"Illegale Praktiken auf allen Ebenen bei der Brüsseler Feuerwehr", so die explosive Aufmachergeschichte von La Libre Belgique. "Riesenskandal bei der Brüsseler Feuerwehr", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins. Beide Zeitungen gehören zur selben Pressegruppe und bringen die Story exklusiv.
Im Mittelpunkt steht demnach das Siamu, eine Einrichtung der Region Brüssel-Hauptstadt, die die Feuerwehr- und Rettungsdienste verwaltet. Ein Audit des Rechnungshofes hat eine Reihe von Unregelmäßigkeiten ans Licht gebracht. Die betreffen insbesondere den Bereich Öffentliche Ausschreibungen. Demnach seien bei fast der Hälfte der untersuchten Materialankäufe fundamentale Grundregeln missachtet worden. Oft sei nicht nachvollziehbar, warum der jeweilige Zulieferer den Zuschlag bekommen hat.
La Libre Belgique zieht schon eine Parallele zum Samusocial-Skandal. Die MR, die in der Brüsseler Region in der Opposition sitzt, fordert in der Zeitung die Einsetzung eines parlamentarischen Sonderausschusses.
"Versaut"
Für Diskussionsstoff sorgt heute auch noch eine zweite Geschichte, die vor allem Brüssel betrifft: "Die neue Euro-Arena: Chronik eines nationalen Flops", so etwa die beißende Schlagzeile von L'Avenir. Es ist so: Morgen entscheidet der Europäische Fußballverband UEFA, ob Brüssel einer der Austragungsorte bei der EM 2020 sein wird. Grundbedingung ist allerdings ein neues nationales Stadion. Die Akte ist aber hoffnungslos festgefahren. "Es sieht fast so aus, als könne Brüssel die EM vergessen", meint L'Avenir. Und "Premier Michel ist richtig sauer über den amateurhaften Umgang mit dem Euro-Stadion", bemerkt Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite.
"Das hat Charles Michel wirklich gesagt", verdeutlicht Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. "Versaut durch Amateure", so der Wortlaut. Auf Französisch klingt das noch drastischer: "Cochonné". Michel meint damit offensichtlich die Brüsseler Region. Das trifft sich gut, denn genau dort ist seine MR nicht am Drücker. Wer die Akte aber ein bisschen kennt, der weiß, dass die Stadt Brüssel da mindestens genauso dilettantisch vorgegangen ist, und das in Person des MR-Schöffen Alain Courtois. Die Brüsseler haben es vor allem wegen ihrer Arroganz verbockt. Sie haben geglaubt, dass die Beteiligung an der EM als Lockmittel reichen würde, um die Akte durchzuboxen. Ansonsten hätte man nie ein Gelände für das Stadion ausgesucht, das auf flämischen Boden liegt.
Den Ochsen hinter den Pflug gespannt
Einige Zeitungen beschäftigen sich heute mit der "Schwarzen Liste" von Steuerparadiesen, die gestern auf EU-Ebene verabschiedet wurde. "Und der Berg gebar eine Maus", giftet Le Soir in seinem Leitartikel. Ganze 17 Länder enthält besagte Schwarze Liste. Darunter ist kein EU-Land, wobei doch eine ganze Reihe von britischen und niederländischen Überseegebieten eben noch in den Paradise Papers einen prominenten Platz eingenommen hat. Auch Länder wie Irland, Luxemburg oder Malta müssten eigentlich auf der Blacklist stehen. Hinzu kommt: Sanktionen? Fehlanzeige! Fazit: Die Schwarze Liste der Steuerparadiese ist ein Musterbeispiel für mangelnden Mut und Entschlossenheit.
Was gestern beschlossen wurde, das reicht bei Weitem nicht, findet auch L'Echo. Sagen wir mal so: Es gibt gute Gründe, an der Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Engagements der EU-Staaten zu zweifeln. Wenn nicht schnellstens sichtbare Resultate im Kampf gegen Steuerflucht erzielt werden, dann muss die Union einen Gang höher schalten. Ansonsten sind Bereiche wie Kultur, Bildung oder Gesundheit bald ernsthaft in Gefahr.
De Standaard sieht das ähnlich: Man mag es vielleicht einen Schritt in die richtige Richtung nennen, es geht aber zu langsam voran und bleibt ungerecht. Die EU-Staaten spannen den Ochsen hinter den Pflug. Logisch wäre, wenn man erst einmal vor der eigenen Haustür kehren würde. Jeder weiß, dass einige EU-Staaten eindeutig als Steuerparadiese bezeichnet werden können. Was lernen wir daraus? Dass sich die Staaten gegenseitig unterbieten und die Latte immer tiefer legen, das ist in der EU nach wie vor der Normalzustand.
Schiffbruch im unteren Mittelfeld
Viele Zeitungen registrieren erschrocken die Ergebnisse der jüngsten Iglu-Studie, die die Lesekompetenz von Viertklässlern untersucht hat. Die belgischen Schüler schneiden dabei außerordentlich schlecht ab: Die kleinen Flamen landen auf Platz 32, die Frankophonen sogar auf Platz 35.
Das Ergebnis fühlt sich an, als bekäme man einen nassen Wischlappen um die Ohren gehauen, meint De Morgen. Das Niveau, das das flämische Unterrichtswesen eigentlich anstrebt, hat Schiffbruch erlitten und ist im unteren Mittelfeld gestrandet. Und einfache Erklärungen, die in einen Satz passen würden, die gibt es leider nicht. Nicht nur in Flandern gibt es Smartphones und Tablets oder kennen die Kinder Youtube und Cartoon-Kanäle. Wenn wir jetzt eines wissen, dann, dass die Latte höher gelegt werden muss.
Wir stehen mit Eselsohren in der Ecke, beklagt auch Het Nieuwsblad. Unter 45 Ländern landen unsere Zehnjährigen in punkto Lesekompetenz mal eben auf Platz 32. Jeder, der in den letzten zehn Jahren irgendeine Verantwortung im Unterrichtswesen getragen hat, sollte mal in sich gehen. Ein erster Lösungsansatz wäre wohl, den Unterricht unterhaltsamer zu gestalten. Lasst die Kinder Harry Potter lesen, empfiehlt Het Nieuwsblad.
Wir dürfen uns auf jeden Fall nicht mit diesen katastrophalen Ergebnissen abfinden, mahnt auch La Libre Belgique. Hier sind alle gefragt: die Schulen, aber auch die Eltern. Wir müssen unseren Kindern Lust am Lesen vermitteln. Denn hier geht es auch um die Zukunft der Demokratie: Ein Kind, das liest, das wird ein Erwachsener, der denkt.
Roger Pint