"Mit knallenden Türen", titelt Het Laatste Nieuws. "Rosenkrieg", prangt auf Seite eins von De Morgen.
In Antwerpen werfen die Kommunalwahlen vom Oktober lange Schatten voraus. Gestern ist die Kartellliste "Samen" auseinandergebrochen. "Samen", zu Deutsch "gemeinsam", das war der Zusammenschluss von Groen, den Grünen, und der SP.A, also den Sozialisten.
Am Dienstag waren neue Enthüllungen über den SP.A-Spitzenmann, Tom Meeuws, ans Licht gekommen. In seiner Zeit als Direktor der Antwerpener Sektion der öffentlichen Nahverkehrsgesellschaft De Lijn hat es offenbar undurchsichtige Finanztransaktionen gegeben. Hier geht es nach dem derzeitigen Stand lediglich um Intransparenz, strafrechtliche Ermittlungen wurden bislang jedenfalls nicht angestrengt.
Für den Groen-Spitzenkandidaten Wouter Van Besien war damit dennoch das Maß voll. Gestern zog er die Reißleine. "Ab jetzt jeder für sich", schreibt denn auch Gazet van Antwerpen. "Und jetzt solo", notiert auch De Standaard. "Tom Meeuws und seine SP.A sind jetzt mutterseelenallein", so die Schlagzeile von De Tijd.
Das ernüchternde Fazit von Het Nieuwsblad: In dieser Geschichte gibt es nur Verlierer. Mit Ausnahme vielleicht von ... und zu sehen sind dann nur die Fotos des N-VA-Bürgermeisters Bart De Wever und des CD&V-Spitzenkandidaten Kris Peeters.
Die erste Schlacht verloren
"Samen hat schon die erste Schlacht verloren", notiert auch der frankophone Soir. "Es ist etwas zerbrochen auf der linken Seite", meint resigniert De Morgen. "Und jetzt ist plötzlich das Feld wieder offen", schreibt De Standaard.
"Wer an die Macht will, der muss auch gewinnen wollen", meint das Blatt in seinem Leitartikel. Der Grüne Wouter Van Besien hat jedenfalls eindrucksvoll unter Beweis gestellt, warum er noch lange kein Bürgermeister ist. Die Antwerpener Saga zeigt: Wer Angst hat, der bezieht zusätzliche Prügel. Andere Erkenntnis: Jede Partei sollte sich besser treu bleiben und sich nur auf sich selber verlassen, um sich im Ernstfall effizient verteidigen zu können.
Die Affäre um den Sozialisten Tom Meeuws hat jedenfalls dem Grünen Wouter Van Besien geschadet, meint auch Het Laatste Nieuws. Ein glaubwürdiger Herausforderer für Bart De Wever ist der jedenfalls heute nicht. Als Krisenmanager hat Van Besien erst einmal versagt. In puncto Kommunikation und Strategie boxt er zwei Gewichtsklassen unter dem N-VA-Chef. Für Groen gibt es nur einen Trost: In der Politik ist eine Woche schon eine halbe Ewigkeit, bis Oktober ist es noch lange hin. Und viele Wähler haben ein kurzes Gedächtnis.
"Und was jetzt?", fragt sich De Morgen in seinem Kommentar. Eine Demokratie ist so stark wie ihre Opposition. Insofern ist das unrühmliche und improvisierte Ende der Kartellliste "Samen" durchaus ein Schlag für die Demokratie in Antwerpen. Im Moment erscheint die derzeitige Mehrheit um den N-VA-Bürgermeister Bart De Wever alternativlos. Und statt sich in Selbstkritik zu üben, suchen die Linken jetzt wütend nach einem externen Feind. Fakt ist jedenfalls, dass sich für die flämischen Sozialisten die Abwärtsspirale weiterdreht.
Hochmut kommt vor dem Fall
Auch Het Nieuwsblad befasst sich mit dem Zustand der SP.A: Parteichef John Crombez ist fast schon zu bedauern. Mutig hat er in den letzten Monaten nach anhaltenden Skandalen in verschiedenen Sektionen aufgeräumt. Das Problem ist allerdings, dass wohl die Hälfte der Parteimitglieder inzwischen der Ansicht ist, dass das Aufräumen das Problem ist – und nicht die Skandale. Neidisch blickt man da auf Bart De Wever und seine N-VA, die offensichtlich jeden Sturm überstehen.
Aber Hochmut kommt vor dem Fall, warnt Het Belang van Limburg die flämischen Nationalisten. Bei der N-VA sollte man nicht glauben, dass De Wever den Kampf um seine Wiederwahl schon gewonnen hätte. Klar liegt "Samen" k.o. auf der Matte. Seine Gegner gnadenlos auszuknocken, das kann sich aber auch gegen einen Kandidaten oder eine Partei wenden.
"... und Groen gewinnt die Wahl", meint denn auch provozierend Gazet van Antwerpen. Rein arithmetisch betrachtet ist das Auseinanderbrechen von "Samen" für die N-VA keine gute Neuigkeit. Vor einigen Wochen noch haben Umfragen gezeigt, dass Groen und SP.A alleine besser abschneiden würden. Die Grünen hatten bislang den Wind in den Segeln. Und mehrmals wurde Van Besien von seinem sozialistischen Beifahrer ausgebremst. Diesen Klotz am Bein ist er nun los. Jetzt hat er noch zehn Monate Zeit, um zu beweisen, dass er sich nicht nur über angebliche N-VA-Schlammschlachten empören, sondern auch mit einer feurigen Botschaft die Wähler ansprechen kann.
Der "Coup" der Opaline Meunier
Die frankophonen Zeitungen beschäftigen sich ebenfalls mit dem kommunalen Wahlkampf, dies allerdings in Mons. Dort hat die CDH-Politikerin Opaline Meunier für Aufsehen gesorgt. Die junge Frau schließt sich der Liste des MR-Spitzenkandidaten Georges-Louis Bouchez an - obgleich ihre Partei mit einer eigenen Liste ins Rennen geht. "Der Coup von Opaline Meunier macht die CDH schizophren", analysiert La Libre Belgique.
Das war wohl das Letzte, was die Zentrumshumanisten jetzt gebrauchen konnten, glaubt L'Avenir. Die ohnehin schon schwächelnde CDH leistet sich jetzt noch einen hausinternen Streit. Es wirkt unglücklich, wenn jemand mitten in der Krise seine Mitstreiter im Stich lässt. Es sei denn, dahinter steckt ein wirkliches Kalkül.
Man kann hier negative, aber auch positive Feststellungen machen, meint La Libre Belgique. Es ist bestimmt zu begrüßen, wenn junge Menschen sich für Politik begeistern und alte Zöpfe abschneiden. Öffnung und Transparenz, dagegen kann man auch nichts haben. Im vorliegenden Fall mag es aber so aussehen, als würde Opaline Meunier klassisch abgeworben - und da wären wir dann doch wieder bei den alten Praktiken.
Roger Pint