Alle Tageszeitungen kommentieren heute die diskreten Koalitionsverhandlungen, die der Prä-Regierungsbildner Elio Di Rupo mit verschiedenen Parteien führt.
Le Soir meldet auf seiner Titelseite: "Ecolo kommt als föderaler Koalitionspartner in Frage." Die Grünen werden sogar der MR vorgezogen. Anstelle einer klassischen Dreiparteienkoalition PS, cdH, MR versucht man die Bildung einer Olivenbaumkoalition PS, cdH, Ecolo, die es schon in der Wallonie, in Brüssel und in der französischen Gemeinschaft gibt. Die gleichen Mehrheiten auf den verschiedenen politischen Ebenen wären ein Vorteil.
L'Avenir fügt hinzu: Die Grünen wollen nur gemeinsam einer Koalition beitreten, oder gar nicht. Das missfällt dem N-VA-Vorsitzenden De Wever. Denn die flämischen Grünen haben sich als einzige flämische Partei bei der Abstimmung über die Spaltung des Wahlbezirks Brüssel-Halle-Vilvoorde enthalten. In Flandern gelten sie seither als schlechte Flamen.
Was Flandern wirklich will
La Libre Belgique findet: Die Frankophonen irren, wenn sie glauben, dass Flandern sich mit der Übertragung einiger neuer Befugnisse an die Gliedstaaten begnügen wird, beispielsweise der Straßenverkehrsordnung oder der Beschäftigungspolitik. Selbst eine Spaltung von BHV wird der Mehrheit der Flamen nicht reichen. Man muss nicht erwarten, dass nach einer solchen Einigung zwanzig Jahre Frieden herrschen wird, wie viele Frankophone glauben. Sie stehen vor einem Dilemma: Entweder sie lehnen alles ab und laufen Gefahr, dass die flämische Bombe explodiert, oder sie machen Zugeständnisse, die nur eine erste Etappe sind.
Gazet van Antwerpen behauptet: Die Arbeitsweise des Prä-Regierungsbildners Di Rupo nervt. Bei allem Verständnis für sein Schweigen, es gibt einen Unterschied zwischen diskreten Verhandlungen und der Angst vor dem eigenen Schatten. Die durch Di Rupo verkündete Schweigepflicht führt zu Misstrauen unter den künftigen Koalitionspartnern. Di Rupo muss sich in Acht nehmen: Je länger er auf der Stelle tritt, desto stärker wird das Klima versauern.
Die CD&V fühlt sich als Prügelknabe
Der Bürgermeister von Voeren, Huub Broers, hat die CD&V verlassen und ist der N-VA beigetreten, die ihn prompt zum Senator machte. De Morgen schreibt dazu: Die CD&V hat das Gefühl, dass sie zum Prügelknaben geworden ist. Niemand kann heute noch erklären, welche Ideen die CD&V verteidigt und wer ihr Chef ist. Mehr noch als bei der MR, in der sich verschiedene Gruppen einen gnadenlosen Kampf liefern, sind die Nachwehen der Wahlniederlage bei der CD&V zu einer Existenzkrise geworden, die sogar die Daseinsberechtigung der Partei in Frage stellt.
Auch De Standaard merkt an: Die CD&V wurstelt mit sich selbst. Soll sie sich flämischer präsentieren als ihr früherer Kartellpartner N-VA oder nicht? Welche ideologischen Standpunkte vertritt sie? Der neue Vorsitzende Wouter Beke ist nur Übergangspräsident und darf nicht einmal laut sagen, dass er Vorsitzender werden will. Wenn die Partei in den kommenden Verhandlungen noch eine Rolle spielen will, muss sie beherzter auftreten. Wenn Beke seine Partei führen will, muss er zunächst an Glaubwürdigkeit gewinnen. Die föderalen Verhandlungen geben ihm dazu die Gelegenheit.
Het Laatste Nieuws stellt fest: Die Parteiführung erklärt regelmäßig, die CD&V werde sich konstruktiv verhalten. Sie streut manchmal Nägel auf den Weg, doch sie wird der N-VA keine unüberwindbaren Hindernisse aufbauen. De Wever selbst muss beschließen, wann er ins kalte Wasser springt oder ob er am Rand stehen bleibt. Seine Mitstreiter und seine Gegner werden andächtig zuschauen.
„Priesterweihe für Frauen ist ein schweres Verbrechen“
De Standaard bringt die Schlagzeile: "Die Priesterweihe für Frauen ist ein schweres Verbrechen". In dem gleichen Text, in dem der Vatikan strenge Regeln für Priester festlegt, die Kinder missbraucht haben, schreibt Rom, dass die Weihe von Frauen als schwere Missetat bestraft werden muss.
Het Nieuwsblad kommentiert: Wie kann der Vatikan die Weihe von Frauen auf die gleiche Ebene stellen, wie die Schändung von Kindern? Der Vatikan hat noch immer nicht verstanden, dass die Pädophilieskandale und ihre diskrete Behandlung durch die Kirche den Glauben vieler Menschen erschüttert haben. Viele Gläubige warten auf eine Antwort, die ihre Entrüstung und ihren Abscheu ernst nimmt.
Bild: belga