"Riesenversteigerung für den Atomausstieg", titelt Le Soir. Die Regierung denkt darüber nach, Belgiens Strombedarf in Zukunft über ein Versteigerungssystem zu decken. Mitmachen können dabei sowohl die klassischen Stromproduzenten als auch alternative. Um neue Investoren anzulocken, will Belgien deshalb alle Energiequellen subventionieren.
Dazu meint die Zeitung: Die Pseudo-Liberalisierung des Strommarktes in Europa von 1996 ist ein Fiasko. Sicherlich: Der Belgier hat heute die Freiheit, seinen Stromanbieter zu wählen. Doch diese Wahl ist nebensächlich. Alle Anbieter kaufen ihren Strom an derselben Börse. Der Unterschied liegt lediglich im Marketing.
Der belgische Strommarkt ist laut einem Bericht der Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers "stark konzentriert". Drei Produzenten verfügen über 70 Prozent des erzeugten Stroms. Die Liberalisierung hat auch die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet. Im Gegenteil: Belgien ist immer noch stark abhängig von seinen Atomkraftwerken. Und Investoren, die mit zusätzlichen Kapazitäten den Atomausstieg 2025 ermöglichen könnten, sind nicht in Sicht.
Die Liberalisierung hat den Strom auch nicht billiger gemacht. In den letzten zehn Jahren ist die Stromrechnung der belgischen Haushalte um mehr als 70 Prozent teurer geworden. Und zu guter Letzt: Staatliche Subventionen sind im Zuge der Liberalisierung auch nicht weniger geworden. Sogar die liberale belgische Regierung ist dazu gezwungen, mit Subventionen Investoren für neue Energiequellen anzulocken, so Le Soir.
Der Effekt ist gleich Null
"Die Staatskasse klingelt", schreibt Het Belang van Limburg und kommentiert die 676 Millionen Euro aus der LKW-Maut. Das sind die guten Nachrichten, so die Zeitung. Doch wer geglaubt hat, dass die Maut die LKW-Schlangen auf unseren Autobahnen verschwinden lässt, der wird jeden Tag aufs Neue vom Gegenteil überzeugt.
Der Effekt auf die Staus ist gleich Null. Und das aktuelle System ist auch nicht darauf ausgelegt, den LKW-Verkehr zu entzerren. Ob im Berufsverkehr oder mitten in der Nacht, für die Höhe der Maut macht das keinen Unterschied. Geht es nicht noch unlogischer, fragt sich die Zeitung. Um das Stau-Problem zu lösen, braucht es eine allgemeine Maut. Auch für PKW.
Die Nutzung des Autos zu besteuern anstatt seinen Besitz, das ist eine vertretbare Idee. Das passiert zwar auch schon heute mit den Akzisen auf Kraftstoff. Doch das ist eine dumme Maut, die lediglich die Anzahl Kilometer in Betracht zieht. Eine schlaue Variante wäre es, die Autosteuer durch ein Maut-System zu ersetzen, das sowohl Uhrzeit als auch Ort berücksichtigt, glaubt Het Belang van Limburg.
Nur eine Sache des Prestiges?
De Tijd kommentiert die Werbekampagne Belgiens für einen zeitweiligen Sitz im UN-Sicherheitsrat: Dieser Sitz ist vor allem eine Sache des Prestiges, meint die Zeitung. Der Sicherheitsrat ist, genauso wie die Vereinten Nationen, eine veraltete Institution. Aufgebaut kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Unter den fünf ständigen Mitgliedern sind Lateinamerika und Afrika nicht dabei.
In Krisenzeiten ist der Sicherheitsrat oft nicht mehr als eine Veto-Maschine, wie es uns der Krieg in Syrien nochmal demonstriert. Die Idee einer ständigen diplomatischen Beratung auf Weltniveau ist gut. Sie kann Konflikte entschärfen oder ihnen zuvorkommen. Und, wenn nötig, können die Vereinten Nationen selbst eingreifen.
Doch ihre Rolle ist in dieser Welt ist stark marginalisiert. Das hat auch mit ihrer Arbeitsweise zu tun. Seit vielen Jahren wird über eine Modernisierung der Institution nachgedacht. Passiert ist in all den Jahren aber nichts, stellt De Tijd fest.
"Bewegung" statt Partei
Het Laatste Nieuws kommentiert die Tatsache, dass sich die flämischen Sozialisten in Ostende, der Heimatstadt ihres Vorsitzenden John Crombez, nicht als SP.A sondern als "Stadtliste" bei den Gemeinderatswahlen präsentieren. Dazu meint das Blatt: Seit dem Erfolg von Emmanuel Macron scheint es sexier zu sein, sich als "Bewegung" dem Wähler zu stellen anstatt als Partei. Überall tauchen diese "Bewegungen" auf, die dem "Bürger die Macht zurückgegeben wollen".
Das klingt alles prächtig, aber man muss doch auch schauen, was hinter dieser Verpackung steckt. Dem Bürger mehr Mitspracherecht zu geben, ist zu begrüßen und nötig. Aber das alleine reicht nicht. Am Ende ist immer ein Schiedsrichter nötig, der gewählt oder abgewählt werden kann, meint Het Laatste Nieuws.
Antisemitismus trifft uns alle
"Auch in Belgien gibt es einen neuen, ansteigenden Antisemitismus", das ist ein Zitat der jüdischen MR-Politikerin Viviane Teitelbaum in einem Interview mit La Libre Belgique. Für die Zeitung ist der Antisemitismus, dieses Gift, das seit Jahrhunderten in Europa besteht, nicht nur eine Sache der Juden, sondern ein Krebsgeschwür, das uns alle trifft. So wie jede andere Form von Hass, Rassismus oder Islamophobie.
Antisemitismus muss benannt werden. Egal, ob er von Muslimen, Christen oder jemand anderem kommt. Das Problem wird zu selten erkannt und mediatisiert. Die Menschen jüdischer Religion sind wütend. Und das zu Recht, meint La Libre Belgique.
vk/jp