlkampf eingeläutet. Dabei formulierten die flämischen Nationalisten eine Reihe von zum Teil aufsehenerregenden Vorschlägen. Beispiel: Sozial schwache Familien, in denen so gut wie kein Niederländisch gesprochen wird und die ihre Kinder nicht ab dem Alter von drei Jahren in den Kindergarten schicken, sollen künftig bestraft werden. Konkret soll ihnen ein Teil der Sozialhilfe gekürzt werden.
Finanzielle Sanktionen helfen nicht, ist aber De Standaard überzeugt. Das lehrt die Vergangenheit. Es gibt viele Gründe, warum diese Familien ihre Kinder nicht frühzeitig in den Kindergarten schicken. Unwille gehört laut jüngsten Studien nicht dazu. Im Endeffekt wird eine solche Maßnahme nur dafür sorgen, dass Familien, die es ohnehin schon schwer haben, nur noch größere Probleme haben werden.
Roger Pint