"Gerüchte über vorzeitige Neuwahlen: Provoziert die N-VA den Sturz der Regierung?", fragt das GrenzEcho auf Seite eins. De Tijd und Het Nieuwsblad führen ausführliche Interviews mit CD&V-Vizepremier Kris Peeters. "Theo Francken in den Fußstapfen der Sozialisten", notiert De Standaard auf seiner Titelseite. "Warum Francken so scharf twittert und De Wever filmt, wie er zur Toilette geht", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins.
Le Soir kommentiert: In der aktuellen angespannten Situation ist die Idee von Neuwahlen tatsächlich verlockend. Die N-VA polarisiert mit ihrer Haltung zum Energiepakt und ihrer harten Kante bei der Asylpolitik. Sie macht das Regieren auf föderaler Ebene dadurch schwierig. Doch die Regierungsparteien sollten sich an ihr Versprechen halten, bis zum Sommer 2019 durchregieren zu wollen. Ein Drittel ihrer Regierungszeit liegt also noch vor der Koalition. Und da sie ja – wie sie selbst von sich behauptet – so gut regiert, sollte sie sich lieber an die Arbeit machen, statt zu streiten. An Aufgaben mangelt es nicht: Investitionen, Atomausstieg, Finanzierung der Renten sind nur einige Beispiele, notiert Le Soir.
Het Nieuwsblad schreibt: In unserem Interview ruft Kris Peeters die Mitglieder der Föderalregierung zur Ruhe und Besonnenheit auf. Das ist verständlich. Denn von der derzeitigen Unruhe profitiert Peeters' CD&V ganz und gar nicht. Wenn Themen wie Atomausstieg und Flüchtlingspolitik weiter die Debatten dominieren, nützt das nur der N-VA. Auch bei den im Herbst anstehenden Gemeinderatswahlen. Da tritt Peeters ja bekanntlich gegen Bart De Wever in Antwerpen an. Wenn die N-VA sich bis dahin weiter über nationale Themen profilieren kann, wird Peeters auch mit Lokalthemen keine Chance in Antwerpen haben, so sinngemäß Het Nieuwsblad.
In Donald Trumps Fußstapfen
Het Laatste Nieuws berichtet: Am 1. Januar hat Peeters allen Bürgern von Antwerpen per Facebook ein gutes Neues Jahr gewünscht. Sieben Likes hat er dafür bekommen. Jeder Teenager, der in sozialen Netzwerken unterwegs ist, bekommt mehr Likes für irgendeinen Post. Macht es da überhaupt noch Sinn, dass unsere Politiker soziale Netzwerke zur Kommunikation nutzen? Die Antwort ist ganz klar: ja. Spätestens seit Trump wissen wir, wie wahlentscheidend soziale Netzwerke sein können. Die einzige Partei, die das in Belgien bereits erkannt hat, ist die N-VA. Die Tweets von Theo Francken sind um ein Vielfaches beliebter als die von Premierminister Charles Michel. Wird das die kommenden Wahlen beeinflussen? Was glauben Sie?, fragt Het Laatste Nieuws seine Leser.
Fake News und Meinungsfreiheit
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat ein Gesetz gegen "Fake News" angekündigt. Das Gesetz soll gerade auch für Internetplattformen gelten. Dazu kommentiert La Libre Belgique: Gut an diesem Vorhaben ist, dass soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Youtube an ihre Verantwortung erinnert werden. Sie funktionieren mittlerweile genauso wie "klassische" Medien. Diese dürfen auch nicht veröffentlichen und behaupten, was sie wollen. Trotzdem ist Vorsicht geboten. Denn das neue Gesetz muss darauf achten, dass die Meinungsfreiheit gewährleistet bleibt. Macron darf nicht einfach alles verbieten lassen, was ihm nicht passt. Denn sonst wird das Gesetz Tür und Tor für politischen Missbrauch öffnen, befürchtet La Libre Belgique.
Ähnlich La Dernière Heure: Die Aufregung um die Gewalt gegen Polizisten im Pariser Vorort Champigny hat noch einmal vor Augen geführt, welche Macht Bilder haben. Über den Angriff auf die beiden Polizisten hat sich ganz Frankreich aufgeregt. Denn Videos haben die Gewaltszenen festgehalten. Auch in anderen Vorstädten und sogar in Brüssel gab es ähnliche Gewalt gegen Polizisten – ohne dass darüber Filme in sozialen Netzwerken verbreitet wurden. Der Aufschrei der Empörung darüber blieb deshalb auch ziemlich begrenzt. Das zeigt, welche Macht Politiker bekommen, wenn sie darüber entscheiden dürfen, welche Filme ins Internet kommen, warnt La Dernière Heure.
L'Avenir erinnert an den Anschlag auf die Satirezeitung Charlie Hebdo vor drei Jahren und führt aus: Der Schock war damals riesengroß. Und auch die Solidarität mit den Überlebenden der Redaktion. Plötzlich waren alle Charlie, auch diejenigen, die das Blatt nicht mochten. Denn der Angriff war auch ein Angriff auf die Meinungsfreiheit unserer Demokratie. Heute wird diese Meinungsfreiheit unter Beschuss genommen. Mit Donald Trump hat es angefangen – und seitdem vergeht fast kein Tag mehr, an dem nicht irgendein Politiker irgendein Medium auf der Welt der Verbreitung falscher Nachrichten beschuldigt. Sogar in Belgien hat das jetzt begonnen: Der MR-Abgeordnete David Clarinval hat das Le Soir beim Thema der Sudanesen vorgeworfen. Aber letztlich darf er diese Meinung ruhig haben – im Sinne der Meinungsfreiheit, konstatiert L'Avenir.
Nicht aussitzen, Antworten geben
De Morgen meint zum Streit zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem ehemaligen Chefberater Steve Bannon: Es ist nicht neu, dass führende Köpfe bei rechtsradikalen Bewegungen sich gegenseitig zerfleischen. Der Vlaams Belang bei uns, der Front National in Frankreich oder die AfD in Deutschland sind nur einige Beispiele dafür. Solche Streitigkeiten hindern solche Parteien oft, ihre Programme vollständig umzusetzen. Für die demokratischen Parteien ist das gut. Trotzdem dürfen sie diese Streitigkeiten nicht einfach aussitzen und darauf warten, dass die Populisten wieder verschwinden. Vielmehr müssen sie Antworten geben auf die Probleme, die die Unzufriedenen antreiben, die Populisten zu wählen. Das machen die demokratischen Parteien allerdings viel zu selten, beklagt De Morgen.
Kay Wagner