"Der Frieden ist etwas näher gerückt", titelt De Standaard. "Für einen Moment lang waren die beiden Koreas wiedervereinigt", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Andere Zeitungen ziehen ein etwas emotionaleres Register: "Das Kuscheln zwischen Kim und Moon", schreibt etwa De Morgen auf Seite eins. Het Belang van Limburg spricht von einer "Umarmung für den Frieden".
Auf vielen Titelseiten sieht man am Samstag die Staatschefs von Nord- und Südkorea, Kim Jong Un und Moon Jae In, bei ihrem historischen Gipfeltreffen. Am Freitagmorgen haben sich beide an der Demarkationslinie getroffen, die die Grenze zwischen beiden Ländern bildet seit dem Ende des Krieges 1953. Die einen zeigen einen feierlichen Händedruck, andere bringen Fotos von einer durchaus herzlichen Umarmung. Die Bilder stehen im schrillen Kontrast zu dem Säbelrasseln, das noch vor einigen Wochen auf der koreanischen Halbinsel zu hören war. La Libre Belgique präsentiert denn auch am Samstag die "Hintergründe eines historischen Händedrucks".
Mit dem Wort "historisch" sollte man vorsichtig sein, mahnt aber Het Nieuwsblad. Formulieren wir es mal so: Wir haben vielleicht am Freitag einen historischen Schritt gesehen, aber nur einen klitzekleinen. Von einem Friedensvertrag zwischen beiden Ländern sind wir jedenfalls noch meilenweit entfernt.
Hoffnung oder Illusion?
"Echte Hoffnung oder Illusion?", fragt sich auch La Libre Belgique. Kim Jong Un jedenfalls erklärte, überwältigt von Emotionen zu sein. Berührt haben dürften die Bilder auch viele Zuschauer, was die Situation nicht weniger surrealistisch macht. Noch vor einigen Monaten schien es, als wolle das Regime in Pjöngjang die ganze Welt mit in den Abgrund reißen. Doch auch jetzt ist Vorsicht geboten: So mancher dürfte sich noch an die beiden vorherigen interkoreanischen Treffen erinnern, die auch schon auf Tauwetter hoffen ließen, die beide Male auch schon enthusiastisch aufgenommen worden waren. Diese Aussichten hatten sich dann aber doch jedes Mal wieder schnell verflüchtigt. Die Frage ist, ob der nordkoreanische Diktator hier wirklich aufrichtig ist, oder ob er nur zu dem Schritt gezwungen wird, weil sein Land durch die internationalen Sanktionen erdrückt wird.
De Tijd stellt sich exakt dieselbe Frage wie La Libre: Hoffnung oder Illusion? Kernfrage ist hier vor allem, ob Nordkorea am Ende bereit sein wird, auf seine Atomwaffen zu verzichten. Das erscheint im Moment mehr als zweifelhaft. Allen voran die USA dürften aber bei dieser Forderung bleiben. Sehen wir es mal so: Immerhin wurde jetzt mal ein wenig Zeit gekauft, um Raum zu schaffen für diplomatische Kontakte zwischen den verschiedenen Protagonisten. Das ist in jedem Fall ein Verdienst des gestrigen Treffens, wenn es vielleicht am Ende auch das einzige gewesen ist.
Die echte Motivation des Regimes ist fraglich
Auch Het Laatste Nieuws stellt sich die Frage nach den wirklichen Absichten von Kim Jong Un: Ist es wirklich denkbar, dass die Wirtschaftssanktionen der kommunistischen Diktatur so wehtun, dass sie plötzlich das Kriegsbeil begraben will? Vielleicht. Dabei darf man aber nicht vergessen, mit wem wir es hier zu tun haben. Dieses Regime zögert nicht, sein Volk notfalls verhungern zu lassen. Mal ehrlich: Kann man da wirklich ernsthaft glauben, dass ein Land, das alle Energie in die Entwicklung von Kernwaffen gesteckt hat, die eine Form von Lebensversicherung sein sollen, dass ein solches Land jetzt plötzlich eben diese Lebensversicherung wieder abgeben würde?
De Standaard will seinerseits nicht ausschließen, dass in Pjöngjang tatsächlich ein Umdenken stattgefunden hat. Zugegeben: Nordkorea, genauer gesagt die Kim-Dynastie, hat schon einiges überlebt. Und auch Kim Jong Un hat sich bislang als durchaus wendig und erfinderisch erwiesen. Nur ist das Land international isoliert. Und Kim hat vielleicht doch nicht die Absicht, im Kampf zu fallen; sein Vater und sein Großvater starben ja auch im Bett. Der Konfrontationskurs mit dem Westen und auch mit dem traditionellen Verbündeten China erschien jedenfalls mehr und mehr wie eine selbstmörderische Sackgasse. Vielleicht hat Kim begriffen, dass er mit der neuerlichen Annäherung an Südkorea die Lebensdauer seiner Diktatur verlängern kann.
Trump und Kim - ideale Bundesgenossen?
Kim Jong Un hat sein Regime wohl erst einmal gerettet, analysiert auch Le Soir. Für ihn kann sich der gestrige Tag wie ein Triumph anfühlen. Die übrigen Protagonisten - China und Russland auf der einen Seite, die USA und Japan auf der anderen - sie alle dürften diesen heftigen Flirt aber auch aufmerksam beobachten. Hier sind schließlich, über die Korea-Frage hinaus, erhebliche geostrategische Interessen im Spiel, allen voran die jeweiligen Einflusssphären von China und den Vereinigten Staaten.
Het Nieuwsblad hält seinerseits den internationalen Kontext für günstig: Die bis vor Kurzem noch Erzfeinde Trump und Kim sind eigentlich fast schon perfekte Bundesgenossen, um ein wirklich historisches Abkommen zu schließen. Demokratische US-Präsidenten hätten wohl immer auch das Thema Menschenrechte vor Augen, schlimmer als die nordkoreanische Diktatur geht ja kaum noch. Trump sind solche Befindlichkeiten egal. In seiner Welt darf jedes Land auf seinem Territorium tun, was es will. Außer vielleicht Giftgas einsetzen. Die Einzigen, die in diesem Fall nichts zu gewinnen haben, das sind leider die Menschen in Nordkorea.
Roger Pint