"Feige bis zum Schluss", titelt La Dernière Heure. "Ich bin zu müde, um zu antworten", schreiben Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Das Ganze scheint ihn nicht mal zu interessieren", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad.
Begleitet von strengen Sicherheitsvorkehrungen hat am Montag in Brüssel der Prozess gegen Salah Abdeslam begonnen. Auf fast allen Titelseiten sieht man verpixelte Fotos von Abdeslam im Gerichtssaal; einige Blätter bringen auch entsprechende Bilder des Gerichtszeichners. Zusammen mit einem Komplizen muss sich Salah Abdeslam wegen einer Schießerei in der Brüsseler Stadtgemeinde Forêt verantworten, die sich einige Tage vor seiner Festnahme im März 2016 ereignet hatte.
Zugleich ist es der erste Gerichtsprozess gegen die Terrorzelle, die für die Anschläge von Paris und Brüssel verantwortlich zeichnete. Abdeslam machte aber umgehend klar, dass er sich vor dem Gericht nicht äußern will. "Ich werde schweigen, aber das ist mein Recht", zitiert ihn L'Avenir auf Seite eins.
Einige Sätze hat er dann doch von sich gegeben. Unter anderem berief er sich mehrmals auf Allah und bezeichnete Muslime generell als Opfer. "Abdeslam ist radikalisierter denn je", analysiert La Libre Belgique. "Abdeslam provoziert von Beginn an", konstatieren Gazet van Antwerpen und Het Belang van Limburg.
Höhepunkt im Kampf gegen Terrorismus
"Das Schweigen von Salah Abdeslam spricht Bände", meint La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Die Angehörigen der Opfer der Anschläge von Paris und Brüssel erhoffen sich viel von dem Brüsseler Prozess. Sie könnten aber enttäuscht werden. Abdeslam hat offensichtlich nicht die Absicht, Antworten zu liefern. Die weltliche Justiz interessiert ihn offensichtlich nicht.
Mit seiner Haltung bringt er nicht nur dem Gericht, sondern auch den Opfern seine Verachtung entgegen. Umso würdiger wirken da unsere Justiz und unsere Demokratie, die sich über die Wut und die Verbitterung stellen und selbst Leuten wie Abdeslam einen fairen Prozess machen.
Selbst ohne Antworten von Salah Abdeslam ist dieser Prozess für die Opfer und Angehörigen der Anschläge von tragender Bedeutung, ist La Dernière Heure überzeugt. Hier geht es nicht nur darum, die Trauer zu verarbeiten; das ist ohnehin fast unmöglich. Wichtig ist vor allem, dass das Gericht den Opfern zuhört. Und dass es die Antworten liefert, die das Gesetz vorsieht. Der Brüsseler Prozess kann helfen, diese leidvolle Seite umzublättern.
Der Prozess gegen Salah Abdeslam ist wohl ein neuer Höhepunkt im Kampf gegen den Terrorismus, glaubt De Standaard. Auch in dem Sinne, dass wohl die schlimmsten Jahre des islamistischen Terrors hinter uns liegen. Die Terrororganisation IS und ihr selbst ausgerufenes, angebliches Kalifat liegen militärisch am Boden.
Parallel dazu verschwinden auch schrittweise die Soldaten aus unseren Straßen. Das darf aber keinesfalls zur Folge haben, dass man hierzulande wieder den Kampf gegen Radikalisierung vernachlässigt. Nicht nur die Sicherheitskräfte, sondern die Gesellschaft insgesamt muss wachsam bleiben. Das falsche Gefühl von Sicherheit darf nicht zurückkehren.
Unsanfte Landung?
Zweites großes Thema sind die Ereignisse bei Brussels Airlines. "Lufthansa köpft Brussels Airlines", so die drastische Schlagzeile von De Tijd. Le Soir formuliert es diplomatischer: "Lufthansa rückt Brussels Airlines den Kopf zurecht". Konkret: Lufthansa hat am Montag die Entlassung des bisherigen Geschäftsführers von Brussels Airlines, Bernard Gustin, und auch des Finanzdirektors durchgesetzt. In einigen Wochen übernimmt die Deutsche Christina Foerster das Ruder.
"Die Zukunft von Brussels Airlines wird auf Deutsch geschrieben", so das Fazit von L'Echo. Beobachter und auch die Gewerkschaften haben bei all dem jedoch ein mulmiges Gefühl. Die Lufthansa hält ja 100 Prozent der Anteile von Brussels Airlines. Es wird befürchtet, dass der Markenname Brussels Airlines vielleicht sogar ganz verschwinden könnte.
De Morgen bringt die Sorgen in Form einer Frage auf den Punkt: "Droht Brussels Airlines eine unsanfte Landung?". Einige Zeitungen sind durchaus bissiger. La Dernière Heure etwa bringt im Innenteil auf Deutsch die Schlagzeile: "Deutschland über alles".
Etienne Davignon, der Aufsichtsratsvorsitzende von Brussels Airlines, versicherte seinerseits, dass Brussels Airlines weiterbestehen und dass es auch keinen drastischen Umstrukturierungsplan geben werde.
"Bei der Landung, bitte Daumen drücken", empfiehlt Le Soir in seinem Leitartikel. Wieder müssen wir feststellen, dass alle Versprechen über eine garantierte belgische Verankerung sich plötzlich in Luft auflösen. Wieder stellt sich im Nachhinein heraus, dass sich die Belgier vor denen, die ein Auge auf unsere Kronjuwelen geworfen haben, am Ende in den Staub werfen müssen. Ob es nun Franzosen sind, oder Niederländer, oder im vorliegenden Fall eben Deutsche. Umgekehrt haben diese Länder aber durchaus weniger Probleme damit, den Belgiern die Übernahme heimischer Unternehmen zu verbieten.
Die Belgier sind "not amused"
Brussels Airlines ist nun mal jetzt ein deutsches Unternehmen, stellt Gazet van Antwerpen fest. Lufthansa hält alle Anteile. Es ist emotional vielleicht schwer zu akzeptieren, aber kein Belgier kann noch über das Schicksal von Brussels Airlines mitbestimmen. Die Vergangenheit lehrt, dass Unternehmen im Ernstfall lieber in ihren ausländischen Niederlassungen Entlassungen vornehmen. Bei Brussels Airlines muss man sich also durchaus Sorgen machen.
Wir Belgier sind eben eine Ausnahme, zugegeben eine etwas naive und willenlose, meint selbstkritisch De Morgen. Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir mal wieder ein strategisches Unternehmen aus der Hand gegeben. Hier muss sich nicht nur das wirtschaftliche Establishment an die Nase fassen, sondern auch die Politik.
"Achtung, Lufthansa", warnt seinerseits L'Echo. In den letzten Tagen hat man häufiger nicht gerade Deutschland freundliche Kommentare gehört und gelesen. Hierzulande sind viele "not amused" über die Ereignisse bei Brussels Airlines. Lufthansa wäre gut beraten, wenn möglich etwas Feingefühl an den Tag zu legen.
De Tijd sieht das Ganze abgeklärter. Machen wir uns nichts vor: Eine kleine Gesellschaft wie Brussels Airlines hätte auf Dauer nicht auf eigenen Beinen stehen können. Dafür ist in dieser kapitalintensiven Branche der Heimatmarkt einfach zu klein. Und da muss man auch mal ehrlich sein: Das was jetzt passiert, ist immer noch besser, als eine Gesellschaft mit Steuergeldern, allein aus Prestigegründen, am Leben zu halten.
rop/jp