"Belgien präsentiert der EU seinen Arco-Deal", titelt De Tijd. "Jetzt hat Europa im Arco-Dossier das Heft in der Hand", schreibt L'Echo auf Seite eins.
Die Akte Arco vergiftet insbesondere die flämische Politik schon seit fast sieben Jahren. Im Oktober 2011 geriet die Dexia-Gruppe in eine gefährliche Schieflage. Unter anderem musste der belgische Staat die Dexia-Bank aus dem Unternehmen herauskaufen, das Geldhaus heißt inzwischen Belfius.
Im Zuge der Dexia-Pleite musste insbesondere Arco Konkurs anmelden. Das war der finanzielle Arm der Christlichen Arbeiterbewegung. Die insgesamt 800.000 Arco-Teilhaber hatten damit ihre Wertanlage verloren. Diese Betroffenen verlangen seither eine Entschädigung, für die sich die flämischen Christdemokraten auch verbürgt haben. Eine erste Regelung war von der EU-Kommission als illegale Staatsbeihilfe betrachtet und gekippt worden.
Jetzt unternimmt die Regierung einen zweiten Anlauf: Die früheren Arco-Teilhaber sollen 40 Prozent ihres ursprünglichen Einsatzes erstattet bekommen. Die Rechnung beliefe sich damit auf 600 Millionen Euro. Den Großteil davon würde der Staat tragen. Die Entschädigung soll in Form einer "Super-Dividende" erfolgen, die die nach wie vor staatseigene Belfius-Bank ausschütten würde.
Das ist jetzt also Plan B, meint De Tijd in ihrem Leitartikel. Die Frage ist natürlich zunächst, ob die EU-Kommission diese Lösung nun durchwinken wird. Grundsätzlich sei aber auch die Frage erlaubt, ob es überhaupt die Rolle des Staates ist, hier einzuspringen. Es geht immerhin um Steuergelder in Höhe von 540 Millionen Euro. Ob das Geld nun direkt von Belfius kommt oder aus dem Erlös der angestrebten Teilprivatisierung, das tut nichts zur Sache. Die Dexia-Rettung hat den Staat schließlich eine ordentliche Stange Geld gekostet. Und nur zur Erinnerung: Es war nicht der Staat, der seinerzeit den Karren in den Dreck gefahren hat.
"Der belgische Fiskus will sich des Themas 'entsandte Arbeitskräfte' annehmen", so die Aufmachergeschichte von La Libre Belgique. Hier geht es um Arbeiter aus dem EU-Ausland, die mitunter viel kostengünstiger sein können als heimische Arbeitskräfte. Kritiker bezeichnen das als reines Sozialdumping. Die Zahl der in Belgien beschäftigten entsandten Arbeitskräfte ist in den letzten Jahren stetig gestiegen und beläuft sich inzwischen auf knapp 250.000 Personen. Belgien will diese Praxis jetzt verstärkt kontrollieren, z. B. um festzustellen, ob man sie wirklich als "entsandte Arbeitskräfte" bezeichnen kann.
Zu viele verdächtige "Zufälle" in Antwerpen?
"Tom Meeuws ist zufrieden mit der schnell arbeitenden Justiz", so derweil die Aufmachergeschichte von Gazet van Antwerpen. Tom Meeuws kandidiert auf Platz zwei der SP.A-Liste bei den Kommunalwahlen in Antwerpen. Gestern haben Polizei und Justiz eine Hausdurchsuchung in seiner Wohnung durchgeführt. Hintergrund sind Ermittlungen zu Vorwürfen aus der Zeit, als Meeuws noch Regionaldirektor bei der flämischen Nahverkehrsgesellschaft De Lijn war.
Gazet van Antwerpen wundert sich aber schon auf seiner Titelseite über das Timing: Es ist das zweite Mal, dass neue Entwicklungen in dem Ermittlungsverfahren zeitgleich mit der Vorstellung von Kandidaten der SP.A-Liste erfolgen. Ausgerechnet gestern hatten die Antwerpener Sozialisten nämlich ein neues Gesicht präsentiert, einen bekannten Journalisten des Antwerpener Regionalfernsehsenders ATV.
Die Liste der "Zufälle" ist inzwischen doch ein bisschen lang, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Bei der SP.A gibt es nicht wenige, die das Timing inzwischen doch sehr verdächtig finden. Der Punkt ist: Die Justiz wird sich darüber nicht äußern, alles bleibt Spekulation. Das Resultat bleibt aber das gleiche: Die jetzt oppositionelle SP.A, die früher in Antwerpen quasi auf die Macht abonniert war, droht spektakulär abzusaufen.
Lebenstipps von Bart
Apropos Antwerpen: Der Bürgermeister der Scheldestadt, Bart De Wever, hat es heute auch mal wieder auf die Titelseiten geschafft. La Dernière Heure bringt heute ein Exklusivinterview mit dem N-VA-Chef, der sehr selten mit frankophonen Medien spricht. Im Mittelpunkt steht aber nicht die Politik, sondern der Lebensstil des 47-Jährigen. De Wever war bis vor einigen Jahren schwer übergewichtig – bis er das Ruder herumriss und sein Leben radikal umkrempelte. In La Dernière Heure schildert er den Weg dorthin und vor allem seine Passion fürs Joggen.
"Bart De Wever, der Mann, den die Frankophonen so gerne hassen", bemerkt La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Dabei ist der N-VA-Chef mehr denn je die Schlüsselfigur in der belgischen Innenpolitik. Die Frage ist, welche frankophone Partei dem flämischen Nationalisten die Hand reichen würde, falls die Stimmen der liberalen MR nicht mehr reichen. Die Antwort auf diese Frage entscheidet wohl mit über die Zukunft des Landes.
Lügende Schleimbeutel und europäische Fenster
La Libre Belgique schaut derweil mit Befremden auf die USA, wo der frühere FBI-Chef James Comey seine Memoiren präsentiert hat. Comey war von US-Präsident Donald Trump entlassen worden. Jetzt rächt er sich, was ihm wüste Beschimpfungen vonseiten Trumps einbrachte. Wenn ein US-Präsident jemanden öffentlich als "lügenden Schleimbeutel" bezeichnet, dann deutet das auf einen Zusammenbruch der Verhaltensnormen hin, meint das Blatt. Es könnte aber noch schlimmer kommen: Wenn Trump den Sonderermittler Robert Mueller entlassen sollte, dann geht es um nicht weniger als die Zukunft der amerikanischen Demokratie.
Het Laatste Nieuws hingegen versucht, Donald Trump in Schutz zu nehmen. Wenn James Comey den US-Präsidenten als "moralisch ungeeignet" für das Amt bezeichnet, dann brüskiert er damit auch die Menschen, die den Mann gewählt haben. Es ist nicht der Ex-FBI-Chef, der über die Zukunft von Donald Trump entscheidet, sondern allein der Wähler.
De Standaard befasst sich seinerseits mit der Zukunft der Europäischen Union: Der französische Präsident Emmanuel Macron hat unter anderem eine ehrgeizige Reform der Eurozone angeregt. Jetzt hat Deutschland wieder eine Regierung, doch es droht plötzlich eine neue Gefahr, meint das Blatt. Die geschwächte Angela Merkel bekommt spürbaren Gegenwind aus der eigenen Partei. Es besteht die Gefahr, dass die mit Sicherheit nötige Reform der europäischen Entscheidungsstrukturen dadurch ins Stocken gerät. Mit der Amtsübernahme von Macron hat man geglaubt, dass sich ein pro-europäisches Fenster öffnet. Das allerdings scheint sich langsam wieder zu schließen.
Roger Pint