"Vandeput betrogen von der eigenen Armee", titeln Het Laatste Nieuws und De Morgen, wobei De Morgen dahinter noch ein vorsichtiges Fragezeichen setzt. "Die Armee lässt Vandeput in der Unterhose dastehen", so die Schlagzeile von De Standaard. "Spitze der Streitkräfte bringt Vandeput in Bedrängnis", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins.
Der N-VA-Verteidigungsminister Steven Vandeput ist am Dienstag massiv unter Druck geraten. Der SP.A-Opposition war ein Geheimbericht des amerikanischen Rüstungskonzerns Lockheed Martin zugespielt worden. Daraus geht unter anderem hervor, dass die Lebensdauer der F-16-Kampfflugzeuge mittels einiger Investitionen verlängert werden kann. Besagter Bericht war offensichtlich der Armeeführung bekannt, wohl auch dem Oberbefehlshaber der Luftstreitkräfte, Frederik Vansina.
"Die Note landete in der Schublade", bemerken giftig Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen. Vandeput selbst hat nach eigenen Angaben erst Dienstagmorgen von der Existenz des Berichts erfahren. "Ich hatte definitiv schon angenehmere Tage als Verteidigungsminister", bilanziert Steven Vandeput auf Seite eins von De Tijd. Le Soir verweist seinerseits auf eine gängige Bezeichnung im Französischen für die Armee: "Die Große Schweigsame hat ihrem Minister nichts gesagt". Die Geschichte wirft in jedem Fall Fragen auf über das Verhältnis zwischen dem Minister und den Streitkräften: "Vandeput kann seiner eigenen Armee nicht mehr vertrauen", so jedenfalls das Fazit von Het Nieuwsblad.
Lückenlose Aufklärung tut not
Für Vandeput war es wirklich kein schöner Arbeitstag, meint De Standaard in seinem Leitartikel. Zwar muss der Vorfall noch untersucht werden, man darf aber schon jetzt behaupten, dass Vandeput bestimmt nicht alles richtig gemacht hat. Angefangen damit, dass auch sein Kabinett einen solchen Bericht durchaus hätte anfordern können. In jedem Fall ist Vandeput verbrannt. Ein Minister, der im Parlament zugeben muss, dass er von den Tatsachen überholt wurde, der kann nicht mehr vernünftig funktionieren. Zurücktreten wird er wohl nicht, aber er wird seine Amtszeit beenden als "lame duck", wie der Amerikaner sagt, als "lahme Ente".
"Der Verteidigungsminister ist flügellahm", glaubt auch Het Nieuwsblad. Für das, was wir da am Dienstag gesehen haben, gibt es verschiedene Ausdrücke: Ungehorsam, Verrat, Dolchstoß. Deswegen wird wohl auch niemand Vandeputs Rücktritt fordern. Der Mann ist sowieso politisch tot. Steven Vandeput wird wohl in die politische Geschichte des Landes eingehen als der Verteidigungsminister, den die Armee mit einem Panzer überrollt hat.
Het Belang van Limburg fühlt sich derweil wörtlich an eine "Militärjunta" erinnert. Hier ist jedenfalls das Bild entstanden, dass nicht die Politik entscheidet, sondern die Generäle. Erinnert doch irgendwie an lateinamerikanische Bananenrepubliken. Aber nicht vergessen: Hier geht es um ein Dossier, das rund vier Milliarden Euro wiegt. All das ist Grund genug, hier lückenlose Aufklärung zu verlangen.
Kein Kinkerlitzchen
Hier geht es nicht mehr um die Zukunft des Herrn Steven Vandeput, sondern um viel Fundamentaleres, glaubt auch Het Laatste Nieuws. Hier erscheint die Armee plötzlich wie ein Staat im Staat. Wenn die Militärs dem Verteidigungsminister entscheidende Dokumente vorenthalten, dann ist das kein "Einschätzungsfehler", wie es Vandeput beklagt, sondern reine Sabotage. Die belgische Demokratie kann aber nicht dulden, dass die Armee ihre Agenda durchzieht, abgekoppelt von der Politik. Die Regierung Michel muss schnellstens Licht in diese Angelegenheit bringen, ansonsten ist sie das Vertrauen der Bürger nicht wert. Insofern darf man durchaus behaupten, dass diese Regierung seit Dienstag in einer Krise steckt.
De Morgen sieht das ähnlich: Was wir hier gesehen haben, das ist alles, nur kein Kinkerlitzchen. Vielmehr ist es ein extrem schwerwiegender Vorgang. Dass es hier um sehr viel Steuergelder geht, das ist da noch nicht einmal das schlimmste Problem. Hier geht es vielmehr um die Grundfesten der Demokratie. Es ist die Regierung, beziehungsweise das Parlament, die über die Armee entscheiden, nicht umgekehrt.
Milchmädchenrechnung
Gazet van Antwerpen hat ihrerseits eher die Rechnung vor Augen: Wir sprechen hier von bis zu vier Milliarden Euro. In den nächsten 40 Jahren belaufen sich die Kosten für die neuen Flieger sogar auf insgesamt rund 15 Milliarden. Angesichts solcher Summen sollte man doch nicht leichtsinnig mit dieser Akte umgehen. Und wenn sich jetzt zeigt, dass man diese Investition noch hinausschieben könnte, dann bekäme die Regierung doch die Möglichkeit, andere Probleme anzupacken, wie etwa den Kampf gegen Armut.
Genau das halten andere Zeitungen für eine Milchmädchenrechnung. Um die F-16 länger in der Luft zu halten, wären immerhin Investitionen in Höhe von einer Milliarde Euro nötig, gibt L'Avenir zu bedenken. Und damit würde die Lebensdauer nur um gerade einmal sechs Jahre verlängert. Ob das wirklich eine kluge Option ist, das sei dahingestellt.
L'Echo und De Tijd sehen das ähnlich: Die Ausgangslage hat sich doch in keiner Weise verändert, sind beide Blätter überzeugt. Nicht vergessen: Hier geht es ja auch um die finanziellen Verpflichtungen der Nato gegenüber. Im Moment geht Belgien allenfalls noch als blinder Passagier innerhalb der Allianz durch. Belgien wäre jedenfalls das einzige Land, das weiterhin in eine schon jetzt überholte Plattform investieren würde. Am Kauf neuer Flugzeuge führt so oder so kein Weg vorbei.
Roger Pint