"Die Generation Putin wählt, ohne sich Illusionen zu machen", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Putin ist der Einzige, der den Russen Sicherheit zu geben scheint", so die Schlagzeile auf der Titelseite von La Libre Belgique.
Am Sonntag finden in Russland Präsidentschaftswahlen statt. Am Ausgang besteht kein Zweifel. Der nächste russische Präsident wird auch wieder Wladimir Putin heißen. Spannend ist allein die Wahlbeteiligung. Dem Kreml ist daran gelegen, dass möglichst viele Menschen zur Wahl gehen, um dem Ganzen einen Anstrich von Legitimität zu geben. Wie La Libre Belgique berichtet, hat der Kreml das Ziel in der Formel "70-70" zusammengefasst: 70 Prozent Wahlbeteiligung bei 70 Prozent Stimmen für Putin.
In vielen Bevölkerungsschichten hält sich der Enthusiasmus jedoch arg in Grenzen, wie viele Zeitungen analysieren. Allenfalls gilt Putin vielen als ein Garant für innenpolitische Stabilität.
Ernstzunehmende Gegenkandidaten: Fehlanzeige
Die vorrangige Sorge der Russen ist nicht, dass alles besser werden soll, sondern dass es nicht schlimmer wird, so bringt es La Libre Belgique in ihrem Leitartikel auf den Punkt. Viele haben Angst vor der Zukunft. Tief steckt da noch das Trauma der Zeit unmittelbar nach dem Ende der Sowjetunion. Nicht nur die Schmach, sondern auch die himmelschreienden sozialen Ungleichheiten und die allgemeine Hoffnungslosigkeit. Vor diesem Hintergrund haben viele den Eindruck, dass es keine wirkliche Alternative zu Wladimir Putin gibt. Wobei man sagen muss, dass mögliche ernstzunehmende Konkurrenten in der Regel auch bedroht, schikaniert beziehungsweise verprügelt werden, wenn sie nicht wie im Fall Boris Nemzow sogar umgebracht werden. Ob sie ihn lieben oder nicht, die Russen werden auch diesmal wieder Putin wählen.
Und die Europäer sollten sich überlegen, ob sie nicht doch wieder mit Putin reden sollten, meint L'Avenir. Die Frage sei erlaubt, ob wir jetzt für weitere sechs Jahre die Politik der Sanktionen fortsetzen wollen beziehungsweise sollen. Denn auch Europa ist nicht frei von Schuld. Die Nato steht vor den Grenzen Russlands, Europa unterstützt die korrupte ukrainische Regierung, die Annexion der Krim ist für den Westen problematisch - bei der Unabhängigkeit des Kosovo war man deutlich weniger erbsenzählerisch. Zugegeben: Über all das kann man diskutieren, aber genau das sollte man eben auch tun, meint L'Avenir.
Le Soir ist da ganz anderer Meinung: Am Vorabend einer neuen Amtszeit von Wladimir Putin braucht Europa jetzt endlich eine entschlossene Strategie, mahnt das Blatt. Auf der einen Seite sprechen wir vielleicht noch von bloßen Schreckgespenstern: Moskau wird mit Cyberattacken in Verbindung gebracht, mit Desinformationskampagnen in Sozialen Netzwerken, vielleicht auch mit einem Putschversuch in Montenegro. Daneben gibt es aber auch die Fakten. Allen voran die ebenso zynische wie illegale Annexion der Krim. Oder auch die Finanzierung rechtsextremer Parteien in Europa, wie des französischen Front National. Das alles ist Grund genug, sich strategisch zu wappnen.
Nach den Kugeln jetzt Handgranaten
"Zwei Granaten zerstören 16 Autos und zehn Fassaden", so derweil die Titelgeschichte von Gazet van Antwerpen. Vorletzte Nacht haben Unbekannte im Antwerpener Stadtteil Deurne zwei Handgranaten in einer Straße gezündet und dabei beträchtlichen Sachschaden angerichtet. Hintergrund ist wahrscheinlich eine Abrechnung im Drogenmilieu.
Nach den Kugeln jetzt Handgranaten; Kriegswaffen also, meint das Blatt besorgt in seinem Kommentar. Der Drogenkrieg in Antwerpen nimmt beängstigende Ausmaße an, von brennenden Autos über Gewehrsalven auf offener Straße bis hin zu Querschlägern, die in Kinderzimmern einschlagen. Und die meisten politisch Verantwortlichen in der Scheldestadt bleiben ohrenbetäubend still.
"Die Bankgebühren steigen stetig an", so die Schlagzeile von De Tijd und L'Echo. Beide Blätter berufen sich auf eine Erhebung des Wirtschaftsministeriums. Demnach zahlt jeder Haushalt im Durchschnitt etwas mehr als 50 Euro pro Jahr allein an Bankgebühren.
... aber in der Not frisst der Teufel Fliegen
Viele Zeitungen beschäftigen sich in ihren Leitartikeln mit den jüngsten Maßnahmen in Bezug auf Firmenwagen. Die Kammer hat am Donnerstag die sogenannte Mobilitätszulage verabschiedet; zusammengefasst wird die Regelung mit dem Slogan "Cash for car". Am Freitag hat die Regierung aber schon eine Ausweitung des Systems beschlossen. Über ein "Mobilitätsbudget" soll die Palette an Alternativen zu einem Firmenwagen deutlich erweitert werden. Man kann das Fahrzeug demnach auch eintauschen gegen eine Kombination aus Tickets für öffentliche Verkehrsmittel und E-Bikes, beziehungsweise finanzielle Kompensation.
Das Ganze könnte klarer sein, findet De Tijd. Warum müssen es denn gleich wieder zwei verschiedene Maßnahmen sein, die sich zum Teil überschneiden? Einen Schönheitspreis bekommt man dafür nicht. Und wer glaubt, dass das jetzt die Patentlösung ist, um die Zahl der Firmenwagen auf den Straßen spürbar zu verringern, der könnte enttäuscht werden. Schuld an dem hohen Verkehrsaufkommen sind nämlich auch die Verkehrsinfrastruktur, aber vor allem die allgemeine Zersiedlung.
Genau das wird durch die neuen Maßnahmen aber noch gefördert, glaubt De Morgen. Beispiel: Wer weit weg von seinem Arbeitsplatz wohnt, der bekommt ein höheres Mobilitätsbudget zur Verfügung gestellt. Damit wird die Zersiedlung eigentlich nur noch gefördert. Fakt ist jedenfalls, dass sich damit niemand dazu ermuntert sieht, vielleicht doch Richtung Stadt zu ziehen.
Das System bleibt aber von Grund auf ungerecht, findet De Standaard. Die Firmenwagen der Besserverdienenden werden weiterhin vom Staat subventioniert. Drei Milliarden Euro fließen so in den Autoverkehr. Und die Zeche zahlen auch diejenigen, die kein Anrecht auf einen Firmenwagen haben. Der Punkt ist: Keine Partei würde es wagen, den Menschen ihren Gratis-Audi, -BMW oder -Mercedes wegzunehmen; das würde man nämlich an der Wahlurne cash bezahlen.
Aber der Anfang ist immerhin gemacht, lobt L'Echo. Offensichtlich hat der Staat inzwischen eingesehen, dass es so nicht weitergehen kann, dass die steuerliche Bevorteilung von Firmenwagen ausgerechnet im "Stau-Land" Belgien absoluter Nonsens ist. Das Mobilitätsbudget macht Schluss mit dem Primat des Autos. Jetzt werden auch Alternativen explizit gefördert. Natürlich kann das System noch gerechter werden. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen.
Roger Pint