"Nationalstadion, was für ein Schlamassel", titelt Le Soir. "Drama perfekt: Kein EM-Spiel in Belgien", so das GrenzEcho. "Kein Euro-Stadion, das Nachtreten beginnt", schreibt De Standaard auf Seite eins.
Die UEFA hat Belgien gestern als Austragungsort der Fußball-Europameisterschaft 2020 gestrichen. Grund: Die Pläne für den Bau des neuen Nationalstadions in Grimbergen bei Brüssel kommen nicht voran. Alle Leitartikler, die sich mit diesem Thema beschäftigen, empfinden die Entscheidung der UEFA als eine Schande für Belgien.
La Dernière Heure führt aus: Belgien hat sich mal wieder lächerlich gemacht. Die geplanten Spiele bei der Europa-Meisterschaft 2020 wieder aus Brüssel abzuziehen, ist eine große Schande. Wer ist dafür verantwortlich? Die Politiker zeigen jetzt alle gegenseitig mit dem Finger auf sich. Dabei tragen sie alle einen Teil der Verantwortung, weiß La Dernière Heure.
Das "Versagen" des belgischen Staats
Le Soir führt aus: Beim Euro-Stadion sind alle Konflikte zusammengekommen, die das Leben in Belgien so kompliziert machen: Ein National-Stadion, dass auf flämischem Boden gebaut werden soll. Frankophone, die unfähig waren, eine Lösung zu finden. Ein Konflikt, bei dem die Föderalebene zugeschaut hat, während die Regionen sich nur halbherzig engagiert haben. Neid im Fußball, weil Anderlecht jetzt plötzlich ein neues Stadion bekommen sollte. Letztlich auch ein Interessenskonflikt mit dem Bauherrn, wo es um viel Geld ging. Kurz: All die möglichen Konflikte, die das Gemeinwohl mal wieder in den Hintergrund haben treten lassen, analysiert Le Soir.
Für L'Avenir ist das National-Stadion ein weiteres Beispiel dafür, dass Großprojekte in Belgien nicht funktionieren: Das Fluglärm-Problem in Brüssel, die Zukunft der Atomenergie, die Mobilität, das Justizwesen, die Ausbildung junger Ärzte, auch das kriegt Belgien nicht hin, notiert L'Avenir.
L'Echo sieht darin ein "Versagen" des belgischen Staats, das sich jetzt auch im National-Stadion wieder manifestiert. De Morgen hebt hervor, dass es eine Dummheit war, ein "Brüsseler National-Stadion" auf dem Boden einer flämischen Gemeinde errichten zu wollen. Und Het Laatste Nieuws meint: Zumindest die N-VA wird sich über die Entscheidung der UEFA gefreut haben.
Riskantes Spiel im Nahen Osten
Zur Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als die Hauptstadt Israels anzuerkennen, meint La Libre Belgique: Im Grunde bezahlen wir heute die Fehler, die vor 70 Jahren gemacht wurden. Als damals der Israelische Staat quasi aus dem Nichts gegründet wurde, hat man geschlampt. Damals hätte man klare Entscheidungen bezüglich eines israelischen Staats mit einer Hauptstadt, und eines palästinensischen Staats mit einer Hauptstadt treffen müssen. Weil man das nicht getan hat, gibt es seitdem Streit. Und seit Jahren herrscht Stillstand. Trump will jetzt frischen Wind in diesen Streit bringen. So wie in der Wissenschaft, wo neue Stimuli manchmal zum Ziel führen. Doch diese Methode im Nahen Osten anzuwenden, ist ein sehr riskantes Spiel, urteilt La Libre Belgique.
Die Wirtschaftszeitung De Tijd meint: Das Weiße Haus beteuert, dass es trotz, beziehungsweise gerade wegen der Entscheidung zu Jerusalem daran festhält, einen Friedensplan für den Nahen Osten zu entwickeln. Doch erstens lässt der auf sich warten. Zweitens ist es sehr fraglich, ob die Entscheidung zu Jerusalem diesem Friedensplan förderlich ist. Es kann sein, dass für Araber und Palästinenser die USA als Vermittler jetzt nicht mehr in Frage kommen, bemerkt De Tijd.
Katalonien: Eine europäische Herausforderung
Zur Demonstration von 45.000 Katalanen in Brüssel schreibt der Gast-Kommentator von De Standaard, Jan Wouters, Professor für Internationales Recht an der Universität Löwen: Es ist falsch, dass die EU sich aus dem Konflikt zwischen Katalonien und der spanischen Regierung raushält. Denn natürlich ist Katalonien eine europäische Herausforderung. Es zeigt, dass viele Menschen mit dem Monopol der Nationalstaaten nicht mehr zufrieden sind. Die Europäische Union sollte daran arbeiten, ein neues System zur politischen Entscheidungsfindung bei der EU zu entwickeln. In diesem System müssten Regionen Verantwortung bekommen. Wir brauchen unbedingt eine Experten-Gruppe, die sich um die Entwicklung eines solchen Systems kümmert, so Wouters in De Standaard.
N-VA will Energiepakt kippen
Het Nieuwsblad schreibt zum Energiepakt: Eigentlich soll der Pakt ja noch vor Weihnachten fertig sein. Doch jetzt stellt die N-VA wieder alles in Frage. Sollte der Pakt das Ende der Kernenergie 2025 tatsächlich vorsehen, dann will die N-VA den Energiepakt nicht mittragen. Das ist völlig unverantwortlich. Denn unabhängig von der Frage, welche Konsequenzen das Abschalten aller Atommeiler in Belgien 2025 haben wird – und um das zu beurteilen, braucht man mindestens ein Ingenieur-Diplom – benötigt die Industrie der erneuerbaren Energien endlich Sicherheit. Das Hin und Her um die Atomenergie hält nämlich die Investitionen in erneuerbare Energien zurück. Unsicherheit ist immer Gift für Unternehmen. Diese Unsicherheit in Bezug auf die Atomenergie jetzt wiederzubeleben ist völlig kontraproduktiv, wettert Het Nieuwsblad.
Kay Wagner