"Nach dem Angriff", schreibt De Standaard auf Seite eins. "Es war nur ein kurzer Schlag von Trump und Co.", titelt Het Belang van Limburg.
Im Grunde liefern die Zeitungen heute die Schlagzeilen nach, die eigentlich am Samstag gepasst hätten. Die Luftschläge der USA, Frankreichs und Großbritanniens gegen Ziele in Syrien waren aber für die Redaktionen zu spät gekommen.
Jetzt ist also schon Zeit für eine erste Bilanz: "Die Luftschläge haben gezeigt, wie machtlos der Westen tatsächlich ist", bemerkt etwa La Libre Belgique. Denn man muss ehrlich sein, fügt das Blatt hinzu: Wirklich viel haben die Raketen nicht gebracht. Het Nieuwsblad wird deutlicher: "Bomben im Wert von 100 Millionen, null Resultat".
"Die Bomben auf Syrien glühen nach", titelt derweil De Morgen. Die internationale Lage bleibt nämlich angespannt. "Kommt es jetzt zur Eskalation?", fragt sich besorgt La Dernière Heure. "Jetzt ist wieder Diplomatie gefragt", bemerkt seinerseits das GrenzEcho. Insbesondere Frankreich und Deutschland wollen ja eine neue diplomatische Offensive für ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien starten.
Mission accomplished?
"Mission accomplished", tönte jedenfalls US-Präsident Donald Trump. Mission erfüllt also. Fragt sich nur: Welche Mission?, meint Het Nieuwsblad. Erstmal ist dieser Satz vorbelastet. 2003 stand der Slogan auch schon einmal im Raum, als George W. Bush das scheinbare Ende des Kriegs im Irak verkündete. Das Resultat kennen wir. Doch noch einmal: Welche Mission? Was nach den Bomben kommen soll, das weiß nämlich niemand. Angefangen damit, ob Assad nun bleiben sollte oder gehen muss. Das Einzige, was die Raketen bewirkt haben, ist, dass das Morden weitergeht, nur eben nicht auf chemische Weise.
Wo ist die Strategie?, fragt sich auch Het Belang van Limburg. Noch vor zwei Wochen hatte Donald Trump vollmundig verkündet, die US-Truppen schneller als geplant aus Syrien abziehen zu wollen. Und er bleibt auch dabei. Die Luftschläge vom Samstagmorgen waren ein Strohfeuer. Der Westen hat mal eben kurz seine Muskeln spielen lassen, um sein Gesicht zu wahren, eine wirkliche Vision hat er aber nicht. Ganz im Gegensatz zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der hat eine Strategie.
Der Sieger: Wladimir Putin
Wenn es einen Sieger gibt, dann ist das Wladimir Putin, analysiert auch La Libre Belgique. Über die Luftschläge der westlichen Länder kann man viel sagen. Erstmal das: Nachvollziehbar wäre eine solche Aktion vor sieben Jahren gewesen, um die Bevölkerung in ihrem Kampf gegen das Regime von Baschar al-Assad zu unterstützen. Schon bezeichnend, dass die westlichen Demokratien erst wach werden, wenn mutmaßlich Chemiewaffen eingesetzt werden. Als wäre die Situation vorher so viel erträglicher gewesen. Um einen offenen Konflikt mit Russland zu vermeiden, mussten sich die USA und ihre Verbündeten zudem die Ziele sehr genau aussuchen. Insofern konnten die Luftschläge eigentlich nur zur Farce werden. Entsprechend hämisch dürfte man im Kreml grinsen.
Le Soir sieht das ähnlich: Eben weil die westlichen Staaten unter allen Umständen einen großen Bogen um russische Ziele in Syrien machen mussten, ist der Effekt der Raketen weitgehend verpufft. Die Luftschläge haben am eigentlichen Kräfteverhältnis nichts geändert: Wladimir Putin behält das Heft in der Hand, der Westen – insbesondere die Europäer – sind dazu verdammt, zu warten und zu hoffen.
"Responsability to protect" und "too little, too late"
Einige Blätter stellen die Rechtmäßigkeit der Luftschläge in Frage. Warum haben die USA und ihre Verbündeten zugeschlagen, bevor der Vorfall untersucht wurde?, fragt sich etwa Het Laatste Nieuws. Das ist doch verkehrte Welt! Richtig wäre: Erst die Untersuchung, dann – auf der Grundlage der Ergebnisse – gegebenenfalls eine Reaktion. Man muss der Realität ins Auge sehen: Im Moment haben allein die Russen das Völkerrecht auf ihrer Seite. Und der Westen gibt sich einseitig das Recht, dass er überall auf der Welt auftreten kann, wie es ihm gefällt. Ohne UN-Mandat.
Das GrenzEcho sieht das ähnlich und erinnert an vergleichbare Ereignisse in der Vergangenheit: In Zeiten von Fake News und Symbolpolitik sehen wir häufiger, dass politische Ziele an den Fakten vorbei und notfalls gegen die Fakten durchgesetzt werden. Im Nachhinein hat sich öfter herausgestellt, dass so manche Entscheidung mit weitreichenden Folgen auf Vermutungen beruhte, die falsch waren, was die Akteure im Übrigen wussten. Stichwort Irakkrieg.
L'Avenir ist hingegen anderer Meinung. Klar: Die Aktion vom Samstag erfolgte ohne ein Mandat der Vereinten Nationen. Dafür ist sie aber nicht automatisch illegal. Baschar al-Assad reiht seit Jahren ein furchtbares Verbrechen gegen sein Volk an das nächste. Das Problem: Die Vereinten Nationen müssen hilflos zusehen, weil Russland und in geringerem Maße auch China jegliches Handeln per Veto blockieren.
De Morgen sieht das genauso: Realisten sagen zu Recht, dass das russische Veto die Vereinten Nationen lähmt und jegliche Bestrafung von Assad mit UN-Mandat unmöglich macht. Nicht ganz Unrecht haben die Verfechter des Prinzips "Responsability to protect": Die internationale Gemeinschaft sieht sich in der Verantwortung, eine Bevölkerung vor Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Und ein Giftgasangriff kann nun mal nicht ungestraft bleiben. Einziges Problem: Die Luftschläge waren "too little, too late", zu wenig, zu spät. Der legitimste Ort, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, das wäre ein Kriegsverbrechertribunal, nicht das Schlachtfeld.
Roger Pint