"Unsere Atomkraftwerke entsprechen nach wie vor nicht den Normen", titelt Le Soir. Vor einigen Jahren hatte die WENRA, die Vereinigung der europäischen Atomaufsichtsbehörden, unter dem Eindruck der Nuklearkatastrophe von Fukushima, unter anderem neue Empfehlungen zum Erdbebenschutz beschlossen. Demnach muss jedes Atomkraftwerk Erdstößen standhalten können, die eine Bodenbeschleunigung von 0,1 g auslösen.
Bekannt ist, dass mindestens die Reaktoren Doel eins und Doel zwei dieser Auflage nicht genügen. Bislang ist diese Empfehlung in Belgien aber nicht rechtsverbindlich. Die Föderale Agentur für Nuklearsicherheit, FANK, hatte aber für das laufende Jahr ein entsprechendes Gesetz versprochen. "Dieses Gesetz existiert aber immer noch nicht", beklagt Le Soir.
"Weg damit!"
"Der Belgier geht mit ungesund lebenden Mitbürgern hart ins Gericht", so derweil die Aufmachergeschichte von De Standaard. Das Blatt hat eine neue Studie einsehen können. Demnach hat eine Mehrheit der Belgier keinerlei Verständnis für gesundheitsschädliches Verhalten, insbesondere wenn es Kinder und Jugendliche betrifft.
De Standaard formuliert es so: "Rauchen im Beisein von Kindern? Bier trinken unter 18? Weg damit!" Konkret: Viele Bürger haben prinzipiell kein Problem damit, wenn der Staat hier regulierend tätig wird. Nur ein Viertel der Belgier betrachtet staatliche Einmischung in das Privatleben zum Wohle der Gesundheit als problematisch. "Die Belgier akzeptieren, dass sich der Staat in ihre Gesundheit einmischt", so auch das Fazit von Le Soir.
Die kopernikanische Revolution lässt auf sich warten
"Das Eurostadion soll doppelt so groß werden wie ursprünglich vereinbart", titelt seinerseits Het Laatste Nieuws. Die Zeitung hat nach eigener Aussage bislang unbekannte Dokumente einsehen können. Daraus geht hervor, dass sich die Projektverantwortlichen offensichtlich nicht an bisherige Absprachen halten und versuchen, ihren Willen quasi durch die Hintertür durchzuboxen. "Damit ist die Chance gering, dass es doch noch eine Baugenehmigung für die nationale Arena geben wird", glaubt Het Laatste Nieuws.
Ein neues Stadion ist aber Grundbedingung dafür, dass Brüssel einer der Austragungsorte der EM 2020 wird. Der Europäische Fußballverband UEFA will an diesem Donnerstag über die Spielstandorte entscheiden. Weil Brüssel zunehmend fraglich ist, läuft sich offenbar schon hinter den Kulissen die schwedische Hauptstadt Stockholm warm.
Für die Hauptstadt wäre das ein weiterer Rückschlag. In Le Soir zeichnet der frühere Chef der Brüsseler Nahverkehrsgesellschaft STIB im Übrigen ein düsteres Bild der Metropole. Für Alain Flausch droht Brüssel der Verkehrsinfarkt. Der Hauptstadt und ihren Politikern fehle es demnach an Vision und Ambition.
Man sollte den Wutanfall von Alain Flausch ernstnehmen, empfiehlt Le Soir in seinem Leitartikel. Auf die Gefahr hin, in Anti-Politik abzugleiten, aber man muss doch zugeben, dass in Brüssel Reformen und geplante Großprojekte viel zu oft im Sande verlaufen. Das gilt im Übrigen für das ganze Land. Genau das Gleiche hatten schon vor anderthalb Jahren auch Industriekapitäne beklagt, allen voran der Ex-Postchef Johnny Thijs. Energie, Mobilität, Vergreisung: In diesem Land lässt die kopernikanische Revolution leider auf sich warten.
Auch De Morgen befasst sich insbesondere mit dem Zustand der Hauptstadt: Der Großraum Brüssel ist inzwischen quasi permanent verstopft. Brüssel ist mehr denn je eine Metropole, zentraler Anziehungspunkt für eine immer größer werdende Vorstadt. Und doch denkt niemand darüber nach, schnelle Metro- oder Tramverbindungen von außen nach Brüssel hineinzuführen. Schuld sind das institutionelle Gerangel, aber vor allem die politische Lasagne in Brüssel. Jeder muss einsehen: Für Flandern und die Wallonie gibt es keine Zukunft ohne Brüssel, und umgekehrt.
Das GrenzEcho beschäftigt sich in seinem Kommentar ebenfalls mit der institutionellen Zukunft der Hauptstadt. Anlass ist ein Vorstoß der flämischen Sozialisten, SP.A, die vor einigen Tagen einen Zukunftsplan für Brüssel vorgelegt hatten. Quintessenz: Besagte institutionelle Lasagne sollte ausgedünnt werden. Unter anderem sollen die 19 Stadtgemeinden verschwinden.
Von frankophoner Seite gab es sofort eine klare Absage. Ob nun eine Stadt-Region, die Verschmelzung aller Gemeinden und Polizeizonen, das Allheilmittel ist, das sei dahingestellt, meint das Blatt. Aber der Vorschlag der SP.A hätte zumindest das Verdienst gehabt, die Debatte anzustoßen. Schade um die vertane Chance.
Tax-Shift und CDH-Generalmobilmachung
"Belgien ist für die Arbeitgeber etwas weniger kostenintensiv geworden", schreibt derweil Het Belang van Limburg auf Seite eins. Hintergrund ist der sogenannte Tax-Shift, über den die Lohnnebenkosten gesenkt wurden. Der föderale Finanzmister Johan Van Overtveldt darf stolz auf seine Bilanz sein, meint die Zeitung in ihrem Leitartikel. Jeder muss zugeben, dass dieser Tax-Shift nötig war, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe auf ein "normales" Niveau zu bringen.
Und doch gibt es zwei Probleme. Erstens: Der Tax-Shift ist nicht vollständig gegenfinanziert. Und zweitens: Wichtig ist auch, was der Staat mit den von ihm kassierten Steuergeldern macht. Die Steuern sind nicht immer zu hoch, manchmal geht der Staat einfach nur schlecht mit dem Geld um.
Einige frankophone Zeitungen schließlich kommentieren den CDH-Kongress vom vergangenen Wochenende. Die Zentrumshumanisten wollten sich für die Kommunalwahlen 2018 aufstellen. "Die CDH versucht die Generalmobilmachung", notiert La Libre Belgique, wohl auch vor dem Hintergrund nach wie vor schwächelnder Umfragewerte.
L'Avenir warnt die Partei seinerseits vor einer drohenden Isolation. Gerade erst hat die CDH bekräftigt, auf föderaler Ebene weiterhin keine Koalition mit der N-VA eingehen zu wollen. Mit der PS will man ja auch nicht mehr zusammenarbeiten. Wer immer mehr Parteien grundsätzlich ausschließt, der steht am Ende alleine da.
Roger Pint