"Griechische Tragödie in Den Haag", titelt De Standaard. "Er nahm lieber Gift, als ins Gefängnis zu gehen", so die Schlagzeile von De Morgen und Het Laatste Nieuws. "…und dann wählte er seine eigene Strafe", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
"Er", das ist der bosnisch-kroatische Ex-General Slobodan Praljak. Der war am Mittwoch vom Jugoslawien-Tribunal in Den Haag wegen Kriegsverbrechen im Bosnien-Konflikt zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Der 72-Jährige wollte das Urteil aber nicht hinnehmen. Nachdem er noch einmal seine Unschuld beteuert hatte, zog er ein kleines Fläschchen hervor, öffnete es und trank es vor allen Augen im Gerichtssaal in einem Zug aus. "Herr Richter, ich habe soeben Gift getrunken", zitiert De Standaard den Verurteilten.
"Er nahm Gift nach dem Vorbild von Sokrates", notiert Het Nieuwsblad und verweist damit auf den Schierlingsbecher, den der griechische Philosoph gezwungen war zu trinken. Viele Zeitungen bringen Fotos von genau diesem Moment auf ihren Titelseiten. Slobodan Praljak ist jedenfalls wenig später in einem Krankenhaus in Den Haag gestorben.
Bald 6.000 Euro steuerfrei?
L'Echo macht am Donnerstag mit einer Schlagzeile auf, die der Mitte-Rechts-Koalition in Brüssel gefallen wird: "Allein die Maßnahmen der Regierung Michel werden mindestens 150.000 Arbeitsplätze schaffen", schreibt das Blatt. Das jedenfalls hat der Unternehmerverband FEB ermittelt. Demnach ist das Wirtschaftswachstum höchstens für ein Drittel aller neuen Jobs verantwortlich.
Apropos Föderalregierung. Einige Zeitungen beschäftigen sich mit den Plänen der Koalition, wonach jeder pro Jahr bis zu 6.000 Euro steuerfrei hinzuverdienen darf. Diese Möglichkeit würde also für alle gelten, für Arbeitnehmer, für Selbstständige und auch für Pensionierte. Die Regierung will damit auf den Zug der sogenannten Gig-Economy aufspringen, notiert De Morgen. Gemeint sind damit punktuelle Dienstleistungen, die etwa von Internetplattformen wie Uber oder Deliveroo angeboten werden. Diese Leute sind in der Regel nicht angestellt, demzufolge auch nicht sozialversichert und werden pro Dienstleistung bezahlt.
Dass der Staat sich auf neue Wirtschaftsmodelle einstellt, ist prinzipiell lobenswert, meint De Morgen in seinem Leitartikel. Ob er dabei den richtigen Weg gewählt hat, das ist eine andere Frage. Hier besteht nämlich das Risiko, dass die Sozialsysteme auf Dauer ausgehöhlt werden, dass man eine Klasse von unversicherten und unterbezahlten Menschen schafft, sogenannte working poor, arbeitende Arme.
Het Belang van Limburg sieht das genauso. Man sieht schon vor seinem inneren Auge die Arbeitgeber eine Rechnung aufmachen, nach dem Motto: Wir brauchen einen Angestellten eigentlich nur noch an vier Tagen, den fünften Tag geben wir dann einem dieser digitalen Tagelöhner; und damit sparen wir ein Fünftel der Sozialbeiträge. Wenn das Schule macht, dann trägt quasi die ganze Gesellschaft nur noch vier Tage zur sozialen Sicherheit bei; gleiches gilt im Übrigen für das Steueraufkommen.
Bremser und Saboteure?
Nicht umsonst haben die Sozialpartner diese Pläne in seltener Geschlossenheit abgeschossen. Arbeitgeber und Gewerkschaften sind strikt gegen eine solche Regelung. Das ist ja geradezu rührend, frotzelt Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass auch Arbeitgeber beziehungsweise Gewerkschaften immer in erster Linie die eigenen Interessen vor Augen haben. Und dann erst das Allgemeinwohl.
Bester Beweis ist die Tatsache, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften Hand in Hand über Jahre hinweg das System der Frühpensionen überreizt haben. Viel zu oft wirken die Sozialpartner wie konservative Kräfte, die mit beiden Füßen auf der Bremse stehen und sich jeglichem Fortschritt verschließen. Sollte sich die Regierung über ihre Meinung hinwegsetzen, dann wäre das jedenfalls ein durchaus mutiger Akt.
Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass diese Regierung Empfehlungen missachtet, stellt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel fest. Jüngstes Beispiel: Gerade hat der Staatsrat die geplante Steuer auf Wertpapierdepots in ihrer derzeitigen Form verworfen. Die Regierung ist zwar dazu angehalten, entsprechende Korrekturen vorzunehmen. Wie zuvor schon bei der sogenannten Cayman-Steuer steht aber zu befürchten, dass der zuständige Finanzminister Johan Van Overtveldt den Empfehlungen nur halbherzig nachkommt.
Resultat ist jedenfalls, dass immer noch niemand so ganz genau weiß, was die Steuer auf Wertpapierdepots genau beinhalten wird. Nicht auszuschließen ist zudem, dass der Verwaltungsgerichtshof die Steuer am Ende für illegal erklärt. Man könnte fast meinen, dass Van Overtveldt alle Maßnahmen torpediert, die seiner Partei nicht passen.
Starrköpfiger Stillstand in Brüssel?
"Die SP.A will Brüssel neu erfinden", so die Aufmacher-Geschichte von Le Soir. Die flämischen Sozialisten haben also anscheinend einen wirklichen Plan für die Hauptstadt. Unter anderem sollen demnach die Gemeinden verschwinden; damit verbunden wären auch deutlich weniger politische Amtsträger. Insgesamt könnte man damit knapp eine Milliarde Euro einsparen.
"Sollten wir nicht doch wenigstens mal darüber nachdenken?", fragt sich Le Soir in seinem Leitartikel. Denn man muss doch zugeben, dass die Frankophonen quasi reflexartig alle Vorschläge zur Straffung der Brüsseler Institutionen ablehnen, und das nur, weil sie von Flamen formuliert wurden. Brüssel verdient aber mehr als starrköpfigen Stillstand, gepaart mit Realitätsverneinung.
Einige flämische Zeitungen bringen schließlich noch eine typisch belgische Geschichte aus der Welt des Fußballs. Beim Pokalspiel zwischen KV Mechelen und dem RC Genk waren gleich zwei Schiedsrichter verletzungsbedingt ausgefallen. Man entschied sich für eine fast unglaubliche Lösung: Ein Zuschauer übernahm die Rolle des Linienrichters. Die Schlagzeile unter anderem auf Seite eins von Gazet van Antwerpen: "Ein Referee aus dem Publikum rettet das Spiel".
Roger Pint