"Marc Coucke kauft Anderlecht für 80 Millionen Euro", heißt es auf der Titelseite von Le Soir. "Der Coup von Coucke", so die Schlagzeile bei Het Nieuwsblad. "Der Geniestreich", titelt La Dernière Heure.
Der Genter Geschäftsmann und Milliardär Marc Coucke hat gestern den Zuschlag für den Kauf des belgischen Fußballrekordmeisters RSC Anderlecht erhalten. Die Wahl von Coucke ist eine Überraschung. Der 52-Jährige war im Vorfeld nicht als Interessent für den Hauptstadtclub genannt worden.
"Anderlecht bleibt belgisch!"
Le Soir jubelt über diese Entscheidung: Dieser untypische Milliardär ist eine schillernde Persönlichkeit. Seine Anfänge machte er in er Pharma-Branche, sponserte dann eine Radrennsport-Mannschaft, hält Anteile am Tierpark Pairi Daiza. Er kann hervorragend reden, ist vereinnahmend mit seiner fröhlichen Art, hat sehr viel Geld und zahlreiche Ideen. Aber er ist auch ein knallharter Geschäftsmann, dem man lieber nicht zweimal widerspricht. Und Belgier. Die belgische Identität von Anderlecht bleibt damit erhalten, notiert Le Soir.
Auch Het Laatste Nieuws hebt hervor: Die Kronjuwelen des belgischen Fußballs bleiben in belgischer Hand. Das ist eine frohe Botschaft in Zeiten, wo die Kronjuwelen unserer Wirtschaft alle an Franzosen, Niederländer, Amerikaner und Chinesen verkauft worden sind. Beispiele: Petrofina, Electrabel, Fortis, Delhaize, Côte d’Or – und auch Omega Pharma, das Unternehmen, das Coucke selbst mitgegründet hatte, erinnert Het Laatste Nieuws.
Das Parlament setzt sich durch
Zum neuen Streit um die Steuerreformen im Rahmen des sogenannten Sommerabkommens kommentiert L’Avenir: Drei Gesetze, ein Paket. So lautete bis gestern die Formel der Regierung. Das war wichtig, weil jedes der drei Gesetze ein Lieblingsgesetz einer der drei flämischen Regierungsparteien war. Mit Argusaugen achteten sie darauf, nicht benachteiligt zu werden durch die Gesetze der anderen. Durch die Kritik der Opposition ist diese Einheit jetzt aufgebrochen worden – nach einem Nachmittag mit Türknallen und sicher viel Frust bei CD&V und OpenVLD. "Ihre" Gesetze werden jetzt erst im kommenden Jahr weiterbehandelt. Nur das N-VA-Vorhaben soll, wie von der Regierung geplant, noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Die Opposition wird amüsiert auf diese neuerlichen Querelen in der Mehrheit schauen, glaubt L’Avenir.
De Standaard findet: Die Regierung ist selbst schuld an dieser für sie unglücklichen Situation. Sie hat geglaubt, das Parlament beim Sommerabkommen übergehen zu können. Doch das Parlament hat auf seine Rechte gepocht. Beziehungsweise einfach seine Pflicht getan. Denn es ist normal, dass in einem Kammerausschuss eine zweite Lesung gefordert werden kann oder gar eine Bewertung durch den Staatsrat. Damit hatte die Regierung aber nicht gerechnet. Sie dachte: Wenn wir uns im Kabinett auf etwas einigen, dann ist das quasi schon beschlossen. Das ist eine verächtliche Haltung gegenüber dem Parlament, urteilt De Standaard.
"Vorerst keine Abschiebungen mehr in den Sudan!"
Gesten war bekannt geworden, dass Migranten aus dem Sudan nach ihrer Abschiebung aus Belgien bei ihrer Ankunft im Sudan wohl gefoltert worden sind. Dazu kommentiert Gazet van Antwerpen: Es gibt zwar keine hundertprozentige Sicherheit, dass die Berichte über Misshandlungen stimmen. Aber das ist jetzt erst einmal unerheblich. Es ist bekannt, dass im Sudan ein menschenverachtendes Regime herrscht. Bevor jetzt erst lange nach dem Wahrheitsgehalt der Aussagen geforscht und politische Verantwortlichkeiten diskutiert werden, muss die Rückführung von Migranten in den Sudan sofort ausgesetzt werden. Das muss sich Belgien als kultiviertes Land selbst schuldig sein, mahnt Gazet van Antwerpen.
EU-Strafmaßnahmen – Warum nur Polen?
Die EU-Kommission hat ein Sanktionsverfahren gegen Polen eröffnet, weil der Rechtsstaat in Polen durch zu viel Einfluss der Politik auf das Gerichtswesen nicht mehr gesichert sei. Dazu notiert De Morgen: Am Ende des Verfahrens könnte eine Abstimmung stehen, die darüber entscheidet, ob Polen das Stimmrecht im EU-Rat entzogen wird. Dazu darf es nicht kommen. Denn diese Abstimmung würde zu einer Spaltung der EU führen. Polen wird mit den Stimmen von Ungarn, wahrscheinlich auch von Tschechien und der Slowakei gerettet werden. Der Konflikt aber wird bleiben. Die EU sollte sich deshalb nach wirkungsvolleren Maßnahmen umschauen, rät De Morgen.
L'Echo notiert: Es ist gut, dass sich die EU-Kommission Polen vorknöpft. Aber Polen ist nicht das einzige Land, in dem Grundwerte der Europäischen Union gerade bedroht werden. Doch statt gegen diese Länder mit ähnlicher Härte vorzugehen, freut sich Kommissionschef Juncker über die neue Regierung in Österreich mit einer rechtsextremen Partei und lässt Spanien unkommentiert Politiker ins Gefängnis stecken, bedauert die Wirtschaftszeitung L'Echo.
Katalonienwahl – Föderalisierung als Lösung?
Apropos: In Katalonien wird heute ein neues Regionalparlament gewählt. Dazu meint La Libre Belgique: Eins ist schon jetzt klar: Weder die Separatisten, noch die Parteien, die für einen Verbleib der Region im spanischen Staat sind, werden bei der Wahl eine ausreichend große Mehrheit erreichen, um die festgefahrene Lage zu lösen. Das wäre nur möglich, wenn man über eine Verfassungsänderung nachdenken würde. Spanien müsste in einen Föderalstaat mit weitgehenden Kompetenzen für die Regionen umgeformt werden. Doch man darf nicht hoffen, dass Madrid oder Barcelona einen solchen Prozess anstoßen. Damit würde man ja das Gemeinwohl über die Eigeninteressen stellen. Das hat bislang noch keiner der Kontrahenten getan, bemerkt La Libre Belgique.
Kay Wagner