"Deutschland startet wieder, Europa atmet auf", titelt Le Soir. "Merkel mit großen Zugeständnissen an die SPD", schreibt De Tijd auf Seite eins.
Die Einigung auf einen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD in Deutschland ist das beherrschende Thema in den Kommentaren. Le Soir führt aus: Deutschland ist wieder da. Und das ist eine gute Sache. Jetzt muss der Koalitionsvertrag noch von den SPD-Mitgliedern angenommen werden. Aber es ist davon auszugehen, dass sich die Basis ihrer Verantwortung bewusst ist – trotz der großen Skepsis, die sie gegenüber einer Wiederauflage der großen Koalition hat. Denn ein Nein würde nichts anderes sein als ein Mini-Brexit auf dem Festland. Mögen Gott und Marx uns davor bewahren, titelt Le Soir.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo jubelt: Alles hat länger gedauert als gedacht. Aber das Warten hat sich gelohnt. Das Thema Europa steht im Koalitionsvertrag ganz oben. Die Pläne der Regierung Merkel IV versprechen einen Neustart für die Europäische Union. Der deutsch-französische Motor kann endlich wieder starten. Dabei wird es hilfreich sein, dass in beiden Ländern Kräfte von Links und Rechts gemeinsam die Regierung bilden, hofft L'Echo.
Mehr Sauerstoff für Europa
De Standaard beschäftigt sich mit der geplanten Besetzung der Ministerposten in der neuen Regierung und schreibt: Finanzminister soll der Sozialdemokrat Olaf Scholz werden. Für Europa zeichnet sich damit das Ende der Austeritätspolitik, die der bisherige Finanzminister Wolfgang Schäuble acht Jahre lang geprägt hat. Das Mantra der Schwarzen Null um jeden Preis wird es nicht mehr geben. Europa wird mehr Sauerstoff bekommen. Und wenn die Börsen jetzt auch noch ihren ungesunden, weil ungebremsten Höhenflug beenden, sind das gute Aussichten für Europa, glaubt De Standaard.
Het Laatste Nieuws stellt fest: Die Sozialdemokraten werden künftig den Finanz- und den Außenminister stellen. Damit haben die Sozialdemokraten zwei Schlüsselposten für Europa bekommen. An den bayerischen Partner CSU musste Merkel das Innenministerium abtreten. Hort Seehofer wird damit Jan Jambon und Theo Francken in einer Person. Von Seehofer kann eine harte Flüchtlingspolitik erwartet werden. Vielleicht zu extrem?
Konservative Kräfte könnten gleiche Ängste beim Finanzminister Scholz haben. Ein Sozialdemokrat, der nur Geld verteilt? Alles unberechtigte Ängste. Denn an der Spitze der Koalition steht ja Angela Merkel. Sie wird auch künftig die Chefin bleiben und ihre Minister schon zurückpfeifen. Viele hatten sie schon abgeschrieben. Doch sie ist immer noch da, bewundert Het Laatste Nieuws.
Bald mehr Schwung in Deutschland?
La Libre Belgique hingegen findet: Die Aura von Merkel hat sichtlich gelitten. Die Gründe dafür braucht man nicht lange zu suchen. Sie selbst ist daran schuld. Genau wie viele andere Politiker in Europa hat auch sie es versäumt, in den vergangenen Jahren grundlegende Reformen durchzuführen, um das Vertrauen der Bevölkerung in die herkömmlichen Parteien zu bewahren. Neue, extreme Parteien konnten groß werden und machen auch Merkel das Leben schwer. In diesem Kontext ist die neue Regierung unter Merkel zum Erfolg verdammt, weiß La Libre Belgique.
De Tijd hält fest: Viel Enthusiasmus – abgesehen von Europa – ruft die GroKo nicht hervor. Große Erwartungen stellt kaum jemand in Deutschland an sie. Und für Überraschungen ist die deutsche Politik normalerweise nicht zu haben. Doch schon das Zustandekommen der jetzigen GroKo war in seiner Form unerwartet. Vielleicht überraschen die Partner alle ja mit einer ebenfalls unerwartet, weil schwungvollen Politik, hofft De Tijd.
Brussels Airlines schwebt weiter in Unsicherheit
Zur Situation bei Brussels Airlines meint Het Nieuwsblad: Der Besuch von Eurowings-Chef Thorsten Dirks gestern bei Brussels Airlines war wie ein "Blitzkrieg". Er kam, war schnell wieder weg und hinterließ keinen Frieden. Sondern vielmehr Unsicherheit. Denn nichts über die Zukunft von Brussels Airlines ist jetzt klarer als vorher. Außer der Erkenntnis, dass Pilot und Co-Pilot bei Brussels Airlines jetzt Deutsche sind. Lufthansa und Eurowings. Sie haben den Steuerknüppel in der Hand und können ihn führen, wie sie wollen, bedauert Het Nieuwsblad.
Der Prozess gegen Salah Abdeslam wird heute in Brüssel fortgesetzt. Dazu schreibt L'Avenir: Heute soll der Verteidiger von Abdeslam sein Plädoyer halten. Die Frage ist nur: Was kann der Anwalt schon sagen. Wie legitim wird seine Verteidigungsrede sein? Denn Abdeslam hatte am ersten Prozesstag deutlich gemacht, dass er nichts von dem Gerichtsverfahren hält. Er erkennt das Gericht nicht an. Er sieht sich selbst in einer anderen Welt. Damit flieht er vor der Verantwortung, die er für seine Taten hat. Einen solchen Menschen dann zu verteidigen vor Gericht ist eine "Mission Impossible", schlussfolgert L'Avenir.
Ein bitterer Beigeschmack bleibt
De Morgen meldet, dass die Stadtverwaltung von Brüssel 450 Posten streicht und damit 700.000 Euro pro Jahr einspart. Die Zeitung kommentiert: Bürgermeister Philippe Close zieht damit die Konsequenzen aus den Skandalen vom vergangenen Sommer. Das ist natürlich gut. Trotzdem bleibt ein bitterer Beigeschmack. Denn die Streichung zeigt auch: Bislang gab es all diese Posten völlig umsonst. Sie waren nur eingerichtet, um Freunden Ansehen und Geld zuzuschustern. Nötig für Brüssel waren sie nicht, bilanziert De Morgen.