"Wir sind verrückt nach der 'Ronde'", so die Schlagzeile auf Seite eins von De Tijd. "Noch nie waren so viele Favoriten am Start", notiert Gazet van Antwerpen auf seiner Titelseite. Insbesondere der nördliche Landesteil fiebert der morgigen Flandernrundfahrt entgegen. Für die Fans ist das traditionell der Höhepunkt der flämischen Frühjahrsklassiker.
"Es ist unsere Heilige Woche", sagen eingefleischte Radsportfreunde auf Seite eins von De Tijd. Het Nieuwsblad fühlt sich offensichtlich an das letzte Abendmahl erinnert: In der Mitte sitzt der Dauerfavorit, Weltmeister Peter Sagan, um ihn geschart sind die übrigen Anwärter auf den Sieg, darunter Philippe Gilbert und Greg van Avermaet. "Wird es Sagan oder einer der zwölf Apostel?", fragt sich Het Nieuwsblad, um im Bild zu bleiben. Insbesondere Greg Van Avermaet ist wie immer besonders motiviert: "Es muss doch einmal klappen für mich", sagt der 32-Jährige auf Seite eins von Het Belang van Limburg. "Mach einfach dein Ding, Junge!", empfiehlt ihm Tom Boonen auf der Titelseite von Het Laatste Nieuws. Boonen hat die "Ronde" immerhin drei Mal gewonnen.
Legal vielleicht, fair dagegen...
Apropos Sport: Da werden heute nicht nur positive Schlagzeilen produziert. "Die Roten Teufel umdribbeln den belgischen Fiskus", schreibt etwa De Tijd. "Luxemburg, das liebste Steuerspielfeld der belgischen Sportler", so formuliert es Le Soir. Beide Blätter setzen heute ihre Artikelserie über die "Lux Files" fort. Die Auswertung der Dokumente hat ja insbesondere gezeigt, dass rund hundert Familien bis zu 48 Milliarden Euro im Großherzogtum geparkt haben. Ähnlich handhaben das auch einige Fußballnationalspieler: Zehn der 28 für das letzte Spiel nominierten Roten Teufel verfügen über Gesellschaften in Luxemburg. Interessant ist das Großherzogtum offenbar vor allem wegen seines Steuerregimes, das für Bildrechte gilt. Auch Radprofis wie Philippe Gilbert nutzen den Standort Luxemburg. Dabei hat Gilbert ja eigentlich längst schon seinen Wohnsitz nach Monaco verlegt.
Das alles mag ja legal sein, räumt Le Soir in seinem Leitartikel ein. Und doch werden wir nicht aufhören, solche Steuerdokumente auszuwerten und die Ergebnisse zu veröffentlichen. Denn was sehen wir hier? Die Reichen und Superreichen nutzen mehr denn je alle Tricks, um ihren Beitrag zum Funktionieren der Staaten möglichst zu minimieren. Eben diesen Staaten fehlt es aber meist an den finanziellen Mitteln, um ihre vornehmsten Missionen langfristig abzusichern: die Ausbildung unserer Kinder, Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung für alle. Derlei Steuerpraktiken zu enthüllen, das ist in gewisser Weise also auch eine Mission.
Beschlossen, nicht zu beschließen
Viele Zeitungen beschäftigen sich auch mit den gestrigen Beschlüssen des Ministerrats. Erstens: "Belgien bestätigt den Atomausstieg 2025", wie das GrenzEcho titelt. "Das Ende der Atomkraft bleibt auf 2025 programmiert", schreibt auch La Libre Belgique. Und zweitens: "Es gibt ein Abkommen über die 'schweren Berufe'", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Aber, fügt das Blatt hinzu, die Liste ist noch lange nicht fertig. Es ist tatsächlich so: Die Regierung hat gestern nur die Kriterien festgelegt, die einen "schweren" Beruf definieren sollen. Und ein "schwerer Beruf", der erlaubt es ja dann, früher in den Ruhestand zu gehen. Besagte Liste, die die "schweren Berufe" ausformuliert umfassen soll, die muss jetzt von den Sozialpartnern ausgearbeitet werden, also den Arbeitgebern und Gewerkschaften. Het Nieuwsblad formuliert es denn auch etwas anders: "Es gibt ein Scheinabkommen über schwere Berufe".
Die meisten Leitartikler sehen die gestrigen Beschlüsse kritisch: "Das ist kein Osterabkommen, sondern eher ein Fastenabkommen", so formuliert es etwa Het Laatste Nieuws. Beispiel Energiepakt: Die Regierung hält zwar formal am Atomausstieg 2025 fest. Vereinbart wurde aber ein permanentes Monitoring. Es soll also geprüft werden, ob die Versorgungssicherheit auch nach 2025 garantiert ist. Ähnlich sieht das bei den "schweren Berufen" aus: Im Grunde steht die eigentliche Arbeit erst noch bevor, nämlich die Abfassung der konkreten Liste. Fazit: gestern hat man mal wieder beschlossen, nicht zu beschließen.
"Schwere Berufe: Im Grunde beginnt die Diskussion jetzt erst", analysiert auch De Standaard. "Die schweren Berufe stehen vor der schwersten Etappe", so formuliert es De Morgen. "Das wird kein Sonntagsspaziergang", warnt auch Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Allenfalls hat sich die Regierung Zeit erkauft, kann jetzt wenigstens in Ruhe in den wohlverdienten Osterurlaub fahren. Man kann nur hoffen, dass die österliche Freude die Equipe von Charles Michel für die Zielgerade der Legislaturperiode beflügelt.
Ein typisch belgischer Kompromiss
Ähnlich nuanciert das Urteil über den Energiepakt: "Die Föderalregierung besiegelt den Energiepakt und bestätigt den Atomausstieg, aber...", notiert etwa L'Echo mit der Betonung auf dem "aber...". Das Ganze sieht wieder verdächtig aus wie ein typisch belgischer Kompromiss, findet auch De Morgen. In der gestrigen Einigung können sich alle wiederfinden: die N-VA, die den Atomausstieg nach wie vor für illusorisch hält. Und auch die OpenVLD, die in der erwiesenermaßen großen Herausforderung eine Chance sieht.
Vielleicht tun wir der Regierung ja Unrecht. Vielleicht ist das gestrige Grundsatzabkommen ja tatsächlich wegweisend. Festhalten muss man aber, dass in dem belgischen Strategiepapier – im Gegensatz zu anderen Ländern wie Deutschland, den Niederlanden oder den Skandinaviern – jeglicher Unterbau fehlt. Man sieht nicht konkret die Ambition, wirklich eine Energiewende herbeizuführen.
Das wichtigste Verdienst des Energiepaktes ist es wohl, die Regierung Michel erst einmal zu beruhigen, glaubt L'Avenir. Der Koalitionsstreit über die energiepolitische Zukunft wird damit vorerst beigelegt. Wichtige Fragen wie etwa die nach der Entwicklung der Strompreise, die werden wieder vertagt. Das Ganze hat den Anschein eines Abkommens, das jederzeit möglichen "neuen Gegebenheiten" wieder angepasst werden kann.
Roger Pint