"Putin droht der ganzen Welt", titelt Het Nieuwsblad. "Putin droht mit einem neuen Rüstungswettlauf", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins. "Putin präsentiert die 'nicht detektierbare' Atomrakete", so die Schlagzeile von De Tijd.
Der russische Präsident Putin hat gestern vor den wichtigsten Vertretern des russischen Staates seine Rede zur Lage der Nation gehalten. Ein Kernpunkt war dabei die Präsentation neuer russischer Waffensysteme. Darunter ist demnach auch eine Atomrakete, die allen gängigen Abfangsystemen ausweichen kann. Das ist wohl als Antwort gedacht auf die Raketenschutzschilde, die die NATO unter anderem in Osteuropa aufbaut. "Jetzt werdet Ihr wieder auf uns hören müssen", zitiert Het Nieuwsblad den russischen Präsidenten, der sich mit diesen Worten an den Westen wandte.
Der gestrige Auftritt diente aber wohl auch dem Hausgebrauch. "Bald wird in Russland gewählt, also präsentiert Putin seine neue Superrakete", so formuliert es etwa Gazet van Antwerpen. "Die Machtdemonstration des Kandidaten Wladimir Putin", meint auch La Libre Belgique. In etwas mehr als zwei Wochen wählen die Russen nämlich einen neuen Präsidenten. Wirklich spannend ist die Wahl aber nicht; der vielleicht aussichtsreichste Gegenkandidat wurde ja schon im Vorfeld ausgeschlossen. "Die Moskauer Muskelspielchen betten sich ganz klar in diesen Kontext ein", schreibt jedenfalls Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "In jedem Fall ist der kalte Krieg wieder da", bemerken Het Nieuwsblad und Het Belang van Limburg.
Comeback des Kalten Krieges
"Wird die ganze Welt wirklich von Bekloppten regiert?", fragt sich Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. In den USA hegen viele ernste Zweifel am Geisteszustand ihres Präsidenten. Und auch in Russland sind kritische Beobachter spätestens seit gestern davon überzeugt, dass Putin jetzt wirklich verrückt geworden ist. Wir erleben jedenfalls ein Comeback des Kalten Krieges, das Ganze allerdings buchstäblich wahnsinniger. Das Werbefilmchen mit der neuen Atomrakete erinnerte wirklich an den kalten Krieg. Nach Innen hin sollte es wohl die Sehnsucht nach russischer Grandeur bedienen. Es gab aber auch eine Botschaft an die Welt, nach dem Motto: Wir sind wieder da. Und niemand kann vorhersagen, wie die Konfrontation zwischen dem berechnenden Putin und dem unberechenbaren Trump am Ende ausgehen wird.
Es ist, als hätte man uns in die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts zurückkatapultiert, meint auch Het Belang van Limburg. Damals versuchten die USA und die damalige Sowjetunion, sich gegenseitig mit ihren Kernwaffenarsenalen zu übertrumpfen. Es gab damals eine absurde Maßeinheit: Wie oft kann die jeweilige Seite die Erde zerstören? Und wir Europäer hatten das dumpfe Gefühl, auf dem potentiellen Schlachtfeld zu wohnen. Mit dem Kalten Krieg kann auch diese diffuse Angst jetzt wieder zurückkehren.
Gazet van Antwerpen will nicht ganz so schwarzsehen. Putins Ode auf seine neuen Atomwaffen war vor allem innenpolitisch motiviert. Damit kann man wunderbar von den eklatanten Problemen im Land ablenken und die Bürger berauschen. Putin wird seine tollen Raketen wohl so schnell nicht abschießen. Das russische Arsenal kann dem amerikanischen nicht im Entferntesten das Wasser reichen. Festhalten muss man allerdings die martialische Rhetorik. Der verbale Schlagabtausch zwischen Nordkorea und den USA vor einigen Monaten und die gestrige Putin-Rede deuten jedenfalls darauf hin, dass das Säbelrasseln für die großen Weltpolitiker offensichtlich zum neuen Kommunikationsstil geworden ist.
Präsident ohne Ideologie
Viele Zeitungen stellen einen Zusammenhang her zwischen Putins neuerlichen Drohungen und dem neuerlichen Vorstoß von US-Präsident Donald Trump. Der scheint über Nacht seine Meinung geändert zu haben und überraschte Freund und Feind mit der Ankündigung, nun doch die Waffengesetzgebung verschärfen zu wollen.
Vielleicht ist das doch mal eine Chance, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Es ist schon paradox, aber am Ende könnte es ausgerechnet Donald Trump sein, der bislang als Präsident der Waffenlobby durchging, der sich eben dieser starken Interessengruppe entgegenstellt. Aber irgendwie passt das. Es ist eben ein Präsident ohne wirkliche Ideologie; und ein solcher Politiker versucht immer, den Willen des Volkes zu erfassen. Vor allem jungen Amerikanern war es ja in den letzten Tagen gelungen, mächtig Stimmung zu machen gegen die Waffenlobby, was sogar schon Unternehmen dazu gebracht hatte, sich von der mächtigen NRA abzuwenden. Was lernen wir daraus? Wir müssen uns nicht dem vermeintlichen Schicksal ergeben. Gesellschaftliches Engagement lohnt sich.
Apropos Krieg, apropos Trump: "Trump löst einen Handelskrieg aus", so die bedrohliche Schlagzeile von De Standaard. Der US-Präsident hat Strafzölle von bis zu 25 Prozent auf Stahl- und Aluminiumimporte verhängt. "Trump schaltet mit seinem Protektionismus einen Gang höher", bemerkt die Zeitung. Die EU-Kommission will es nicht dabei belassen und kündigte Gegenmaßnahmen an.
"Gleiches Geld für gleiche Arbeit"
Auch innerhalb der EU hat man sich einer zum Teil als ungerecht empfundenen Situation angenommen. "Durchbruch im Kampf gegen Lohndumping", notiert etwa De Morgen. "Marianne Thyssen gewinnt ihre Schlacht", so formuliert es De Standaard. Die belgische EU-Kommissarin steht kurz davor, die von ihr gewollte Reform der sogenannten Entsenderichtlinie durchzuboxen. Kurz und knapp: "Gleiches Geld für gleiche Arbeit am selben Ort". Wenn das wirklich durchkommt, dann liefert Thyssen damit den Beweis, dass Europa trotz aller innerer Zerrissenheit immer noch funktionieren kann, lobt De Standaard. Und dann würde die Europäische Union auch wieder auf gesünderem Boden stehen, meint auch L'Echo. Europäische Richtlinien dürfen nämlich nicht de facto die Sozialsysteme der Mitgliedsstaaten schwächen.
"Die neuen, angeblich sauberen Diesel sind immer noch dreckig", schreiben schließlich Le Soir und De Morgen. Greenpeace hat sich die neuen Dieselmotoren angeschaut und festgestellt, dass die immer noch nicht den Normen entsprechen. Die Hälfte der Dieselmotoren neuer Generation stößt immer noch deutlich mehr Stickstoffe aus, als zugelassen.
Roger Pint