"Die Separatisten gewinnen die katalanischen Regionalwahlen", titelt L'Echo. "Puigdemont gewinnt also doch noch die katalanische Wahl", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Rajoy hat gepokert und verloren", schreibt De Standaard auf Seite eins.
Gestern haben in der spanischen Krisenregion Katalonien Wahlen stattgefunden. Ausgerufen wurde sie durch die Madrider Zentralregierung, die ja die Kontrolle in Katalonien übernommen hatte. Nach ersten Ergebnissen wird die liberale Partei Ciudadanos zwar stärkste Kraft; und Ciudadanos gilt als pro-spanisch; die separatistischen Parteien erzielen aber in der Summe eine knappe Mehrheit. Nur: Das Ergebnis ist eben so knapp, dass es die Lage nicht grundlegend verändert, glauben einige Blätter. "Katalonien ist immer noch zweigeteilt", so denn auch die Schlagzeile von Le Soir. Für Het Belang van Limburg bleibt es bei der "katalanischen Pattstellung".
Sudan-Gate - Francken unter massivem Beschuss
Für Schlagzeilen sorgt heute aber auch wieder Asylstaatssekretär Theo Francken. Im Zentrum steht weiterhin die von ihm vorangetriebene Abschiebung von sudanesischen Migranten. Dabei hatte Francken mit den sudanesischen Behörden zusammengearbeitet. Der Sudan allerdings gilt als lupenreine Diktatur. Und jetzt haben abgeschobene Migranten ausgesagt, dass sie im Sudan gefoltert worden sind. "Die UNO übt harsche Kritik an Belgien und weist mit dem Finger auf Francken", so die Aufmachergeschichte von De Morgen. Eine Sprecherin des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge bezichtigt den N-VA-Politiker gar der Lüge: Wenn Francken behaupte, dass er seine Entscheidungen von Beginn an mit den Vereinten Nationen abgestimmt habe, dann stimme das nicht, sagt die Sprecherin.
Und auch innenpolitisch wird es kritisch: "Premier Michel geht auf Distanz zu Theo Francken", schreibt L'Echo. Het Nieuwsblad spricht von einem "Clash zwischen Michel und Francken". Charles Michel hat ja angekündigt, dass bis auf weiteres keine Abschiebungen mehr in den Sudan erfolgen sollen. Sein Staatssekretär Francken war darüber sichtlich ungehalten. "Die N-VA würde eher noch dem Premier die Gefolgschaft kündigen, als am Ende lax herüber zu kommen", schreibt De Standaard. "Francken muss gehen", fordert seinerseits der OpenVLD-Politiker und frühere EU-Kommissar Karel De Gucht auf Seite eins von Het Laatste Nieuws.
Francken – Ein Problem für den politischen Liberalismus
Damit lehnt sich De Gucht doch weit aus dem Fenster, meint Het Laatste Nieuws seinem Leitartikel. De Gucht bezeichnet Francken als "politisch, ideologisch und menschlich ungeeignet für den Posten des Asylstaatssekretärs und fordert also dessen Rücktritt. Das hat selbst die Opposition nicht getan. Für De Gucht geht es hier um Grundwerte, die der Demokratie, aber auch die seiner Partei. Dies nach dem Motto: Wer eine solche Politik mitträgt, der darf sich das Etikett "liberal" nicht mehr anheften.
Genau in diese Richtung argumentiert auch Le Soir, hat dabei aber die frankophonen Liberalen MR im Blick. Charles Michel hat jetzt wirklich ein Problem, meint das Blatt. Und hier geht es nicht mehr nur um seine Autorität als Regierungschef, die von der N-VA ständig unterminiert wird. Nein, hier geht es um die Partei, die er repräsentiert. Die Politik, die Aussagen, die Tweets des Asylstaatssekretärs sind ein permanenter Angriff auf den politischen Liberalismus, jene Ideen und Prinzipien, auf die sich die Aufklärung und die Französische Revolution stützten. Wenn diese Grundwerte immer noch gelten, dann muss Charles Michel jetzt endlich hart durchgreifen.
L'Avenir sieht das ähnlich. Wenn sich bewahrheitet, dass die abgeschobenen Sudanesen tatsächlich gefoltert wurden, wenn es stimmt, dass man der Polizei Quoten auferlegt hat, die festlegen, wie viele Illegale im Brüsseler Maximilianpark festgenommen werden müssen, wenn das alles wahr ist, dann ist es für Charles Michel unmöglich, sich weiter hinter Asylstaatssekretär Theo Francken oder Innenminister Jan Jambon zu stellen. Hier geht es um die Glaubwürdigkeit seiner Partei, der Liberalen.
"Francken hat sich den Ärger selbst gesucht"
De Standaard bringt seinerseits bedingt Verständnis auf für Theo Francken. Die Sudanesen wollen nach Großbritannien, sie wollen partout keinen Asylantrag in Belgien stellen? Was soll der Staat denn machen? Keiner von denen, die jetzt entrüstet die Politik der Regierung brandmarken, keiner hat eine Antwort auf diese Frage parat. Und es ist vielleicht sogar noch verständlich, dass sich Francken jetzt von seinem Premier im Stich gelassen fühlt. Allerdings: Der N-VA-Politiker hätte auch nicht so dick auftragen und sogar noch ein Foto veröffentlichen müssen, das ihn mit der sudanesischen Delegation zeigte.
Francken saß gestern da wie ein bestraftes Kind auf der Schulbank, frotzelt auch Het Belang van Limburg. Dabei hat der Asylstaatssekretär doch eigentlich nur getan, was die Regierung ihm aufgetragen hatte. den Ärger hat sich der N-VA-Politiker allerdings gesucht. Als Premier Michel versprach, bis Januar keine weiteren Abschiebungen in den Sudan vorzunehmen und die Ergebnisse einer Untersuchung abzuwarten, nannte Francken das in einem TV-Interview "absurd"; es seien ohnehin bis Ende Januar keine weiteren Abschiebungen geplant. Diesen Affront hat Michel ihm mit barer Münze zurückgezahlt.
Rote Linien in der Zirkus-Arena
Het Nieuwsblad beklagt derweil das allgemeine Niveau der Debatte. Dieses Kabbelkabinett hatte uns ja schon an einiges gewöhnt. Die gestrige Darbietung schlägt aber alles. Da wird ein Premier von seinem Staatssekretär vor allen Augen richtiggehend gedemütigt. Und das ist Symptom eines Trends, der schon länger zu beobachten ist. Hier geht es nicht mehr um Inhalt, hier geht es um Egos. Jede Kritik an der Politik wird gleich als "persönlicher Angriff" gewertet. So allerdings wird jede wirkliche Debatte im Keim erstickt. Das dient nur denen, die das Parlament für eine Zirkus-Arena halten.
De Morgen schließlich findet die ganze Diskussion scheinheilig. Die Regierung wusste sehr genau, dass die Abschiebung von Migranten in den Sudan hoch riskant war. Machthaber al-Baschir, das ist viel mehr als nur ein Diktator. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat Haftbefehl gegen den Mann erlassen, unter anderem wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Eine Zusammenarbeit mit einem solchen Regime verbietet sich. Das ist eine Rote Linie. Und vor einigen Monaten gab es diese Rote Linie auch schon.
Roger Pint