"Abtreibung: Die unmögliche Debatte", titelt heute Le Soir. Hintergrund ist der überraschende Vorstoß der christdemokratischen CDH, den Abtreibungsparagraphen komplett aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Bislang ist Abtreibung nur teilweise legalisiert. Die Mehrheitsparteien wollen die Debatte darüber aber zurzeit nicht eröffnen.
Le Soir zitiert die französische Politikerin Simone Veil: "Abtreibung ist kein Verbrechen, sondern ein Recht. Das Recht jeder Frau, über ihren Körper zu bestimmen." Das Blatt ist der Meinung: Wenn Belgien die Gleichheit von Mann und Frau als nicht verhandelbaren Wert festschreiben will, dann muss das Recht auf Abtreibung gesetzlich verankert werden. Sieben Parteien aus Mehrheit und Opposition haben entsprechende Gesetzesvorschläge hinterlegt.
Die Debatte zu eröffnen, ist eine demokratische Notwendigkeit. Sich ihr zu verweigern, wäre ein Eingeständnis der Schwäche. Wenn die Föderalregierung aus unserem Land einen progressiven Staat machen will, so wie sie es bereits mit der Euthanasie und der Heirat und Adoption bei gleichgeschlechtlichen Partnern getan hat, dann darf sie sich nicht hinter einem Regierungsabkommen verstecken. Wenn unser Land ein Motor für ethischen Fortschritt innerhalb der Europäischen Union sein will, während andere Mitgliedsstaaten wie Polen sich dem verweigern, dann muss die Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch verschwinden, fordert Le Soir.
Mit dem Haushaltsgleichgewicht gewinnt man keine Wahl
Die Wirtschaftszeitung De Tijd beschäftigt sich ebenfalls mit der Föderalregierung und mit ihrem ursprünglichen Versprechen, den Haushalt 2018 ins Gleichgewicht zu bringen: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Doch dieser Wille war wohl nicht groß, meint die Zeitung. Es sieht derzeit danach aus, dass die Michel-Regierung ihr Haushaltsziel, das sie schon vorher auf 2019 verschoben hat, nicht erreichen wird. Um das zu schaffen, müssten 2019 einige Milliarden an Einsparungen vorgenommen werden. In einem Wahljahr wagt das keine Partei. Mit einem Haushalt im Gleichgewicht gewinnt man keine Wahlen. Mit neuen Steuern und Einschnitten verliert man sie aber.
Seit fast 20 Jahren versprechen die Regierungen, das Haushaltsdefizit abzubauen. Und jedes Jahr wird die Latte niedriger gelegt, weil man sie sonst nicht erreichen kann. Das Ziel, nicht mehr auszugeben, als eingenommen wird, wird immer auf die lange Bank geschoben. Immer gibt es eine Ausrede. Politisch ist das logisch, aber wirtschaftlich riskant. Solange Belgien Haushaltsdefizite anhäuft, auch wenn sie nicht so groß sind, wird die Staatsschuld nicht geringer. Die beträgt mehr als 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das ist tragbar, solange die Zinsen niedrig sind. Aber früher oder später ist diese Zeit vorbei, mahnt De Tijd.
Crucke will nicht wie Turtelboom enden
La Libre Belgique kommentiert eine mögliche "Crucke taxe": Um die zwei Milliarden Euro Schulden der Wallonie, die durch die Grünen Zertifikate für Photovoltaikanlagen entstanden sind, abzubauen, hat eine Taskforce jetzt vorgeschlagen, jedem wallonischen Haushalt 45 Euro in Rechnung zu stellen. Der liberale wallonische Energieminister Jean-Luc Crucke ist dagegen. Verständlich, findet die Zeitung. Ein Jahr vor den Wahlen will er keine "Crucke taxe". Die flämische Ministerin Annemie Turtelboom musste wegen ihrer "Turteltaks" zurücktreten. Ein grausames Dilemma: entweder eine Steuer für alle, das heißt auch für diejenigen, die keinen Photovoltaik-Strom produzieren – oder einen reduzierten Bonus für die Photovoltaikanlagenbesitzer. In beiden Fällen ist es eine Ungerechtigkeit, stellt La Libre Belgique fest.
13 Stunden Anhörungen – und nun?
Die flämischen Zeitungen kommen erneut auf die F-16-Affäre und die Anhörungen der letzten beiden Tage in der Kammerkommission zurück: 13 Stunden Anhörungen haben uns in eine knifflige Situation gebracht, meint De Standaard. Belgische Militärs mit vielen Sternen und Streifen und technischem Wissen sind sich uneinig in ihrer Einschätzung zur Lebensdauer der F-16.
Der Whistleblower glaubt, dass sie bis 2030 halten könnten, andere wiederum befürchten, dass sie nicht einmal die vorgeschriebenen 8.000 Flugstunden überstehen. Jetzt sind wir also darauf angewiesen, was der Hersteller der F-16 und die US Air Force darüber denken. Die sind respektive aber auch Verkäufer und Befürworter des Nachfolgekandidaten F-35. Ihre Interessen sind eindeutig: Kauft neue Flugzeuge, sagen sie. Eine Verlängerung der Nutzungsdauer ist der Mühe nicht wert. Ihre Einschätzung wird jetzt zur politischen Wahrheit über die F-16, analysiert De Standaard.
De Morgen ist froh über die Debatte: Sie trifft den Kern der Zukunft von Belgiens Streitkräften. Es ist eine Debatte über viel Geld, über eine der zentralen Aufgaben des Staates und über eine Welt in Veränderung. Wenn wir uns irgendwann einmal einig sind, neue Flugzeuge anzuschaffen, dann steht über allem noch die eine entscheidende Frage: An wen binden wir unser Schicksal? An ein System, das vom amerikanischen Militär beschützt wird und damit von einem zwar vertrauten, aber fernen Partner, der andere geopolitische Prioritäten hat als wir? Oder vielleicht doch an einen europäischen Verbund? Der bietet vielleicht nicht die Sicherheit der Vergangenheit, aber möglicherweise die unserer Zukunft, so De Morgen.
Volker Krings