"Die Politik vertraut der Nahrungsmittelagentur nicht mehr", titelt Het Nieuwsblad und zitiert den Groen-Politiker Kristof Calvo: "Nicht nur das Fleisch ist verdorben, sondern auch das ganze System". Anlass ist ein zweiter Fleischskandal innerhalb kürzester Zeit. Nach Veviba in Bastogne soll auch der flämische Schlachtbetrieb Vanlommel aus Olen in der Provinz Antwerpen verdorbenes Fleisch in den Kosovo geliefert haben.
Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen war es wohl ein Versehen. Aber die Föderalagentur für die Sicherheit der Nahrungsmittelkette, Afsca, steht wieder einmal in der Kritik. Sie soll die Staatsanwaltschaft viel zu spät über den Vorfall informiert haben.
Bei Lebensmitteln ist Schnelligkeit kein unnötiger Luxus
Für Het Nieuwsblad ist es gut möglich, dass dieser neue Fall in der Tat nicht mehr ist als menschliches Versagen. Die Frage bleibt aber trotzdem, warum so spät reagiert wurde. Schnelligkeit ist in Sachen Lebensmittelsicherheit kein unnötiger Luxus. Andernfalls sind die fehlerhaften Lebensmittel schon lange verzehrt, bevor die Alarmglocke geläutet wurde. Die Politik schießt nun in Richtung AFSCA-Leitung. Das Vertrauen ist so gut wie verschwunden.
Wir können nur hoffen, dass auch darüber hinaus geschaut wird. War die umstrittene Übertragung der Zuständigkeit für die Agentur vom Volksgesundheits- zum Landwirtschaftsministerium wirklich im Sinne der Sache? Oder waren da noch andere Interessen mit im Spiel? Wurde, nachdem die Dioxin-Krise vorbei war, auch ausreichend in die Afsca investiert? Hat die Agentur überhaupt die richtigen Mittel zur Verfügung, um die komplizierten und globalisierten Nahrungsmittelketten zu kontrollieren und die Lebensmittelsicherheit zu garantieren? Het Nieuwsblad kommt zu dem Schluss: Nur, wenn man das Ganze kritisch betrachtet, kann man auch Lösungen finden.
Zurück zu "ehrlichen" Produkten
De Standaard beschäftigt sich zu demselben Thema mit der Initiative "Ich bin mehr als mein Kassenzettel": Verbraucherschützer wollen damit mit den Supermarktketten in Dialog treten. Das Ziel ist, sie dazu zu bewegen, das Kaufverhalten ihrer Kunden zugunsten nachhaltiger Produkte zu beeinflussen. Dazu meint die Zeitung: Supermärkte schieben allzu gerne die Verantwortung auf ihre Kunden, die ja für Lebensmittel nicht mehr zahlen wollen.
Mit der Aktion wollen die Verbraucherschutzorganisationen die Supermärkte dazu aufrufen, nachhaltige Lebensmittel anzubieten. Lebensmittel, die Umwelt und das Wohl der Tiere respektieren - und das mit einem fairen Preis für den Landwirt. Sollte das bedeuten, dass Lebensmittel dadurch etwas teurer werden, dann ist das eben so. Ob der Belgier dann weniger Fleisch kaufen wird, ist noch nicht sicher. Als während der Milchkrise die Supermärkte den Milchbauern mehr Geld für ihre Milch zahlten und das auch an die Kunden weitergaben, wurde kein Liter Milch weniger verkauft. Und selbst wenn der Belgier etwas weniger Fleisch kaufen wird, dann ist das gar nicht so schlimm. Laut Weltgesundheitsorganisation essen wir davon sowieso noch immer zu viel, stellt De Standaard fest.
Auch Gazet van Antwerpen nimmt den Verbraucher in die Pflicht: Wir haben den Schlüssel in der Hand, um die Entwicklung zu verändern. Wir müssen wieder in kleineren Maßstäben denken. Zurück zu "ehrlichen" Produkten. Nur eine massive Umstellung unseres Konsumverhaltens wird etwas bewirken. Es wird lange dauern und es wird uns etwas kosten - aber es ist der einzige Weg.
Die Entscheidungen der Politik haben schon lange keinen Einfluss mehr auf die Nahrungsmittelsicherheit, das Wohl der Tiere, Arbeitsplätze und den Erhalt von Natur und Umwelt. Und von der Nahrungsmittelindustrie, dem Großhandel und den Supermärkten wird nichts kommen, für sie zählen alleine wirtschaftliche Erwägungen. Die Volksgesundheit steht da nicht besonders weit oben auf ihrer Prioritätenliste. Das kann sich nur ändern, wenn der Kunde es will, meint Gazet van Antwerpen.
Die Maske des Herrn De Wever ist gefallen
In ihrem Leitartikel kommentiert La Libre Belgique die Aussagen des Antwerpener Bürgermeisters und N-VA-Chefs Bart De Wever. Der hatte in einem Interview mit der Zeitung "De Zondag" sinngemäß gesagt: Im Gegensatz zu den Muslimen würden die Juden Konflikte vermeiden. Dazu meint La Libre: Damit steckt Bart De Wever alle in einen Sack. Seiner Ansicht nach sind alle Juden nett und alle Muslime böse.
Diese Sicht der Dinge ist nicht nur beunruhigend, sondern auch beschämend und gefährlich. Er stigmatisiert damit jedes Individuum auf Basis seines ethnischen oder religiösen Hintergrunds. Mit solchen Aussagen hetzt er die Menschen gegeneinander auf und spaltet die Gesellschaft immer mehr. Anstelle dieser fremdenfeindlichen und einseitigen Sprüche hätte der Antwerpener Bürgermeister viel eher die Muslime würdigen und ermutigen sollen, die etwas gegen Radikalismus in ihrer Glaubensgemeinschaft unternehmen. Eine verbale Entgleisung zum denkbar ungünstigsten Moment, wettert La Libre Belgique.
De Morgen urteilt: Während Bart De Wever noch vor zwei Monaten Parallelgesellschaften kritisierte, sieht er jetzt Apartheit als eine Art Ideal für unser Zusammenleben. Für einen führenden Politiker und Bürgermeister ist das eine ziemlich unerhörte Idee. Wir sollten Herrn De Wever danken für so viel Offenheit! Endlich hat er die Maske fallen lassen.
Volker Krings