"Ein Jahr Trump", titelt De Morgen. "Trump hat nicht gelogen: America First", so Le Soir auf Seite eins. Und das GrenzEcho schreibt: "Spaltung der USA hat zugenommen". Ein Jahr lang ist US-Präsident Donald Trump am Samstag im Amt. Und alle Zeitungen widmen dem Thema ausführliche Berichte.
La Libre Belgique kommentiert: Zu Beginn seiner Präsidentschaft hatte man noch die Hoffnung, dass Trump gebremst werden könnte. Durch sein Umfeld, durch seine Berater. Doch das ist nicht geschehen. Man müsste schon sehr gutwillig sein oder gar blind, um zu behaupten, dass die angekündigte Katastrophe nicht eingetreten ist. Höchstens, wenn man unbedingt positiv sein will: Es ist zu keinem Atomkrieg gekommen. Aber der falsche Alarm, der Hawaii am 13. Januar in Panik versetzt hat, ist ein Zeichen für die große Anspannung, die unter einem Präsidenten Donald Trump in der Welt herrscht, so La Libre Belgique.
Ähnlich L'Echo: Vor einem Jahr war jeder davon überzeugt, dass Trump ein Rüpel sei, ein Rassist, ganz und gar nicht vorbereitet auf das Präsidentenamt. Einige behaupteten sogar, er sei unehrlich. All das hat sich bestätigt. Es ist sogar noch schlimmer gekommen. Vor einem Jahr konnten seine Sympathisanten noch darum bitten, ihm eine Chance zu geben. Heute ist das nicht mehr möglich, analysiert L'Echo.
De Tijd hält fest: In einem Jahr hat Trump alle denkbaren Konventionen und Regeln mit Füßen getreten. Grund dafür war immer sein eigenes, chaotisches Ego. Das lässt befürchten, dass die kommenden drei Jahre im Weißen Haus noch chaotischer werden als das vergangene Jahr, befürchtet De Tijd.
Le Soir notiert: Für Europa stellt sich die Frage, wie es auf die unberechenbare Politik des US-Präsidenten reagieren soll. Darauf gibt es nur eine Antwort: Europa muss an seinen Werten und eigenen Projekten festhalten. Werte, die von Trump weitgehend nicht geteilt werden. Und leider ist auch festzustellen, dass das Beispiel Trumpscher Politik auch in Europa langsam Schule macht, bedauert Le Soir.
De Morgen schreibt: Trump hat immerhin einen Verdienst - er hat das Augenmerk auf die vernachlässigten Gesellschaftsschichten der USA gelenkt. Ein Teil von ihnen hat ihn ins Weiße Haus gebracht, weil sie sich endlich einmal angesprochen fühlten von einem Politiker. Die Demokratin Hillary Clinton hingegen hatte auf die hippe Generation der Neureichen in New York und San Francisco gesetzt. Die Demokraten täten gut daran, dem Beispiel Trumps zu folgen und ihre Wähler auch wieder in anderen Gesellschaftsschichten zu suchen, rät De Morgen.
Mit einer existenziellen Krise ist keinem gedient
Zur politischen Situation in Deutschland meint De Standaard: Beim Sonderparteitag der SPD steht am Sonntag viel auf dem Spiel. Da wird es nicht nur um die Zukunft von Deutschland gehen, sondern auch um die von Europa und damit von Belgien. Die SPD-Landesverbände müssen sich für oder gegen eine Große Koalition aussprechen. Klar ist: Nur eine Große Koalition kann für Stabilität sorgen. Sie ist quasi alternativlos. Denn Neuwahlen würden alles nur noch verschlimmern. Mit einer existenziellen Krise im größten Land Europas ist keinem gedient, glaubt De Standaard.
L'Avenir analysiert: Neuwahlen in Deutschland würden Europa wieder zurückwerfen in unsichere Zeiten. Mit dem Amtsantritt von Emmanuel Macron in Frankreich glaubte Europa, solche Zeiten überwunden zu haben. Aber es geht auch noch um etwas anderes: Sowohl die politische Zukunft von Angela Merkel und Martin Schulz steht auf dem Spiel, als auch diejenige der Sozialdemokraten. Bei Neuwahlen könnte die SPD ins Bodenlose verschwinden, prophezeit L'Avenir.
Weiße Weste statt Loyalität
Het Laatste Nieuws blickt auf das Auseinanderbrechen des linken Wahlbündnisses "Samen" in Antwerpen zurück und kommentiert: Die Ereignisse dieser Woche haben gezeigt, dass sich die Werte in der Politik geändert haben. Das Wichtigste für einen Politiker heute ist es, eine weiße Weste zu haben. Weil der Antwerpener SP.A-Chef Tom Meeuws die nicht hatte, ließ der Grüne Wouter Van Besien ihn fallen. Das ist erneut ein Zeichen dafür, dass Loyalität in der Politik nichts mehr zählt. Früher war Loyalität auch ein wichtiger Wert. Dass sie heute nichts mehr zählt, ist zu bedauern, so Het Laatste Nieuws.
Gazet van Antwerpen führt aus: In Antwerpen haben wir jetzt die gleiche Situation wie im September. Zwar gab es in der Zwischenzeit viel politisches Getöse, aber geändert hat sich fast nichts. Auch nicht die Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit in der Stadt immer noch hoch ist und keiner wirklich an Lösungen dafür arbeitet. Das muss sich ändern, auch im Hinblick auf die Wahlen im Oktober, fordert Gazet van Antwerpen.
Kluften und Brücken
Het Nieuwsblad veröffentlicht am Samstag Ergebnisse einer Umfrage unter in Belgien lebenden Moslems. Dazu kommentiert die Zeitung: Seit den Anschlägen auf Charlie Hebdo vor drei Jahren in Paris haben sich die Fronten zwischen Moslems und Nicht-Moslems verhärtet. "Sie" und "wir" - darum ging es in vielen Diskussionen. Aber ist das wirklich so? Oder haben wir nur die besonders lautstarken Wortführer beider Seiten gehört?
Unsere Umfrage zeigt, dass genau das zutrifft. Denn "die" Moslems gibt es nicht. Zum Beispiel tragen mehr als die Hälfte der Frauen kein Kopftuch, sind viele muslimische Familien so liberal, dass sie christliche Feste wie Weihnachten oder Ostern auch feiern. Natürlich gibt es Kluften, aber auch viele Brücken. Immer mehr solcher Brücken müssen wir bauen, wünscht sich Het Nieuwsblad.
Kay Wagner