"Das belgische Fleisch im Zentrum eines neuen Lebensmittelskandals", titelt La Libre Belgique. Die frankophonen Tageszeitungen kommentieren den Veviba-Skandal. Der Schlachthofbetrieb in Bastogne soll den Zeitpunkt, in dem das Fleisch eingefroren wurde, umdatiert haben, um damit das Haltbarkeitsdatum zu verlängern. Außerdem soll er verbotenen Fleischabfall verarbeitet haben.
Dazu meint die Zeitung: Solche Taten gefährden nicht nur die Gesundheit Tausender Verbraucher, sondern treiben die Belgier dazu, sich wieder einmal vom Fleischkonsum abzuwenden. Die Folgen sind für die wallonischen Viehzüchter desaströs. Sie zahlen die Rechnung für einen Skandal, für den sie nicht verantwortlich sind.
Um das Vertrauen zu den Verbrauchern wiederherzustellen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als solche Betrügereien anzuprangern. Doch warum brauchte es eine Durchsuchung durch Untersuchungsrichter und Polizei, um etwas zu entdecken, dass die Föderalagentur für die Sicherheit der Nahrungsmittelkette AFSCA bei ihren regelmäßigen Kontrollen hätte feststellen müssen?
Unverständlich, vor allem weil die Gewerkschaftsvertreter über die Praktiken von Veviba informiert haben sollen. Die Ermittlungen müssen diese wichtige Frage genauestens beantworten! Es sind die Auswüchse der Industrialisierung des Agrar-Sektors, die am Anfang dieses Betruges stehen.
Immer größer, immer höhere Gewinnmargen und oft wenig Respekt für die Landwirte und die Verbraucher. Eine Massen-Industrialisierung, die immer mehr Belgier nicht mehr wollen, stellt La Libre Belgique fest.
(K)ein Muster an Nachhaltigkeit
Ähnlich sieht es auch Le Soir. Man kann sich schon fragen, wie der Schlachthof mit solch einer plumpen Betrugsmasche durch das Netz der Kontrollen durchrutschen konnte. Immerhin ist die Verbiest-Gruppe mit 30 Prozent Marktanteil ein großer Akteur.
Die wichtigere Frage ist aber auch: Ist jetzt nicht langsam der Moment gekommen, die Produktionsmethoden der Agrarindustrie in Frage zu stellen? Glaubt man wirklich, dass ein Schlachthof mit der Kapazität, jedes Jahr 30.000 Rinder in Millionen von abgepackten Fleischportionen zu zerlegen, ein Muster an Nachhaltigkeit sein kann? Wie lange soll diese Illusion noch dauern, fragt sich Le Soir.
L'Avenir sieht den Rindfleischsektor in der Krise, aber auch die AFSCA. Die Kontrollen waren noch nie so intensiv. Allerdings mehr bei den Landwirten als in den Schlachthöfen. Wie erklärt sich das? Eine Untersuchung muss dieses Versagen aufdecken. Die Branche hat viel zu oft gelitten, um sich solche Schnitzer zu erlauben.
Die AFSCA verteidigt sich und verweist auf einen perfekt organisierten Betrug. Einverstanden, aber Sinn der Kontrollen ist es doch, das aufzudecken und der Öffentlichkeit bekannt zu machen, was der Betrüger zu verbergen versucht. Kurzum: Es wird wieder Zeit an die Arbeit zu gehen, mahnt L'Avenir.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo wundert sich nicht, dass die Verbraucher das Vertrauen verlieren. Nach dem BSE-Skandal hat das Rindfleisch lange gebraucht, um wieder in den Einkaufswagen zu landen. Und die Industrie-Lasagne hat sich seit dem Pferdefleisch-Skandal nie mehr so richtig erholt.
Die Zeche bezahlen aber auch die Supermärkte. Eine Vertrauenskrise erschüttert die Branche. Der Kunde will keine Salate mehr, die niemals die Erde gesehen haben, will keine Erdbeeren voller Wasser, keine Bio-Birnen aus Argentinien oder Kartoffeln aus Israel. Und noch weniger mag er rosa, bonbonfarbenen Schinken, wo weniger Fleisch drinsteckt als draufsteht.
Und trotzdem findet man diese Dinge in den Regalen der Supermärkte, die im Preiskampf mit der Konkurrenz ihre Kunden aus den Augen verloren haben. Was er sucht, findet er anderswo, weiß L'Echo.
DKV: Eine Bremse muss nicht schlecht sein
De Standaard beschäftigt sich mit dem Kampf der DKV gegen zu hohe Honorarzuschläge bei Krankenhausaufenthalten. Belgiens Marktführer bei Krankenhausversicherungen will Krankenhäuser und Patienten unter Druck setzen. Steigen die Honorar- und Einzelzimmerzuschläge zu stark, dann müssen Patienten 20 Prozent der Kosten selber tragen.
Dazu meint die Zeitung: Private Krankenversicherer arbeiten nach einer finanziellen Logik von Effizienz und Rationalisierung. Diese fehlt den allgemeinen Krankenversicherungen. Da die meisten Kosten von der Allgemeinheit getragen werden, gibt es keine Bremse bei den Ausgaben.
Das ist langfristig schwer aufrechtzuerhalten. So eine Bremse muss nicht per se schlecht sein. Beispielsweise durch mehr Prävention und weniger Medikamentenkonsum. Das ist in Belgien in der Vergangenheit zu selten passiert.
Auf der anderen Seite kann eine solche Herangehensweise auch unerwünschte Effekte haben: Lange Wartelisten, begrenzter Zugang und eingeschränkte Wahlfreiheit. In manchen Ländern ist es normal, dass die Versicherungsgesellschaft bestimmt, wie, wann und durch wen ein Versicherter behandelt wird.
Das widerspricht aber den Prinzipien in Belgien. Die Idee der DKV hat zumindest den Vorteil, dass wir diese Debatte nicht länger vermeiden können. Und dass die Politik gezwungen ist, sich zu entscheiden, meint De Standaard.
Win-win oder doch Null-Summe?
Die Wirtschaftszeitung De Tijd kommentiert Donald Trumps Strafzölle auf ausländischen Stahl und Aluminium: Der US-Präsident hat viele Probleme. Eines davon ist aber, dass man nie weiß, wann man ihn ernst nehmen soll. Seit gestern Abend kennen wir seine Pläne eines Handelskriegs. Das liegt in der Logik von Trump.
Er sieht Handel nicht als Win-win-Situation, sondern als Null-Summen-Spiel, in dem man nur gewinnen kann, wenn der andere verliert. In dieser Logik verwundert es nicht, dass sich Trump eines Kriegsargumentes bedient. Er will die Türen des internationalen Handels schließen, weil er die amerikanische nationale Sicherheit bedroht sieht.
Es geht um mehr als um Stahl und Aluminium, glaubt De Tijd. Es geht um ein System, das nach dem zweiten Weltkrieg errichtet wurde. Ein System, um eine Wiederholung des tödlichen Protektionismus der 1930er Jahre zu vermeiden. Mit Trumps Unterschrift drohen wir erneut in ein unnötiges, brutales Powerplay abzugleiten, das wirtschaftlichen Schaden verursacht, und wo wir befürchten müssen, erst den Anfang zu sehen.
vk/jp