"Das Jugoslawien-Tribunal gibt ein letztes Mal lebenslänglich", so die Schlagzeile auf Seite eins von Het Laatste Nieuws. "Lebenslänglich für den 'Schlächter' Mladic", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins. "Ratko Mladic des Völkermordes für schuldig befunden", notiert La Libre Belgique.
Das UN-Jugoslawien-Tribunal in Den Haag hat den früheren Serben-General Ratko Mladic zu lebenslanger Haft verurteilt. Mladic war im Bosnienkrieg unter anderem verantwortlich für die Belagerung von Sarajevo mit rund 10.000 Toten; unter seiner militärischen Führung wurden auch in der UN-Schutzzone Srebrenica bis zu 8.000 Zivilisten exekutiert.
"Der Krieg ist noch immer nicht vorbei"
"Nach der Verurteilung von Mladic kann der Balkan endlich trauern und die Vergangenheit verarbeiten", schreibt L'Echo auf Seite eins. Allerdings sind die Wunden noch längst nicht verheilt. "Der Schlächter von Bosnien bleibt für viele bosnische Serben ein Held", konstatiert etwa De Standaard auf Seite eins.
"Der Krieg ist noch immer nicht vorbei", glaubt auch L'Avenir in seinem Leitartikel. Nachdem mit Mladic der letzte Verantwortliche für die Kriegsverbrechen in Bosnien abgeurteilt worden ist, wäre der Gerechtigkeit eigentlich Genüge getan. Das allerdings ist die Theorie. Der Balkan und insbesondere Bosnien-Herzegowina sind noch nicht zur Ruhe gekommen. Eine wirkliche Perspektive für Bosnien als ein befriedetes Land, das eine kollektive und multikulturelle Vision hat, diese Perspektive gibt es noch nicht.
Aber immerhin wurde Mladic verurteilt, meint La Libre Belgique. Die Internationale Gemeinschaft hat nicht lockergelassen. Zehntausende muslimische und kroatische Deportierte. Tausende zivile Opfer; junge Frauen systematische vergewaltigt, junge Männer erschossen. Diese ethnische Säuberung in Bosnien durfte nicht ungesühnt bleiben. Dass am Ende auch Mladic verurteilt wurde, ist übrigens auch einem Belgier zu verdanken, nämlich dem Chef-Ankläger Serge Brammertz.
Denn das gestrige Urteil ist nicht selbstverständlich, analysiert De Morgen. Vor 20 Jahren, als das Jugoslawien-Tribunal gegründet wurde, schien es noch unrealistisch, dass die Hauptverdächtigen sich irgendwann mal vor einem Richter verantworten müssten. Milosevic war noch im Amt; Leute wie Mladic oder Karadzic liefen unbehelligt frei herum, geradezu angebetet von ihren Landsleuten. Der damalige Pessimismus hat sich aber zum Glück als unbegründet erwiesen. Das sollte auch anderen Verbrechern eine Warnung sein. Die internationale Strafgerichtsbarkeit ist unumkehrbar.
Übrigens: De Standaard bringt heute ein ausführliches Interview mit dem aus dem aus Eupen stammenden Chef-Ankläger Serge Brammertz.
Tödlicher "Silikon-Stau"
"Der Silikon-Stau", so derweil die Aufmacher-Geschichte von Gazet van Antwerpen. Diese Wortschöpfung bezieht sich auf einen regelrechten Monster-Stau, der den Antwerpener Ring gestern den ganzen Tag lang verstopft hatte. Ein Lastwagen hatte auf einer Länge von einem Kilometer eine Ladung Silikon verloren. Die Säuberung der Straße erwies sich als unmöglich. Am Ende entschloss man sich für eine extreme Lösung: Die Fahrbahndecke wurde abgefräst. Zu allem Überfluss war am Abend ein LKW auf das Stau-Ende aufgefahren; mit dramatischen Folgen: "Der Silikon-Stau fordert zwei Menschenleben", titelt Het Nieuwsblad.
Gestern gab's auch massive Probleme auf dem Brüsseler Ring; in dieser Woche wurde im Übrigen der diesjährige Rekord aufgestellt: 450 Kilometer Stau im morgendlichen Berufsverkehr. Nicht zuletzt wegen der LKW-Maut betrifft das Problem auch mehr und mehr den ländlichen Raum. "Herr Minister, tun Sie endlich was", fordern auf der Titelseite von De Morgen einige flämische Bürgermeister.
Belgien ist längst der Champion des Stillstandes, beklagt auch La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Pro Jahr verbringt der Belgier 44 Stunden im Stau; das ist mehr als eine Arbeitswoche. Und auch die Arbeitgeber sind es leid. Wann ergreift die Politik endlich entschlossene Maßnahmen? Oder müssen wir erst warten, bis der Verkehr komplett zusammenbricht?
Kein blauer Dunst im Auto
Apropos Auto: "Auch in Flandern kommt ein Rauchverbot im Wagen mit Kindern", titelt Het Belang van Limburg. Die flämische Regierung will damit also dem wallonischen Vorbild folgen.
"Na bitte, es geht doch!", jubelt Gazet van Antwerpen. Die Regionen machen jetzt das, wozu der Föderalstaat offensichtlich nicht im Stande ist. Das Problem auf föderaler Ebene ist nämlich, dass man eigentlich ein größeres Maßnahmen-Paket für den Kampf gegen den Tabakkonsum vorlegen will. Und in einigen Teil-Aspekten gibt es noch Meinungsverschiedenheiten. Das ist mal wieder typisch! Viel zu oft enden die besten Vorsätze in endlosem Palaver.
Ein Rauchverbot in Autos mit Kindern, das ist zwar zweifellos eine gute Sache, aber auch ein bisschen scheinheilig, meint seinerseits De Standaard. Schnelle, punktuelle Verbote sind einfach, zeugen aber nicht von Vision. Wenn's etwa um die allgemeine Luftqualität in unseren Städten geht, dann sind die Politiker deutlich weniger ambitioniert.
Brüssel: Rückkehr der Vernunft?
Einige Zeitungen schließlich kommen nochmal zurück auf die politische Aufarbeitung der Brüsseler Ausschreitungen. Im zuständigen Kammer-Ausschuss hatte Innenminister Jan Jambon seinen bisherigen Standpunkt nuanciert. Unter anderem räumte er ein, dass eine Fusion der sechs Brüsseler Polizeizonen kein Wundermittel wäre und auch nicht von oben herab dekretiert werden dürfe. "Endlich kehrt wieder Vernunft ein", freut sich Le Soir. Endlich beschränkt man sich nicht mehr auf plausible anmutende Scheinlösungen. Warum nicht gleich so?
Het Laatste Nieuws sieht das ganz anders. Jan Jambon beugt sich offensichtlich dem Premier und damit der frankophonen Position. Dies wohl im Sinne des gemeinschaftspolitischen Friedens. Das stinkende Brüsseler Status Quo nimmt dafür selbst die N-VA in Kauf.