"Hilferuf eines schwarzen Schafes", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins. "Es ist mein Leben, über das hier geurteilt wird", so die Schlagzeile von Le Soir. "Mein Leben" – hier spricht Prinz Laurent. Der Bruder des Königs hat sich in einem emotionalen Brief an alle Kammerabgeordneten gewandt. Er wollte damit die drohende Strafe buchstäblich in letzter Sekunde wohl noch abwenden.
"Es sind drei Seiten voller Selbstmitleid", so das unbarmherzige Urteil von Het Nieuwsblad. Auszug: "Mein ganzes Leben wurde sabotiert von der Politik und durch meine Familie", zitiert Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite aus dem Brief. Laurent beklagt, dass er nie habe machen dürfen, was er wollte, er habe sich nicht entfalten können, habe etwa auch keiner normalen Arbeit nachgehen dürfen. Dass man ihm jetzt einen Teil seiner Dotation streichen will, betrachtet der Prinz in gewisser Weise als Gipfel der Ungerechtigkeit.
Aber: "Der Notruf war vergebens", titeln Het Nieuwsblad und De Standaard. Die Kammer hat in der Nacht mit großer Mehrheit die von der Regierung vorgeschlagene Strafmaßnahme verabschiedet. Seine Dotation wird damit einmalig um 15 Prozent beschnitten.
Der sehr persönliche Brief des Prinzen ist auf seine Art durchaus berührend, findet Het Nieuwsblad. Es ist ein Brief über sein Leben, über einen Menschen, der in seiner Rolle als Prinz gefangen ist, der immer im Schatten seines Bruders stand. Pathetisch wird das Ganze allerdings, wenn man weiß, dass Laurent den Brief nur geschrieben hat, weil es um Geld geht. Damit verliert sein Bekenntnis auch mit einem Mal jegliche Glaubwürdigkeit.
Antwerpener Bettgeschichten
"Der Wahlkampf wird noch schmutziger", stellt derweil Het Nieuwsblad auf seiner Titelseite fest. Gazet van Antwerpen präzisiert: "Offener Krieg um Tom Meeuws". Insbesondere in Antwerpen entwickelt sich der kommunale Wahlkampf zu einer wahren Schlammschlacht. Im Mittelpunkt steht der SP.A-Lokalpräsident Tom Meeuws. Der war schon vor mehreren Wochen ins Zwielicht geraten.
Ausgerechnet an dem Tag, an dem die SP.A ihre Antwerpener Liste präsentierte, wurde aber bekannt, dass die Justiz ein Ermittlungsverfahren gegen Tom Meeuws eingeleitet hat. Der SP.A-Vorsitzende John Crombez spekulierte gestern schon öffentlich über ein vermeintliches Komplott der N-VA, die hinter den Kulissen die Strippen gezogen habe.
Richtig pikant wurde die Geschichte durch einen Artikel im flämischen Nachrichtenmagazin Knack. Darin plaudert eine anonyme Quelle ein offenes Geheimnis aus, nämlich, dass der Sozialist Tom Meeuws zwei Jahre lang eine außereheliche Affäre mit der N-VA-Spitzenpolitikerin Liesbeth Homans hatte. "Und weil Tom Meeuws sie hat fallen lassen, wollen die flämischen Nationalisten ihn jetzt vernichten", sagt die nicht genannte Quelle in Knack.
Unfug oder N-VA-Rufmord-Kampagne?
"Das ist totaler Unfug!", ist Het Laatste Nieuws überzeugt. Wer solche Mutmaßungen glaubt, der unterschätzt die strategische Intelligenz eines Bart De Wever. Und er überschätzt die Freundschaft des N-VA-Chefs mit Liesbeth Homans. Wir sind hier nicht auf dem Traumschiff. De Wever braucht keine Bettgeschichten, um einen tiefsitzenden Abscheu gegen Sozialisten zu haben. Was nicht bedeutet, dass die N-VA hier nicht alle Register gezogen hätte. Hat sie! Aber das gehört dazu.
In jedem Fall haben wir hier die ausgetretenen Pfade der Politik verlassen, meint Gazet van Antwerpen. Seit den "Enthüllungen" von Knack bewegen wir uns auf einem schmierigen Terrain, auf dem sich sonst eigentlich nur Schmuddelblätter wohlfühlen.
Natürlich spielen in der Politik auch persönliche Abneigungen eine Rolle. Nur weiß eigentlich jeder, dass man derlei Aversionen im politischen Alltag oft hintenanstellen muss. Die wohl wichtigere Frage ist wohl die nach der Rolle der Nahverkehrsgesellschaft De Lijn, die ja das Strafverfahren gegen ihren Ex-Regionaldirektor Tom Meeuws angestrengt hatte. Der Verwaltungsratsvorsitzende von De Lijn ist nämlich hohes N-VA-Mitglied.
Wenn die Demokratie versagt...
Im frankophonen Landesteil beschäftigen sich die Zeitungen mit den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses, der die Kasachgate-Affäre ausleuchten sollte. Mehrheit und Opposition sind sich hier nämlich überhaupt nicht einig. La Libre Belgique formuliert es so: "Die Kasachgate-Kommission artet in Massenschlägerei aus". Der Ausschuss sollte der Frage nachgehen, ob, beziehungsweise inwieweit das Parlament manipuliert wurde.
2011 hatte die Kammer ein Gesetz verabschiedet, das einen gerichtlichen Vergleich möglich macht: die Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldsumme. Der Verdacht stand im Raum, dass der MR-Politiker Armand De Decker und vielleicht auch andere einflussreiche Liberale da nachgeholfen haben. Le Soir dröselt auf, "was der Abschlussbericht sagt und was er nicht sagt". Für die Opposition ist jedenfalls klar, dass die Mehrheit hier insbesondere die frankophone MR schützen will.
Was für eine politische Verschwendung, beklagt Le Soir in seinem Leitartikel. Der Ausschuss hatte uns die Wahrheit versprochen, bekommen haben wir eine Schlammschlacht. Insbesondere dessen Vorsitzender, der SP.A-Politiker Dirk Van der Maelen, hat seine Rolle verlassen, indem er quasi seine eigenen Schlussfolgerungen zu Protokoll gegeben hat, in denen er unter anderem von einem vermeintlichen "Blauen Netzwerk" schwadronierte. Damit verliert der Ausschuss seine Glaubwürdigkeit.
"Wenn die Demokratie versagt...", meint auch nachdenklich La Libre Belgique. Es ist sehr bedauerlich, und außerdem ungewöhnlich, dass Mehrheit und Opposition in dieser Sache nicht zu einem einheitlichen Urteil kommen. Das Misstrauen der Bürger wird dadurch jedenfalls nur noch größer.
Roger Pint