"Der Krankenpfleger soll bis zu 21 Menschen getötet haben", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins. "Ein Krankenpfleger aus Namur und 21 verdächtige Todesfälle", so formuliert es La Libre Belgique auf seiner Titelseite. Die Staatsanwaltschaft Namur geht einem unheimlichen Verdacht nach: Ein 43-jähriger Krankenpfleger soll eine Reihe seiner Patienten umgebracht haben, indem er ihnen eine Überdosis Insulin gespritzt hat. In zwei Fällen gibt es einen konkreten Anfangsverdacht. Daraufhin wurden jetzt aber auch andere verdächtige Todesfälle aus der Vergangenheit noch einmal unter die Lupe genommen. Die Staatsanwaltschaft prüft anscheinend bis zu 21 solcher Fälle.
Het Nieuwsblad stellt sich schon die Frage, ob wir es hier mit einem "wallonischen Ivo Poppe" zu tun haben. Das ist ein Verweis auf den sogenannten "Diakon des Todes", der Anfang des Jahres zu 27 Jahren Haft verurteilt worden war. Poppe wurde für schuldig befunden, jahrelang seinen Patienten vorsätzlich unter anderem Überdosen Insulin gespritzt zu haben.
Lidl auf dem falschen Fuß erwischt?
"Der Sozialkonflikt beim Discounter Lidl weitet sich aus", so derweil die Schlagzeile von Het Belang van Limburg. "Alle Logistikzentren von Lidl sind blockiert", notiert auch Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Der Streik bei der Supermarktkette Lidl geht in den sechsten Tag. Am Wochenende hatte es eigentlich so ausgesehen, als könnte sich die Lage beruhigen. CSC und CGSLP hatten jedenfalls schon ein Vorabkommen unterzeichnet.
Die sozialistische SETca verweigerte demgegenüber ihre Zustimmung und ging stattdessen in die Offensive. Nach und nach wurden alle belgischen Logistikzentren der Kette blockiert. "Lidl blüht eine neue Streikwelle", so fasst es denn auch De Standaard zusammen.
Het Belang van Limburg stellt eine steile These in den Raum: "Das alles ist die Schuld von Aldi", meint das Blatt in seinem Leitartikel. Der Konkurrent hat Lidl offensichtlich auf dem falschen Fuß erwischt. Vor einem Monat präsentierte Aldi einen Plan, wonach die 450 belgischen Märkte innerhalb der nächsten drei Jahre aufgewertet werden sollen. 350 Millionen Euro will Aldi dafür in die Hand nehmen. Unter anderem ist auch die Einstellung von 450 neuen Mitarbeitern vorgesehen. Lidl fühlte sich offenbar dazu genötigt, nachzuziehen. Der entsprechende Plan war aber noch nicht ausgereift. Das Resultat für Lidl ist jetzt erst einmal ein beträchtlicher Imageschaden.
Vorprogrammierte Konflikte und der Tag der Arbeit
"Der soziale Unfrieden wird wohl nur noch größer werden", titelt derweil Het Nieuwsblad. Im Moment jagt quasi ein Sozialkonflikt den nächsten: Heute streiken ja auch die Beamten im föderalen Öffentlichen Dienst. Auch die Piloten von Brussels Airlines haben für die nächsten Tage "harte Protestaktionen" angekündigt. Nicht zu vergessen die Proteste bei Lidl. All das könnte ansteckend wirken auf andere Betriebe, meint ein Experte. Der Punkt: Viele Unternehmen drehen inzwischen wieder auf vollen Touren, haben ihren Personalbestand aber nicht entsprechend aufgestockt. Da sind Konflikte vorprogrammiert.
Das alles am Vorabend des 1. Mai, dem Tag der Arbeit. Insbesondere die Gewerkschaften und die sozialistischen Parteien laufen sich schon warm für die traditionellen Großveranstaltungen zu diesem Anlass. Doch glauben einige Zeitungen zu beobachten, dass sich die Motivation vieler Aktivisten doch arg in Grenzen hält. Le Soir bringt es auf den Punkt: "Die Gewerkschaften reihen 1. Mai-Kundgebungen aneinander, ohne Beute zu machen." Die Zeitung hat einige Slogans herausgekramt, die in den letzten Jahren im Mittelpunkt des Tags der Arbeit standen. Aus heutiger Sicht kann man da nur sagen: Das war wohl nichts. Konkret: Die Regierung hat sich geflissentlich über die Forderungen der Gewerkschaften hinweggesetzt.
"Streiks bei Lidl, Bpost, im öffentlichen Dienst - das alles nach Deliveroo und Uber: Man kann nicht sagen, dass wir am morgigen 1. Mai die Arbeit feiern", meint Le Soir in seinem Leitartikel. Viele Arbeitnehmer haben einfach nur noch die Nase voll, angesichts von Arbeitsdruck, nicht enden wollenden Sparmaßnahmen, der geplanten Rentenreform, der wiederholten Beschneidungen ihres Berufsstatuts und nicht zuletzt der Ängste, etwa im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Die Politik wäre gut beraten, diese Sorgen nicht zu ignorieren. Dieses Malaise droht, die ganze Gesellschaft zu erfassen. Für die Politik geht es hier um ihre Glaubwürdigkeit.
Morgen beginnt in jedem Fall auch der Wahlkampf, bemerkt dazu L'Avenir. Insbesondere die sozialistischen Parteien und auch die marxistische PTB werden sich morgen in Stellung bringen. Insbesondere die Sozialisten sollten aber nicht nur die nächste Wahl als Herausforderung betrachten. Sie brauchen auch einen programmatischen Frühling. Im Ozean des globalen Neoliberalismus reicht es nicht mehr, die Steuerungerechtigkeit oder die Gier der Manager anzuprangern. Man muss auch beweisen, dass das sozialistische Modell eine wirkliche Alternative darstellt.
Warum nicht einfach den Realitäten ins Auge sehen?
Einige Zeitungen werfen auch einen – wenn auch zaghaften – Blick auf den jüngsten Zwischenfall im Atomkraftwerk Doel. Der Reaktor Doel 1 musste heruntergefahren werden. Wie sich später herausstellte, war der Grund ein Leck im nuklearen Teil der Anlage. Nüchterne Schlagzeile im Innenteil von De Standaard: "Ein Leck zwingt Doel 1 zum Stillstand". La Libre Belgique präzisiert immerhin im Titel, dass sich das Problem im nuklearen Teil des Reaktors ansiedelt.
Die Grünen und auch die PS fordern jedenfalls eine Sondersitzung des zuständigen Kammerausschusses. Wie üblich präsentierte Betreiber Engie Electrabel wieder einmal allerlei Ausflüchte, um die Bevölkerung zu beruhigen, giftet Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Keine Gefahr also. Also auch nicht, wenn das Problem diesmal den nuklearen Teil betrifft. Können wir nicht einfach einmal den Realitäten ins Auge sehen? Doel 1 ist der älteste Reaktor des Landes. Wird es nicht langsam Zeit, die Kernkraftwerke, die sich selbst überleben, einfach abzuschalten?
RoP