"Hausdurchsuchungen: Die Mehrheit zweifelt", titelt Le Soir. "Die Suche nach Illegalen spaltet die MR", so die Schlagzeile bei L'Avenir. Das geplante Gesetz zu Hausdurchsuchungen bei Privatpersonen, die Flüchtlinge bei sich aufnehmen, wird jetzt auch von Mitgliedern der Regierungsparteien kritisiert. Die Zeitungen heben besonders hervor, dass auch liberale MR-Politiker das Vorhaben kritisieren.
Zu dem Thema kommentiert Le Soir: Die gestrige Diskussion im zuständigen Kammerausschuss war eine kleine Sternstunde der Demokratie. Da war nichts mehr zu spüren von verhärteten Fronten. Ein rein ideologisches Zurückweisen des Anderen fand nicht statt. Im Gegenteil: Man hörte sich zu, sprach offen seine Meinung aus, alle Interessensgruppen – von Bürgervertretern über Flüchtlingsanwälte bis hin natürlich zu den Politikern – kamen zu Wort.
Und wenn auch MR-Politiker ihre eigene Partei für das Gesetzesvorhaben kritisierten, macht sie das nicht zu schwarzen Schafen, zu Dissidenten. Sondern zeigt nur, dass die wahre Demokratie noch lebt, freut sich Le Soir.
Die Freiheit der eigenen Meinung
Ähnlich L'Avenir: So überraschend, wie es für manche erscheint, ist die Kritik der MR-Politiker am eigenen Gesetz eigentlich nicht. Denn der Grundgedanke der Liberalen ist es, frei zu sein. Ein freier Geist, der die Freiheit gibt, Sachen auf die Beine zu stellen, aber auch die Freiheit, eine eigene Meinung zu haben, abseits aller Doktrinen.
Bei der MR hat man diesen liberalen Esprit in letzter Zeit allzu oft vermisst. Vielmehr bekam man den Eindruck, dass die MR sich immer mehr ins Fahrwasser der rechten N-VA begeben hat. Das Gesetz zu den Hausdurchsuchungen ist ein Ausdruck davon. Die MR muss sich entscheiden, welchen Weg sie weitergehen will, meint L'Avenir.
MR-Premierminister Charles Michel befindet sich derweil auf Staatsbesuch in Moskau. Het Belang van Limburg findet das gut und begründet: Immer schon war es die Rolle von kleinen Staaten, in Zeiten von Spannungen eine Art Vermittler zu spielen. Genau das macht Michel. Er nimmt den Dialog mit Moskau wieder auf.
Ohne sich dabei natürlich Illusionen zu machen: Russland wird nichts an seiner Politik ändern, nur weil Michel jetzt mal in Moskau war. Aber miteinander sprechen, das ist immer gut. Und der Kontakt zwischen Belgien und Russland könnte noch einmal sehr wertvoll sein, glaubt Het Belang van Limburg.
Niederlage oder neue Taktik der N-VA?
De Morgen berichtet, dass die N-VA ihren Widerstand gegen den Atomausstieg 2025 wohl aufgeben will. Die Zeitung bezieht ihre Informationen aus nicht genannten Quellen der Partei. Kommentierend meint sie: Sollte die N-VA wirklich ihren Widerstand aufgeben, so kann man das auf zwei Arten interpretieren. Zum einen könnte man sagen, dass die N-VA eben nicht jeden Streit gewinnt, den sie vom Zaun bricht. Zum anderen könnte es aber auch sein, dass hinter dem Einlenken mal wieder Taktik steht.
Die Taktik nämlich, Premierminister Charles Michel und Flanderns N-VA-Ministerpräsident Geert Bourgeois den Erfolg zu gönnen, den Energiepakt zu unterzeichnen. Nach den Wahlen 2019 könnte man dann wieder den Atomausstieg in Frage stellen. Denn von dem Unsinn dieses Ausstiegs bleibt die N-VA überzeugt, hält De Morgen fest.
Zur wirtschaftlichen Entwicklung in Belgien meint De Standaard: Mit 1,7 Prozent ist unsere Wirtschaft im vergangenen Jahr so stark gewachsen wie seit 2011 nicht mehr. Da könnte man sich freuen. Doch wenn man sieht, dass die Wirtschaft in der EU im Durchschnitt um 2,5 Prozent gewachsen ist, dann bekommt die Freude einen Dämpfer.
Sicher, Belgiens Wirtschaft hat in der Krise weniger gelitten als andere Volkswirtschaften. Aber dass Belgien von der aktuellen Konjunktur nur unterdurchschnittlich profitiert, ist Ausdruck der Unzulänglichkeiten, die es bei uns gibt. Sie müssen so schnell wie möglich behoben werden, fordert De Standaard.
Warum bis 2050 warten?
De Tijd analysiert ähnlich und zählt die Dinge auf, die verbessert werden müssen. Erstens: Wir müssen mehr älteren Menschen, Langzeitarbeitslosen und Migranten Arbeit geben. Zweitens müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter ständig weiterbilden. Drittens – und das gilt vor allem für die Wallonie – muss die Unternehmenskultur gefördert werden.
Viertens müssen die administrativen Lasten und die Steuersysteme entschlackt werden. Fünftens schließlich müssen die Verkehrsprobleme gelöst werden, weiß De Tijd.
L'Echo kommentiert die Pläne der wallonischen Regierung, ab 2050 das Bebauen von bis dahin nicht bebauten Flächen zu verbieten: Diese Idee geht einher mit weiteren Maßnahmen zum Schutz der Umwelt. Das ist natürlich gut. Doch zwei Fragen drängen sich auf: Warum mit diesem Umweltschutz bis 2050 warten? Und wie vertragen sich diese Pläne mit den Projekten, die Wirtschaft in der Wallonie langfristig zu fördern, fragt L'Echo.
Zum endgültigen Aus für ein neues Nationalstadion in Grimbergen bei Brüssel schreibt La Libre Belgique: Die ganze Sache zeigt, dass es immer schwieriger wird, wenn nicht gar unmöglich ist, ein nationales Projekt in Belgien zu verwirklichen.
Bei Infrastrukturprojekten wird unser kleiner Staat auf seine kleinen Regionen zurückgeworfen. Bis zu dem Tag, an dem man wieder verstanden haben wird, dass nur Einigkeit stark machen kann, prophezeit La Libre Belgique.
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