"Privacy-Skandal kostet Facebook 37 Milliarden Dollar Börsenwert", lautet am Dienstag die Schlagzeile der Wirtschaftszeitung De Tijd. Worum geht es? Ein britisches Datenunternehmen namens Cambridge Analytica soll heimlich persönliche Daten von mehr als 50 Millionen Wählern gesammelt und ausgewertet haben, um so ihr Stimmverhalten bei der US-Präsidentschaftswahl zu beeinflussen.
Dazu meint De Tijd: In einer Demokratie darf man erwarten, dass die Bürger auf einem neutralen öffentlichen Forum zusammenkommen können, um sich über die Politik ihres Landes auszutauschen. Facebook hat diese Debatte aber privatisiert, weil es ein Monopolist in Sachen persönliche Daten geworden ist. Wir bezeichnen Facebook immer als ein "soziales Netzwerk", in dem wir mit Freunden verbunden sind. Zusammen mit Google und Amazon ist Facebook jedoch das mächtigste Mikromarketing-Unternehmen der Welt geworden.
Mit dieser Macht steigt aber auch die Verantwortung. Die Folgen von "Fake News", russischer Beeinflussung und jetzt diesem Datendiebstahl auf die amerikanischen Wahlen sind gravierend. Soweit bekannt, ist Facebooks Einfluss auf die belgische Politik noch nicht so verzerrend wie in den USA. Aber die Zeit von Technologieoptimismus und Naivität ist vorbei. Wir wussten schon: Je mehr Daten wir preisgeben, desto mehr Privatsphäre geben wir auf. Jetzt wissen wir auch, dass die ungeschriebenen Spielregeln der Demokratie und der öffentlichen Debatte auf eine Art und Weise verändert wurden, die wir noch nicht ganz begreifen, stellt De Tijd fest.
"Der letzte Sowjet"
Het Laatste Nieuws kommentiert die Wiederwahl des russischen Präsidenten Wladimir Putin: Der Triumph wird Putin nicht gegönnt. Warum eigentlich nicht, fragt sich die Zeitung? Für die meisten Russen ist Putin kein Saboteur oder Giftmischer, sondern der Mann, der die Regale und Kühlschränke gefüllt hat. Putin ist für sie der Bär, der Russland wieder auf die Weltkarte gesetzt hat. Von Peking über Damaskus, von der Krim bis nach Brüssel. Der letzte Sowjet.
Ist es dann so unwahrscheinlich, dass Menschen für denjenigen stimmen, der ihnen wieder Selbstrespekt gibt? Warum zweifelt Europa am ehrlichen Respekt des Russen für seinen Präsidenten? Woher nimmt Europa die Arroganz, nach den amerikanischen und britischen Wählern auch die russischen Wähler belehren zu wollen? Haben wir Europäer denn immer noch nicht unsere Lektion gelernt?, fragt sich Het Laatste Nieuws.
Vollkommen gescheitert
Stichwort Brexit. De Morgen kommentiert die Einigung zwischen der EU und Großbritannien auf eine zweijährige Übergangsperiode nach dem Austritt. Die Zeitung analysiert: Es wird immer deutlicher, dass der Brexit als Mittel für eine radikal andere Politik vollkommen gescheitert ist. Anstelle eines leuchtenden Beispiels für Bürgerbeteiligung ist es eine Warnung, wie sich eine Demokratie selbst in den Abgrund stürzen kann.
Für diesen Crash gibt es viele Schuldige: Die klassischen Parteien haben die Wut außerhalb ihrer Londoner Blase viel zu spät wahrgenommen. Politische Freibeuter haben diese Wut mit schamlosen Lügen ausgenutzt. Und die Medien haben diese Lügen verbreitet, weil sie eine so tolle Story abgaben. Die Bürger müssen erkennen, dass Lügner und fremdenfeindliche Nationalisten keine Alternativen bieten, auch wenn sie die Politik - zu Recht oder nicht - verändern wollen. Diese Erkenntnis ist von fundamentaler Bedeutung für die Demokratie in der gesamten EU, meint De Morgen.
Flämischer Gemeindemonitor und Fleischskandal
De Standaard beschäftigt sich mit den Ergebnissen des sogenannten Gemeindemonitors in Flandern: In über 300 Städten und Gemeinden wurden die Bürger im vergangenen Jahr zu ihren Wünschen und Vorstellungen befragt. Die größte Sorge der Flamen ist der Verkehr in ihrer unmittelbaren Umgebung: viele Klagen über unangepasste Geschwindigkeit, Lärm und Staus. Zwei Drittel der Befragten glauben nicht, dass Kinder im Straßenverkehr sicher sind.
De Standaard meint dazu: So wird das Verkehrsproblem zum Teufelskreis. Je mehr Kinder mit dem Auto zur Schule gebracht werden, desto höher das Verkehrsaufkommen, desto mehr Lärm und verstopfte Straßen. Auch wenn viele Lokalpolitiker immer noch nicht davon überzeugt sind, die Resultate des Gemeindemonitors erlauben nur einen Schluss: Der Autoverkehr muss reduziert und den Fahrradfahrern und Fußgängern mehr Platz gegeben werden. Die Zeiten, in denen Wähler mit breiteren Straßen oder mehr Parkplätzen geködert werden konnten, sind definitiv vorbei. Der Wähler will gute Fahrradwege, mehr Tempo-30-Zonen und sichere Kreuzungen. Glücklicherweise sind die meisten lokalen Behörden inzwischen auch davon überzeugt, analysiert De Standaard.
Angesichts des aktuellen Fleischskandals macht sich Le Soir über das belgische Krisenmanagement lustig. Etappe eins: Ein Skandal, eine Krise, eine Katastrophe zwingen zu Reformen, die seit Jahrzehnten versäumt wurden. Etappe zwei: Es folgt ein Festival von Kommissionen, Versprechungen, Pakten und von "Das darf nie wieder passieren"-Beschwörungen. Und in Etappe drei bleibt von all dem dann am Ende wenig bis gar nichts übrig, spottet und befürchtet Le Soir.
Volker Krings