"Abgang für Kris Peeters – Aron Berger zieht sich zurück", titelt Het Belang van Limburg. "Peeters erleidet Gesichtsverlust", so die Schlagzeile bei Gazet van Antwerpen. "Antwerpener Fiasko stellt CD&V bloß", schreibt De Standaard.
Die flämische Presse kommentiert heute nahezu ausschließlich die Affäre um den chassidischen Kandidaten Aron Berger. Der ultraorthodoxe Jude sollte für die christdemokratische CD&V bei den Gemeinderatswahlen in Antwerpen antreten. Nach dem Wirbel um seine Aussage, aus religiösen Gründen keiner Frau die Hand geben zu wollen, zog Berger seine Kandidatur zurück. Gestern kam dann noch heraus, dass Berger wegen Diebstahls verurteilt worden war. Laut Gazet van Antwerpen hatte er einem alten Mann geholfen, dessen Erbschaft zu regeln und ihm dabei knapp 30.000 Euro abgeknöpft. Für CD&V-Spitzenkandidat Kris Peeters ist die Blamage jedenfalls groß.
Schmerzhafte Erkenntnisse
Het Nieuwsblad meint dazu: Kris Peeters muss gestern ein paar Dinge realisiert haben. Er wird nicht Bürgermeister von Antwerpen. Und er wird nicht der Held seiner Partei. Sein politischer Zenit liegt in der Vergangenheit. Und wahrscheinlich wohl die schmerzhafteste Erkenntnis: Sein Kredit innerhalb der Partei ist so gut wie aufgebraucht, stellt Het Nieuwsblad fest.
Ähnlich sieht es auch De Standaard: Die Endphase der politischen Karriere von Kris Peeters hat begonnen. Die Rolle des Premierministers wird ihm wohl nie zufallen. Und die Chance, dass sein überraschender Griff nach dem Amt des Antwerpener Bürgermeisters erfolgreich sein wird, ist äußerst klein. Der wohl wahrscheinlichste Ausgang, sich aufopfernd für die Partei kämpfend unterzugehen, hat zumindest noch etwas Heldenhaftes.
Mit seinem missglückten Versuch, einen jüdischen Kandidaten aufzustellen, hat sich Peeters, bei den letzten Wahlen noch Galionsfigur seiner Partei, von der nervösen christdemokratischen Basis entfernt. Die CD&V muss sich jetzt tapfer zur Mitte hin positionieren, auch wenn sie nun ihre Ambitionen, die belgische Politik dominieren zu wollen, begraben muss. Sie sollte eine solide Kraft sein, die fähig ist, aus ihren eigenen Werten heraus den Dialog mit Andersgläubigen aufrechtzuerhalten, während andere auf Polarisierung und Identität setzen, wünscht sich De Standaard.
Wie gestaltet man Politik?
Für De Tijd hat sich die Antwerpener CD&V in der Frage verzettelt, wie man Verschiedenheit integriert, ohne die eigenen Werte zu verraten. So vielen wie möglich die Hand zu reichen, so verschieden sie auch sein mögen, das ist ein guter Vorsatz für jede politische Partei. Aber es gibt eine Grenze: Wenn man zu viele Werte gleichzeitig umarmt, hat man am Ende selbst keine mehr. Dann verschwindet das politische Ziel zugunsten der persönlichen Ambitionen der Spitzenkandidaten.
Das passiert gerade in Antwerpen. Die Kontroverse rund um die Antwerpener CD&V illustriert aber ein noch viel größeres Problem: Wie gestaltet man Politik in einem Land, in dem die Bürger aufgrund ihrer Religion, Muttersprache und Herkunft immer unterschiedlicher werden? Die Antwort darauf ist, ihnen die Hand zu reichen und sie zu einer demokratischen Debatte einzuladen, ohne selbst Grundwerte wie die Gleichheit von Mann und Frau aus den Augen zu verlieren. Ausgerechnet die ehemalige staatstragende Partei CD&V hätte das begreifen müssen, analysiert De Tijd.
Ein erstaunliches Demokratieverständnis
Im Fokus der frankophonen Presse steht die gestrige Anhörung in der Kammerkommission Verteidigung zur F-16-Affäre. Die Armeespitze scheint ein erstaunliches Demokratieverständnis zu haben, findet L'Avenir. Es scheint, als habe es innerhalb der Armee den erbitterten Willen gegeben, keinerlei Informationen über eine mögliche Laufzeitverlängerung für die F-16 an die Politik weiterzugeben – und dabei auch noch denjenigen zu drangsalieren, der diese Information ausgegraben hatte. Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Notiz von Colonel Rudi Decrop, mit einer Laufzeitverlängerung knapp eine Milliarde Euro einsparen zu können, verschwiegen und verschleiert werden sollte. Von da aus bis zur Manipulation von Verteidigungsminister Vandeput und der gesamten Politik ist es dann nur ein kleiner Schritt, empört sich L'Avenir.
Für L'Echo hat man aber auch auf Seiten der Regierung in der ganzen Debatte zwei Dinge vergessen. Erstens: Die strategische Entscheidung Belgiens, neue Flugzeuge zu kaufen, wurde aufgrund des vorhersehbaren Endes des Nutzens der inzwischen 40 Jahre alten Kampfjets getroffen. Niemand verlangt von Belgien, die Ausrüstung für einen Erstschlag zu besitzen. Das bleibt den Großmächten vorbehalten. Doch bei den Diskussionen in der Kammer wurde bereits angedeutet, dass in nicht allzu ferner Zukunft unsere Luftstreitkräfte bald nur noch als "Luftpolizei" über unserem eigenen Territorium taugen werden. Zweitens: Was wären denn die Vorteile eines Stopps der Ankaufprozedur? Das würde unser Land in Sachen Nato-Verteidigungsbeitrag nur noch weiter ins Hintertreffen geraten lassen, analysiert L'Echo.
Volker Krings