"Terrorwarnstufe herabgesetzt, aber die Soldaten verschwinden nicht", schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Die Bedrohung entfernt sich, die Sicherheit bleibt", titelt Le Soir.
Der Antiterrorstab OCAM hat gestern seinen Beschluss bekanntgegeben, die Terrorwarnstufe von Niveau drei auf Niveau zwei zu senken. Demnach ist ein Terroranschlag also "wenig wahrscheinlich", wie auch Het Belang van Limburg auf einer Titelseite darlegt. Die Maßnahme gilt aber nicht flächendeckend: Für gewisse Einrichtungen oder Gebäude bleibt es bei Stufe drei. Das gilt etwa für jüdische Einrichtungen oder bestimmte Botschaftsgebäude, die also auch in Zukunft weiterhin von Soldaten bewacht werden sollen.
Het Nieuwsblad zieht seinerseits eine Bilanz der Mission der Streitkräfte: Seit Terrorwarnstufe drei im Januar 2015 ausgerufen wurde, "hat die Bewachung durch Soldaten 138 Millionen Euro gekostet", notiert das Blatt auf Seite eins.
"Mission erfüllt", bemerkt dazu L'Avenir in seinem Leitartikel. Man kann sich viele Fragen stellen, man kann den Nutzen der Streitkräfte bei der Sicherung des öffentlichen Raums in Zweifel ziehen. War es wirklich die Präsenz der Armee, die in den letzten Jahren Schlimmeres verhindert hat? Oder ging es vielleicht doch in erster Linie darum, die Bürger in Sicherheit zu wiegen? Oder war es vielleicht einfach eine Machtdemonstration der Regierung? Am Ende muss man vielleicht einfach nur festhalten: Die Jungs haben ihren Job gemacht.
Warum weiter Soldaten anfordern?
Wir werden wohl nie erfahren, wie viele Terroristen durch die Präsenz der Soldaten abgeschreckt worden sind, meint auch Gazet van Antwerpen. Offen gesagt sei der Eindruck erlaubt, dass sich ihr Beitrag zu unserer Sicherheit doch eher in Grenzen gehalten hat, vielleicht abgesehen von ein, zwei Zwischenfällen. Dennoch ist nachvollziehbar, dass Politiker leichte Skrupel haben, sie wieder in ihre Kasernen zurückzuschicken. Vernünftig ist das aber nicht. Warum soll man Soldaten anfordern, wenn diese nach Einschätzung des Antiterrorstabs OCAM nicht nötig sind?
Und man darf davon ausgehen, dass das OCAM seine Entscheidung nicht leichtfertig getroffen hat, hakt Het Belang van Limburg ein. Niemand würde allen Ernstes das Risiko eingehen, dass am Tag nach der Senkung der Terrorwarnstufe ein Terrorist zuschlägt. Wenn die zuständige Behörde also zu dem Schluss kommt, dass die terroristische Bedrohung abgenommen hat, dann muss man auf dem Terrain auch den Mut haben, das zu akzeptieren. Konkret: Warum verlangt der Antwerpener Bürgermeister Bart De Wever, dass auch in Zukunft Soldaten in seiner Stadt eingesetzt werden? Gut, es geht um die Bewachung der jüdischen Einrichtungen in der Scheldestadt. Aber wäre seine Polizei nicht auch dazu imstande?
Francken will Hausdurchsuchungen bei Migrantenunterstützern
"Klopfen Polizisten auf der Suche nach illegalen Migranten bald an die Türen von Freiwilligen?", fragt sich derweil De Standaard auf Seite eins. Het Laatste Nieuws wird deutlicher: "Hausdurchsuchungen bei Leuten, die Illegale aufnehmen". Das jedenfalls sieht ein Gesetzesvorschlag von Asylstaatssekretär Theo Francken vor, der am Dienstag im zuständigen Ausschuss diskutiert werden soll. Demnach soll die Polizei also die Möglichkeit bekommen, Ausländer, die abgeschoben werden sollen, auch in Privatwohnungen aufzugreifen.
Da droht aber Widerstand: "Untersuchungsrichter weigern sich, die geplanten Hausbesuche durchzuwinken", titelt La Libre Belgique. "Gutachten der Magistrate über das Gesetz zu Hausdurchsuchungen fällt negativ aus", schreibt sinngemäß De Morgen auf Seite eins. Richterverbände jedenfalls haben dem Innenausschuss der Kammer schriftlich mitgeteilt, dass sie das geplante Gesetz ablehnen.
Viele Zeitungen setzen diese neue Diskussion in den aktuellen Kontext: Gerade erst am Wochenende hatten ja engagierte Bürger eine Polizeirazzia im Maximilianpark de facto verhindert. Deswegen auch die Schlagzeile von De Standaard: "Regierung vs. solidarische Bürger: Es geht hart auf hart".
Die neuen "Gerechten unter den Völkern"?
Was die Regierung jetzt plant, das ist schweres Geschütz, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Dass Untersuchungsrichter vielleicht bald Hausdurchsuchungsbeschlüsse ausstellen müssen, um Illegale in Privatwohnungen aufzugreifen, das steht eigentlich in keinem Verhältnis.
Ähnlich sieht das De Morgen: Man sollte doch mal die Kirche im Dorf lassen. Niemand will ein neues Calais. Und natürlich will man dann auch "Ansaugeffekte" vermeiden. Was gerade am Brüsseler Nordbahnhof passiert, das sorgt aber, wenn überhaupt, dann nur für minimale Aufmerksamkeit und Anziehungskraft. Die Freiwilligen, die Migranten aufnehmen, die Menschenkette am Maximilianpar, all das zieht wohl kaum zusätzliche Transit-Migranten an. Dieser kleine, gewaltlose Widerstand ist allenfalls ein zielgerichtetes Gegengewicht zu einem Staat, der seine Macht allzu proaktiv einsetzt.
Man sollte die Einwände der Juristen ernstnehmen, mahnt auch La Libre Belgique. Etwa, wenn Untersuchungsrichter davor warnen, dass ihre Unabhängigkeit durch die Maßnahme ausgehebelt würde. Davon abgesehen: Löst man damit ein Problem? Man läuft allenfalls Gefahr, dass Illegale künftig buchstäblich abtauchen. Wir brauchen schnellstens eine koordinierte europäische Asylpolitik. In Ermangelung einer solchen sind es nämlich gerade engagierte Bürger, die die Aufgaben des Staates übernehmen. Diese Leute, die Migranten bei sich aufnehmen, sie sind der neue Stolz Europas, meint La Libre, die neuen "Gerechten unter den Völkern".
Roger Pint