"Paul-Emile Mottard tritt als Präsident von Publifin zurück", schreibt die Wirtschaftszeitung L'Echo. "Interner Hickhack bei Publifin", so Le Soir zu dem jüngsten Skandal bei der Lütticher Interkommunalen Publifin. Am Freitag ist dort Verwaltungsratspräsident Paul-Emile Mottard zurückgetreten. Dem PS-Politiker wird vorgeworfen, einen Bericht des Verwaltungsrats eigenmächtig geändert zu haben. Dabei geht es um die Anfrage an die wallonische Regierung, den Spitzenmanagern von Publifin höhere Gehälter zahlen zu dürfen. Mottard bestreitet die Vorwürfe, trat aber trotzdem zurück.
Dazu kommentiert Le Soir: Dieser Rücktritt löst absolut nichts bei Publifin. Vielmehr ist er ein Symbol für die Unfähigkeit der Lütticher Politik, bei Publifin aufzuräumen. Das Eigenleben, das dieses Unternehmen mit seinen zahlreichen Geschäftsfeldern und 3.000 Mitarbeitern entwickelt hat, scheint noch zu mächtig. Das Management zeigt keinen Willen, die Vorgaben aus Namur zu befolgen. Jetzt soll ein Spezialbeauftragter der wallonischen Regierung als Beobachter zu Publifin kommen. Wird das reichen, um den Teufelskreis zu durchbrechen, der Publifin-Nethys im Griff hat, fragt sich zweifelnd Le Soir.
L'Avenir freut sich über diesen Sonderbeauftragten, meint aber ebenfalls: Ein Gesandter allein wird nicht reichen, um endlich transparente Strukturen bei Publifin durchzusetzen. Denn er wird auf großen Widerstand treffen. Die Bereitschaft, etwas an den bisherigen Machenschaften zu ändern, ist bei Publifin kaum vorhanden. Der Spezialbeauftragte wird ein dickes Fell und viel Durchhaltevermögen brauchen, prophezeit L'Avenir.
Fehlender Patriotismus in der Wirtschaft
La Libre Belgique kommentiert zur gestrigen Meldung, dass Lufthansa wahrscheinlich die beiden Chefs von Brussels Airlines entlassen will: Eigentlich ist diese Entscheidung völlig unverständlich. Bernard Gustin wurde 2017 für die Auszeichnung "Manager des Jahres" vorgeschlagen. Er hat bei Brussels Airlines richtig gute Arbeit geleistet. Das Gleiche gilt für den Finanzdirektor Jan De Raeymaeker. Einziges Problem: Den Deutschen gefällt das Geschäftsmodell von Brussels Airlines nicht. Sie wollen Brussels Airlines wahrscheinlich in die eigenen Billigflug-Marke Eurowings integrieren. Und die Basis der Airline von Zaventem nach Düsseldorf verlegen. Damit ist klar: Belgien wird keine nationale Fluggesellschaft mehr haben. Und die belgische Politik hat nichts getan, um das zu verhindern, notiert verbittert La Libre Belgique.
Auch L'Echo bedauert die Entwicklung und führt aus: Was wird als nächstes kommen? Werden die Deutschen versuchen, die Investitionen in den Brüsseler Flughafen zu stoppen und mit dem Geld lieber einen Flughafen in Deutschland aufrüsten? Bei Brussels Airlines hat Belgien nichts mehr zu melden, seitdem Lufthansa im vergangenen Jahr 100 Prozent der Anteile erworben hat. Wieder einmal geht ein nationales Unternehmen verloren. Ein bisschen Patriotismus in der Wirtschaft - und wir sprechen hier wohlgemerkt nicht von Protektionismus - ist nie verkehrt. Die Belgier sollten sich daran erinnern und öfter nach diesem Prinzip handeln, rät L'Echo.
Dreifrontenkrieg um den F-16-Nachfolger
Auch De Tijd beschäftigt sich mit dem Einfluss ausländischer Staaten auf Belgien, allerdings im Zusammenhang mit der Verteidigungspolitik und schreibt: Der Druck der USA und Frankreichs auf Belgien ist groß - und das besonders beim Thema Kampfjets. Belgien will ja seine F-16 ersetzen. Die Amerikaner wollen ihre F-35-Kampfjets verkaufen, die Franzosen ihre Rafales. Beide drohen - mehr oder weniger offen- mit Konsequenzen, falls Belgien sich nicht für ihre Flugzeuge entscheidet. Das ist ein Spiel mit harten Bandagen, dem sich die Regierung Michel da ausgesetzt sieht. Und dazu kommt noch, dass für die Flugzeuge ein Extrabudget von wohl fünf Milliarden Euro bewilligt werden muss. Die Regierung kämpft also quasi an drei Fronten, stellt De Tijd fest.
"Wir sollten alle öfter mal Marxisten sein"
De Standaard berichtet in einem ausführlichen Beitrag, dass Belgien im Vergleich zu anderen Industrieländern bei der Integration von Migranten besonders schlecht abschneidet. Kommentierend meint dazu die Zeitung: Das ist ein bitterer Befund. Alle sollten ein Interesse daran haben, dass sich das ändert. Doch um das zu ändern, müssen wir unsere Gewohnheiten umstellen, flexibler werden und weniger krampfhaft versuchen, an alten Gewohnheiten und Traditionen festzuhalten. Das gilt besonders für die Bereiche Bildung und Arbeit, fordert De Standaard.
Mit der Situation in Belgien beschäftigt sich auch Het Laatste Nieuws. In einem Interview lässt die Zeitung den Soziologen Ive Marx zu Wort kommen. Kommentierend notiert das Blatt: Es tut gut, zu hören, was dieser Marx sagt. Denn er nimmt uns die Angst vor den rasanten Veränderungen, denen wir uns zurzeit ausgesetzt sehen im Zusammenleben, beim Sozialen, in der Wirtschaft, Technik und in Sachen Einwanderung. Er entdramatisiert und entlarvt den politischen Diskurs von Links und Rechts als falsch. Links und Rechts, so Marx, seien gefangen in Ängsten: Migranten, die das Sozialsystem kaputtmachten, Arbeit, die nur noch prekäre Lebensverhältnisse zuließe.
Dieses Denken sei falsch, so Marx. Vielmehr müsste Vertrauen in die Zukunft unser Denken leiten. Vertrauen, dass alles zwar anders, aber auch weiter gut wird. Die Grundlagen dafür seien in Belgien vorhanden. Wir sollten alle öfter mal Marxisten sein, Marx sein. Nicht Karl Marx, sondern Ive Marx, wünscht sich Het Laatste Nieuws.
Kay Wagner