"Das kleinste Haushaltsdefizit seit neun Jahren", titeln gleichlautend die Wirtschaftszeitungen L'Echo und De Tijd. Belgien hat sich im vergangenen Jahr weniger verschuldet als erwartet. Statt der erwarteten Neuverschuldung von 1,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sind es nach der Jahresabschlussberechnung nur 1,1 Prozent – oder gut fünf Milliarden Euro.
Dazu kommentiert De Tijd: Diese überraschend positive Meldung ist das Ergebnis der allgemein guten Wirtschaftslage. Doch statt sich über die Zahlen nur zu freuen, sollten sie Anlass für die Regierung sein, zu handeln. Jetzt gilt es, zu sparen, zu reformieren und zu sanieren. Denn im September 2016, als es der Wirtschaft noch nicht so gut ging, hatte Vizepremier Kris Peeters mal gesagt, dass man Bäume nicht stutzen sollte, wenn es kalt ist – sprich, wenn die wirtschaftliche Lage schlecht ist. Jetzt ist sie gut, also ran an die Sache – anderthalb Jahre bleiben noch bis zur Wahl, erinnert De Tijd.
Gefährdete Arbeitsplätze
Le Soir beschäftigt sich vor dem Hintergrund der Entlassungen bei Carrefour mit dem Arbeitsmarkt und führt aus: Zwei Tendenzen sind zu beobachten. Die Jobs werden immer prekärer – und hier ist der Kampf der Fahrradkuriere von Deliveroo ein aktuelles Beispiel – und die Technologie nimmt immer mehr Raum ein.
Carrefour will Kassierer durch Selbstscankassen ersetzen. Die Menschen, die dadurch ihre Arbeit verlieren, vor allem die Älteren, werden nur schwer einen neuen Job bekommen. Die Politik muss auf beide Tendenzen reagieren, denn beide machen den Menschen Angst. Das ist Nährboden für Populisten. Die wiederum sind eine Gefahr für die Demokratie, weiß Le Soir.
Auch Gazet van Antwerpen macht sich Gedanken zum Schicksal von älteren Arbeitnehmern, die ihren Job verlieren und meint: Es ist Zeit zum Umdenken. Irgendetwas muss die Gesellschaft mit diesen Menschen machen. Denn ist es wirklich sinnvoll, diese wertvollen Arbeitskräfte als Arbeitslose mit Steuergeldern bis zu ihrem Renteneintritt zu bezahlen? Oder wäre es nicht besser, sie umzuschulen, um freie Stellen besetzen zu können? Die Antwort liegt doch auf der Hand, meint Gazet van Antwerpen.
Hausdurchsuchungen, Publifin, Wertpapierdepots
Zum Widerstand gegen das Gesetz über die Hausdurchsuchungen, um illegale Flüchtlinge aufzugreifen, notiert De Standaard: Lange Zeit hat es keinen Widerstand innerhalb der Regierungsparteien gegeben gegen das Motto der Asylpolitik. "Streng und human" soll sie sein.
Jetzt regt sich Widerstand und es ist überraschend, dass er aus der Provinz kommt – aus Lüttich, wo sich der komplette Gemeinderat gegen das Gesetz stellt. Bemerkenswert ist das auch deshalb, weil es sonst ja die CD&V ist, die das Prinzip Humanität so hochhält. Es wird interessant sein, zu beobachten, wie die Regierung mit diesem Einspruch umgeht. Macht sie die Asylpolitik wirklich humaner? Oder bleibt sie bei ihrer strengen Ausrichtung?, zeigt sich De Standaard gespannt.
Der Verwaltungsrat der Lütticher Interkommunalen Publifin hat in einem Schreiben an die wallonische Regierung gefordert, den Spitzenmanagern der Interkommunalen ein höheres Jahresgehalt als die gesetzlich maximal erlaubten 245.000 Euro zu genehmigen. Dazu meint L'Avenir: Da fehlen einem doch die Worte. Diese Bitte ist wie ein ausgestreckter Mittelfinger Richtung Namur.
Dort gibt sich die Regierung Borsus seit dem Publifin-Skandal alle Mühe, Ordnung in die undurchsichtigen Praktiken der Interkommunalen zu bringen. Und jetzt das! Zumal die Bitte auch "irgendwie", gleichsam von unsichtbarer Hand, in das Schreiben gelangt sein soll. Denn einen entsprechenden Beschluss, so wurde gestern gesagt, habe der Verwaltungsrat gar nicht getroffen. Es wird Zeit, dass endlich gründlich aufgeräumt wird bei Publifin, schimpft L'Avenir.
Mit den Stimmen der Regierungsmehrheit hat die Kammer gestern Abend das Gesetz zur Besteuerung von Wertpapierdepots verabschiedet. Dazu kommentiert Het Belang van Limburg: Das Gesetz ist ein typisch belgischer Kompromiss. Es wurde nur gemacht, um den Streit zwischen den flämischen Regierungsparteien zu schlichten, um das Sommerabkommen zu ermöglichen.
Das Gesetz war ein Anliegen der CD&V – N-VA und OpenVLD sind eigentlich dagegen. Sie hoffen insgeheim, dass es irgendwie noch zu Fall gebracht wird durch die Klagen, die bereits angekündigt wurden. Außerdem scheint es Schlupflöcher zu geben. Fraglich, wie gut die CD&V das Gesetz ihren Wählern gegenüber wirklich als Erfolg verkaufen kann, analysiert Het Belang van Limburg.
Kostenloses Wasser für Gäste?
Het Laatste Nieuws macht sich Gedanken zu einer Empfehlung der EU-Kommission. Diese hatte gestern angeregt, dass Cafés, Kneipen und Restaurants überall in Europa künftig Wasser kostenlos anbieten sollen. Die Zeitung findet: Das ist ein falsches Signal. Denn dadurch bekommen die Kunden den Eindruck, dass Wasser kostenlos sei. Das ist es aber nicht. Nichts ist kostenlos. Und selbst das Wasser aus dem Hahn ist nicht umsonst. Auf 73 Cent berechnet der niederländische Horeca-Sektor das Glas Leitungswasser.
Sicher, der Horeca-Sektor hat auch bei uns natürlich ein wirtschaftliches Interesse, weiter teures Tafelwasser aus Flaschen zu verkaufen. Doch darum geht es nicht wirklich. Wasser wird immer knapper, und, so sagen es viele voraus, es wird künftig Grund für Kriege sein. Wasser jetzt als quasi immer verfügbares, kostenloses Gut darzustellen, ist das falsche Symbol, meint Het Laatste Nieuws.
Kay Wagner