"Punkte-Führerschein entsorgt", titelt Het Laatste Nieuws. Und De Morgen schreibt: "Bellot drückt auf die Bremse, N-VA und CD&V sind sauer".
Die Zeitungen kommentieren am Donnerstag die Entscheidung von Mobilitätsminister François Bellot, den Punkte-Führerschein doch nicht einzuführen. Es gebe keinen Beweis, dass dieser langfristig zu weniger Verkehrstoten führen werde, und die bestehende Gesetzgebung sei sogar strenger, so die Begründung Bellots.
Het Laatste Nieuws blickt zurück auf die lange Geschichte des Punkte-Führerscheins: Bereits 1990 machte der damalige Verkehrsminister Jean-Luc Dehaene den Weg für den Punkte-Führerschein frei. Das Prinzip ist so einfach wie zielführend: Bei jedem Verstoß sind Punkte weg. Wer zu oft Fehler begeht, verliert über kurz oder lang seinen Führerschein. Studien zeigen, dass dieses System die Zahl der Verkehrstoten reduziert. Ein Blick über die Grenze zeigt das.
28 Jahre später hat Jean-Luc Dehaene uns verlassen und sein Vorhaben ist immer noch nicht umgesetzt. Und das soll bis mindestens 2019 auch so bleiben. François Bellot sieht, genau wie alle seine Vorgänger, keinen Sinn darin, den Punkte-Führerschein einzuführen - aus Angst vor Stimmenverlust. Sich beharrlich zu weigern, das Richtige zu tun, hat einen Namen: schuldhafte Unterlassung. Ob Minister Bellot da noch ruhig schlafen kann?, fragt sich Het Laatste Nieuws.
Eine bizarre Begründung
Zum selben Thema meint Het Nieuwsblad: Der Punkte-Führerschein hätte einige Vorteile, gerade in Belgien. Er könnte uns von einer Plage erlösen: dem unbelehrbaren Wiederholungstäter, der weder Gebote noch Verbote akzeptiert. Eine Geldstrafe empfindet er als Pech. Aber der Einzug des Führerscheins ist für ihn eine Katastrophe. Das gilt auch für denjenigen, für den der x-te Strafzettel nur Kleingeld ist und der kurz danach schon wieder Vollgas gibt.
Bellot hat sich aus dem Bericht des Instituts für Verkehrssicherheit (Vias) das herausgepickt, was ihm in den Kram passt: Nämlich, dass der Punkte-Führerschein nur kurzfristig hilft und es zu wenige Kontrollen gibt, um ihn rentabel zu machen - eine bizarre Begründung, findet Het Nieuwsblad. Denn auch kurzfristig können Menschenleben gerettet werden.
Het Belang van Limburg sieht das Ganze etwas anders: Der Punkte-Führerschein ist kein Allheilmittel. Es scheint, dass die Wiederholungstäter, also diejenigen, die mit diesem System ins Visier genommen werden sollen, sich dadurch nicht abschrecken lassen. Sie damit aus dem Verkehr ziehen zu wollen, ist utopisch. Das ultimative Ziel muss immer noch eine strukturelle Verringerung der Verkehrstotenzahl sein. Und das scheinen wir mit der Diskussion um den Punkte-Führerschein aus den Augen zu verlieren. Deshalb hat Minister Bellot wahrscheinlich Recht, wenn er sagt, dass wir den bisher eingeschlagenen Weg weitergehen sollen: mehr Kameraüberwachung, Alkohol-Schlösser, Datenbanken für Wiederholungstäter und mehr Prävention und Sensibilisierung, meint Het Belang van Limburg.
Anpassung der Geldflüsse an die Prioritäten
De Tijd kommentiert den mehrjährigen Finanzrahmen, den die EU-Kommission am Mittwoch vorgestellt hat: Der Vorschlag beinhaltet viele gute Elemente. Das Wichtigste ist, dass die Prioritäten der EU sich verändern und sich die Geldflüsse diesen Veränderungen anpassen. Das Agrarbudget sinkt, mehr Geld gibt es hingegen für Grenzschutz, Verteidigung und Digitalisierung.
Auch der Vorschlag, europäische Gelder für ein EU-Land einzufrieren, wenn es den Rechtsstaat nicht respektiert, ist eine gute Idee. Die Argumentation allerdings, mit der die EU-Kommission das Budget um acht Prozent erhöhen will, verdient etwas Gegenwind. Seit Jahren heißt es, die EU arbeite mit wenig Geld. Aber dieses Argument gilt nicht: Es ist nicht, weil etwas wenig kostet, dass es per Definition auch sinnvoll ausgegebenes Geld ist, findet De Tijd.
Die Quadratur des Kreises
De Standaard beschäftigt sich in seinem Leitartikel dann auch mit der Frage, wie man einen europäischen Haushalt gestaltet, für den es nach dem Brexit einen Nettozahler weniger geben wird. Mit Mitgliedsstaaten wie den Niederlanden, Dänemark oder Österreich, die bereits nervös werden, sobald von höheren Beiträgen die Rede ist? Mit traditionellen Agrarländern wie Frankreich, die gegen eine Verringerung beim größten Ausgabenposten, dem Landwirtschaftsbudget, sind? Und mit ärmeren Ländern, die sich gegen eine Einschränkung beim zweitgrößten Budget, der Regionalpolitik, wehren? Kommt dann noch die Ambition hinzu, stärker in Terrorbekämpfung, Grenzschutz und Verteidigung zu investieren, wird daraus die Quadratur des Kreises.
Das alles zeigt Europas ewiges Dilemma. Der mehrjährige Finanzrahmen wird jetzt - wie immer - das Objekt langer Verhandlungen sein. In Belgien ruft das relativ wenige Emotionen hervor, doch andernorts drehen die rhetorischen Mühlen bereits auf Hochtouren. Und das, obwohl das europäische Budget gerade einmal etwas mehr als ein Prozent des Gesamteinkommens aller Mitgliedsstaaten ausmacht. Bei aller gerechtfertigten Kritik an Europa empfiehlt es sich deshalb, hier Maß zu halten, wünscht sich De Standaard.
Volker Krings