"Frontalangriff auf Rentenreform", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Regierung zweifelt selbst am Rentensystem mit Punkten", so die Schlagzeile bei Het Laatste Nieuws.
Gestern haben mehrere Zehntausend Menschen in Brüssel gegen die Rentenreform der Föderalregierung demonstriert. Drei große Gewerkschaften hatten zu dem Protest aufgerufen. MR-Politiker hatten die Reformpläne mit deutlichen Worten verteidigt.
Dazu schreibt De Standaard: Premierminister Charles Michel hat den Gewerkschaften vorgeworfen, Lügen über die Rentenreform zu verbreiten. Sein Parteifreund und Pensionsminister Daniel Bacquelaine hat ebenfalls von "Lügen" gesprochen. Das ist keine Art, den Sozialen Dialog zu führen. Solange Regierung und Regierungsgegner das Thema Rente als Schlachtfeld ansehen, wird dabei nichts Gutes herauskommen. Dabei ist Vertrauen nötig. Die Beteiligten müssen dieses Vertrauen herstellen, um die notwendige Reform auf den Weg zu bringen, ist sich De Standaard sicher.
Het Belang van Limburg sieht das genauso: Einen kritischen Bericht der Europäischen Union über einen Haushaltsplan kann man vielleicht noch mit groben Worten als Unfug abtun. Die Ängste vieler Menschen um ihr Altersgeld nicht. Das hat Michel gestern aber getan. Im Stile eines Donald Trump sprach er von "Lügen" und "Fake News", die Gewerkschaften und Oppositionsparteien über die Rentenreform verbreiten würden. Dieser ruppige Ton gehört nicht in eine so wichtige Debatte. Denn nichts wird davon besser, weiß Het Belang van Limburg.
Publifin und Ämterhäufung
Le Soir schaut auf den Publifin-Skandal zurück und gratuliert: Happy Birthday, Publifin! Auf den Tag genau ein Jahr ist es her, dass die Praxis der Sektorenausschüsse ans Licht kam. Dass dort Lokalpolitiker für das Anschauen von PowerPoint-Präsentationen saftige Sitzungsgelder kassierten. Sogar auch dann, wenn sie gar nicht anwesend waren. Der Skandal zog bekanntlich Kreise, deckte viele andere Ungereimtheiten bei der Interkommunalen auf. Und wo stehen wir heute? Die wallonische Regierung ist dabei, den Rechtsrahmen für Publifin neu zu gestalten. Gut, dass sie das macht. Diese Arbeit muss fortgesetzt werden. Publifin selbst tut sich mit Reformen schwer. Schon allein die Neuausrichtung der Geschäftsfelder scheint ein Problem. Wir wünschen Publifin zum Geburtstag mehr Mut, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, so Le Soir.
La Libre Belgique macht sich Gedanken zum Thema Ämterhäufung und führt aus: Im Zuge der Diskussion um einen besseren Politikstil war ja vor Monaten die Abschaffung der Ämterhäufung eine der wichtigsten Forderungen. Auch wenn es etwas ruhiger um dieses Thema geworden ist, die Debatte darüber ist noch nicht zu Ende. Denn vieles bleibt zu klären: Wo genau liegen eigentlich die Probleme der Ämterhäufung? Sind es die doppelten Einkünfte, die stören? Der Mangel an Zeit für jedes Amt? Die Vermischung von öffentlichen und privaten Ämtern? All das sollte mal auf objektive Weise geklärt werden. Und man darf auch nicht vergessen, dass viele Vorschriften zu dieser Thematik bereits bestehen, erinnert La Libre Belgique.
Nach Feierabend Ruhe vorm Chef – oder nicht?
Die Wirtschaftszeitung L'Echo greift den Vorschlag von Wirtschaftsminister Kris Peeters auf, dass Arbeitnehmer in ihrer Freizeit nicht mehr unbedingt für ihren Arbeitgeber erreichbar sein sollen. L'Echo meint: Der Vorschlag an sich ist lobenswert. In Frankreich gilt seit einem Jahr ein solches Gesetz. Allerdings haben dort drei Viertel der Unternehmen noch gar nichts mit ihren Beschäftigten vereinbart. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass es schwierig ist, solche Regeln auch nur für ein Unternehmen allgemein festzulegen. Es gibt immer wieder Situationen, in denen ein Mitarbeiter auch außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit per Anruf, Mail oder SMS erreichbar sein muss, bemerkt L'Echo.
"Freiwilligen-Polizei" in Antwerpen und Wahl in Katalonien
In Antwerpen schlägt Bürgermeister Bart De Wever die Schaffung einer Freiwilligen-Polizei vor. Sie soll aus ehemaligen Polizisten und Soldaten bestehen und der normalen Polizei helfen. Kommentierend meint Gazet van Antwerpen: Unübersehbar hat Bart De Wever in den Wahlkampfmodus geschaltet. Dieser Vorschlag ist ein weiterer von mehreren, die er in den vergangenen Tagen und Wochen gemacht hat. Die Stoßrichtung seiner Kampagne wird immer deutlicher: Es wird viel um Sicherheit gehen, gepaart mit ein paar sozialen Anliegen. Für die Opposition wird es nicht leicht, De Wever auf diesen Gebieten in Schwierigkeiten zu bringen, prophezeit Gazet van Antwerpen.
De Morgen blickt auf die für morgen angekündigte Wahl in Katalonien und glaubt: Die Wahl wird nichts an den Spannungen zwischen Befürwortern und Gegnern der Unabhängigkeit Kataloniens ändern. Beide Lager kommen in Umfragen auf ungefähr je 45 Prozent. Das wird nicht für klare Verhältnisse sorgen. Der beste Weg wird bleiben, Gespräche zu suchen. Das sollten beide Seiten einsehen. In diesen Gesprächen muss es um Dinge wie Fiskalpolitik, hoheitliche Zuständigkeiten und personengebundene Fragen gehen. Alles andere erscheint aussichtslos. Das haben auch letzte TV-Debatten gezeigt. Da haben sich Kandidaten von beiden Lagern dermaßen blind in ihre Diskussion über den Separatismus verrannt, dass sie sich gar nicht mehr daran erinnern konnten, wie viele Arbeitslose es in Katalonien gibt, stellt De Morgen resigniert fest.
Kay Wagner