Truppenparade und Modenschau
"Belgien wacht auf", titelt heute L'avenir. "Ganz Belgien begeht den Nationalfeiertag", schreibt das Grenz-Echo auf Seite 1. Viele Zeitungen bringen heute ausgewachsene Fotostrecken von den gestrigen Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag. Allein der traditionellen Truppenparade in Brüssel haben 100.000 Belgier beigewohnt, und das ist ein Rekord, weiß La Dernière Heure zu berichten. Für Het Laatste Nieuws zog jedoch nicht so sehr das Defilee von militärischen und zivilen Einheiten aller Art die Blicke auf sich, zu bewundern war vielmehr eine königliche Modenschau.
Königlicher Appell
La Libre Belgique beleuchtet ausgiebig die Rede von König Albert II. zum Nationalfeiertag. "Das Staatsoberhaupt plädiert für ein neues Gleichgewicht in diesem Land", schreibt die Brüsseler Zeitung auf ihrer Titelseite. Kommentierend fügt das Blatt hinzu: Der Palast übt sich in Realpolitik. Der König spricht in seiner Rede von einer spürbaren Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse. Gemeint ist zweifellos der Wahlsieg der N-VA in Flandern. Und ob es den Konservativen und den ewigen Verfechtern eines belgischen Einheitsstaates nun passt oder nicht: Dieses Signal muss zur Kenntnis genommen werden.
Das Ecolo-Problem
Doch erweist sich die Bildung einer neuen Regierung nach wie vor als äußerst kompliziert. Im Augenblick scheitert es schon an der Frage, wer der künftigen Koalition angehören soll. In diesem Zusammenhang richten sich derzeit alle Augen auf die frankophonen Grünen von Ecolo. Auf seiner Titelseite sieht De Standaard die Grünen in einer Schlüsselrolle. Das Problem: Auf frankophoner Seite ist Ecolo nötig, damit die Koalition über eine Zweidrittelmehrheit verfügt. Ecolo will aber nicht ohne das flämische Pendant Groen! einer Koalition beitreten. Auf flämischer Seite will allen voran die N-VA Groen! allerdings nicht in der Mehrheit sehen. Wie Le Soir berichtet, will Prä-Regierungsbildner Elio Di Rupo jetzt also einen letzten Anlauf starten, um Ecolo doch noch zu einer Regierungsbeteiligung auch ohne Groen! zu bewegen.
Zeit für Plan B
Gestern brachte Di Rupo aber einen Plan B ins Spiel, den nahezu alle Zeitungen beleuchten: Ein zweigleisiges Vorgehen. Im Klartext: Eine Koalition aus PS und cdH auf frankophoner Seite. Die für eine Zweidrittelmehrheit nötige Unterstützung aus der Opposition würde man sich vorab sichern. Het Belang van Limburg kann dem etwas abgewinnen. Sowohl die Grünen als auch die OpenVLD sind grundsätzlich bereit, eine Staatsreform auch aus der Opposition heraus zu stützen. In jedem Fall darf man jetzt nicht unnötig Zeit verlieren. Auch Di Rupo weiß, dass man jetzt mit allen Mitteln verhindern muss, sich festzufahren.
Scheitert Plan B an Madame Non?
Für De Morgen indes ist genau das schon passiert. Wie das Blatt auf seiner Titelseite berichtet, wurde besagter Plan B nämlich schon abgeschossen, und zwar von keiner Geringeren als Madame Non, der cdh-Vorsitzenden Joëlle Milquet also. Milquet hat einer Regierung, die nicht über eine Zweidrittelmehrheit verfügt, schon eine Absage erteilt. Wir stehen beängstigend nahe an einem Remake des Debakels vom Sommer 2007. Di Rupo erwägt notgedrungen genau das, was schon vor drei Jahren schiefgegangen ist: Eine Regierung, die für eine Zweidrittelmehrheit auf die Opposition angewiesen ist. Das, so hat die Vergangenheit gezeigt, ist eine lebensgefährliche Strategie.
"Di Rupo sitzt fest", analysiert auch Het Laatste Nieuws. Die Brüsseler Verhandlungen tragen immer mehr die Züge der Ereignisse vor drei Jahren. Und schuld ist wieder einmal Madame Non. Le Soir indes sieht eher die Grünen in der Pflicht: Ecolo sollte sich das Ganze zweimal überlegen. Klar: Die enge Bindung zu Groen! ist ein Argument. Doch muss das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmen. Jetzt müssen die Grünen unter Beweis stellen, dass sie in einem für das Land historischen Augenblick Verantwortung übernehmen können.
Auf Elio Di Rupo und Bart De Wever wartet noch monatelange Arbeit, resümiert Gazet van Antwerpen. In diesem Land eine Regierung auf die Beine zu stellen, gehört wohl zu den schwierigsten politischen Aufgaben überhaupt. Bester Beweis: Die Regierung Leterme hat allein zwei Jahre dafür gebraucht, sich auf die Farbe der neuen Autokennzeichen zu einigen.
Kafkas Kfz-Kennzeichen
Het Nieuwsblad macht daraus sogar seine Titelgeschichte. "Kafka pur", titelt das Blatt und fügt hinzu: Alle Experten sind sich einig: Um eine bestmögliche Lesbarkeit zu erzielen, gibt es nur zwei Kombinationen, entweder schwarze Zeichen auf weißem Grund, oder Schwarz auf gelbem Grund. Die Regierung entschied sich für Rubinrot auf weißem Grund. Dies auf Drängen von Nostalgikern, allen voran Joëlle Milquet.
De Standaard fällt über dieses absurde Theater ein vernichtendes Urteil: Die Frankophonen haben aus der Wahl der Farbe für die Nummernschilder eine Frage der nationalen Symbolik gemacht und sich damit über die Meinung aller Experten und den allgemeinen europäischen Trend hinweggesetzt. Der Krieg um die Nummernschilder ist der Beweis dafür, dass der vielgerühmte belgische Kompromiss tot ist. Und weil das die Lebensversicherung für das Land war, wird Belgien bald folgen.
Money
L'Echo und De Tijd beleuchten das Vermögen der Belgier. Deren Portemonnaie ist jetzt dicker als vor der Krise. Der Reichtum der Belgier erreicht ein neues Rekordniveau. Grund sind vor allem die positiven Entwicklungen an den Finanzmärkten. Der Durchschnittsbelgier hat ein Nettovermögen von 67.000 Euro.