"Abdeslam leugnet, in einem terroristischen Kontext gehandelt zu haben", titelt Le Soir. "Alle Register gezogen, um Abdeslam frei zu kriegen", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Verfahrensfehler vorzubringen ist ein Zeichen von Verzweiflung", so ein Zitat als Schlagzeile bei De Morgen.
Beim Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter von Paris, Salah Abdeslam, wegen einer Schießerei mit Polizisten in Brüssel, hat gestern Abdeslams Verteidiger Sven Mary einen Freispruch gefordert. Der bekannte Anwalt begründet das mit einem Verfahrensfehler.
Dazu kommentiert De Standaard: Die Empörung über das Plädoyer von Anwalt Sven Mary, ist ziemlich groß. Es geht vielen gegen den Strich, dass jemand, der mit den Anschlägen von Brüssel und Paris in Verbindung gebracht wird, wegen eines Verfahrensfehlers möglicherweise freikommen könnte. Die Empörung ist menschlich und nachvollziehbar. Aber es ist das gute Recht von Mary, das zu fordern. Es ist die Aufgabe eines jeden Anwalts, das Maximum für seinen Klienten herauszuschlagen. Egal, wer der Klient auch ist. Ob die Richter auf die Forderung eingehen, ist jedoch eine ganz andere Frage, notiert De Standaard.
Freispruch für Abdeslam?
Het Nieuwsblad beschäftigt sich genauer mit dem Verfahrensfehler, den Mary ausfindig gemacht hat und fragt: Wie wesentlich ist es, dass ein Untersuchungsrichter in Französisch statt in Niederländisch kommuniziert hat? Das ist jetzt die Frage, um die es im Prozess geht. Laut Abdeslams Anwalt ist das ein Verfahrensfehler. Er fordert Freispruch. Aber zum Glück gibt es ja noch die Verhältnismäßigkeit. Nicht jeder Verfahrensfehler muss zwangsweise zur Einstellung des Prozesses führen. Justizminister Geens hat in den vergangenen Jahren zu Recht dafür gesorgt. Da ist also Spielraum für die Richter – auch wenn ein Verstoß gegen die eigentlich vorgeschriebene Sprache noch nicht genau geregelt ist, weiß Het Nieuwsblad.
Auch De Morgen meint: Ein Freispruch ist nicht zwingend die Folge des Verfahrensfehlers, und Anwalt Sven Mary weiß das selbst ganz genau. Aber er versucht halt, das Maximum für seinen Klienten herauszuholen. Das verdient alle Achtung. Denn man muss auch als Anwalt schon ziemlich "dicke Eier" haben, wenn man einen Freispruch für einen Mann fordert, der mitverantwortlich für den blutigsten Anschlag von Dschihadisten in Europa ist, so De Morgen.
Het Laatste Nieuws stellt die Frage: Muss Mary sich so ins Zeug legen? Seine Berufsgenossen sagen: Ja. Das breite Publikum hingegen findet, dass er das nicht muss. Denn der fehlerhafte Gebrauch einer Sprache und das Leid, das Abdeslam und seine Mitstreiter anderen Menschen zugefügt haben, stehen nun wirklich in keinem Verhältnis zueinander, meint Het Laatste Nieuws.
Auto als potentielle Mordwaffe
Die Kammer hat gestern neue Strafen für Alkohol am Steuer verabschiedet. Unter anderem müssen Autofahrer, die von der Polizei mit 1,8 Promille Alkohol im Blut erwischt werden, ab 1. Juli eine Alkohol-Sperre in ihr Auto einbauen. Het Belang van Limburg kommentiert: Viele kritisieren die neuen Strafen und sehen sie als erneuten Eingriff des Staats in persönliche Freiheiten. Aber es bleibt nun mal dabei: Alkohol und Autofahren passen nicht zueinander. Wenn wir jemanden mit einer Schusswaffe auf der Straße sehen, laufen wir in Todesangst davon. Wenn sich jemand stockbesoffen hinter sein Lenkrad schmeißt, regt das fast keinen auf. Dabei ist das doch das Gleiche. Denn wer betrunken Auto fährt, hat auch eine Mordwaffe in der Hand, findet Het Belang van Limburg.
La Dernière Heure schreibt zu dem Vorschlag von PS-Politiker André Flahaut, Arabischkurse in der Schule einzuführen: Das ist sicher ein Versuch, neue Wähler für die PS zu gewinnen. Denn einem Bedürfnis entspricht das nicht. Die Familien mit arabischem Hintergrund haben längst eigene Methoden entwickelt, ihren Kindern die arabische Sprache beizubringen. Bei den anderen stehen Sprachen wie Deutsch, Spanisch oder Chinesisch viel höher auf der Prioritätenliste, denn mit diesen Sprachen kann man viel leichter Arbeit finden. Wenn man etwas für das gute Zusammenleben tun möchte, sollte man besser die Einführung eines Kurses für Staatsbürgerschaft fordern, findet La Dernière Heure.
Sport macht Spaß
Zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele heute Abend in Südkorea meint La Libre Belgique: Diese Spiele finden in einem außergewöhnlichen politischen Kontext statt. Die versöhnlichen Gesten Nordkoreas geben Anlass zur Hoffnung, dass sich die Lage auf der koreanischen Halbinsel vielleicht auch über die Spiele hinaus entspannen könnte. Aber noch ist es zu früh, das mit Sicherheit vorauszusagen. Zu wankelmütig sind die Politiker in Nordkorea und zurzeit auch in den USA, hält La Libre Belgique fest.
L'Avenir prophezeit: Die Chancen auf belgische Medaillen bei diesen Winterspielen sind klein. Trotzdem sollten wir uns die Spiele anschauen. Allein schon, um mehr über das Land Südkorea zu erfahren. Denn über Südkorea wissen wir im Grunde nicht viel. Außerdem macht Sport Spaß - und vielleicht gibt es ja doch die eine oder andere belgische Überraschung zu bejubeln, hofft L'Avenir.
Kay Wagner