"Die Polizei hat wirklich alles falsch gemacht", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Die Brüsseler Polizei war nicht vorbereitet", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins.
Innenminister Jan Jambon hat Freitag einen ersten Bericht der Allgemeinen Polizeiinspektion vorgelegt, die die Ausschreitungen vom vergangenen Samstag untersucht hat. Aus dem Mund von Jan Jambon fällt das Ergebnis ziemlich katastrophal aus.
Die Brüsseler Polizei sei demnach auf spontane Ausschreitungen nicht vorbereitet. Am vergangenen Samstag sei zudem die zur Verfügung stehende Verstärkung aus anderen Polizeizonen der Hauptstadt nicht abgerufen worden; stattdessen wurden zusätzliche föderale Beamte aus Antwerpen angefordert.
Insgesamt habe der Überblick gefehlt; konkret bedürfe es einer zentralen Kommandostruktur in der Hauptstadt. Zwischen den Zeilen kommt das der flämischen Forderung nach einer Fusion der sechs Brüsseler Polizeizonen nahe.
Es geht auch anders in Molenbeek
Eben in Brüssel will man all diese Kritikpunkte aber nicht so stehen lassen. "Offener Konflikt zwischen Jambon und der Brüsseler Polizei", titelt jedenfalls Le Soir. In der Zeitung werfen sowohl politische Verantwortliche der Brüsseler Polizeizonen als auch Vertreter der Ordnungskräfte dem Innenminister eine einseitige Lesart vor.
La Libre Belgique beklagt in ihrem Leitartikel, dass Brüssel eigentlich immer nur in ein negatives Licht gestellt wird. Natürlich gab's die Ausschreitungen; und das gleich zweimal innerhalb von fünf Tagen. Doch passieren in den Problemvierteln auch noch ganz andere Dinge.
Nur ein Beispiel: Am Donnerstag, also am Tag nach den gewaltsamen Übergriffen auf der Place de la Monnaie, wurde in Molenbeek eine Ausstellung eröffnet, bei der der bekannte französische Karikaturist Plantu zusammen mit Kollegen aus Syrien, Tunesien und Israel ihre Werke präsentiert. Dabei geht es im Wesentlichen um das friedliche Zusammenleben, den Dialog.
Während also einige wenige zerstören und spalten, engagieren sich andere für Toleranz. Leider ziehen aber nur die Randalierer die Blicke auf sich.
Schwarze Null ist noch möglich
"Die N-VA gibt einen ausgeglichenen Haushalt noch nicht auf", so derweil die Aufmacher-Geschichte von Het Belang van Limburg. Das Blatt bringt ein ausführliches Interview mit dem N-VA-Finanzminister Johan Van Overtveldt. Der äußert sich im Übrigen heute auch in Le Soir.
Seine Botschaft ist zweimal die gleiche: Die schwarze Null ist noch möglich. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten aber die öffentlichen Ausgaben weiter beschnitten werden. Heißt im Klartext: Van Overtveldt plädiert für eine neue Sparrunde. Und er nennt auch eine Zahl: Für ihn können die öffentlichen Ausgaben um insgesamt bis zu 30 Milliarden Euro gekürzt werden.
So, so, ein ausgeglichener Haushalt wäre also doch noch im Bereich des Möglichen, konstatiert Het Belang van Limburg. Warum versucht man es dann nicht? Grund dafür ist wohl, dass langsam aber sicher Wahlen anstehen und dass die Mehrheitsparteien es deshalb nicht wagen, weiter die Sparschraube anzuziehen.
Die Politik scheint also jetzt schon zu erlahmen; stellt sich die Frage, wer denn in den nächsten zwei Jahren regieren wird. Die Mehrheits-Politiker denken offensichtlich schon an ihre Pöstchen von morgen.
"Nicht strafbar, aber unannehmbar"
In Flandern schwillt derweil seit einigen Tagen eine Polemik um eine exklusive Geburtstagsfeier, die vor einigen Tagen in einem exklusiven Restaurant stattgefunden hat. Eingeladen hatte ein ebenso bekannter wie mächtiger Antwerpener Bauunternehmer. Auf der Gästeliste stand quasi die Crème de la Crème, insbesondere der Antwerpener Politik, darunter der N-VA-Bürgermeister Bart De Wever zusammen mit seinem Kabinettschef und mehreren Schöffen.
Ans Licht kam das erst durch geheime Filmaufnahmen, die das Internet-Portal Apache veröffentlicht hat. "Geburtstagsfestchen erhitzt die Gemüter", so resümiert es Gazet van Antwerpen. Dies spätestens, seit Groen eine Befangenheitsklage gegen die Antwerpener Stadtverantwortlichen eingereicht hat.
Per se ist die Teilnahme an einer solchen Feier nicht strafbar, sagt ein Politikwissenschaftler in Het Nieuwsblad; was nicht heiße, dass es moralisch in Ordnung wäre. "Nicht strafbar, aber unannehmbar", so das Fazit in Form einer Schlagzeile. De Wever selbst erklärte lediglich, die Vorwürfe seien zu lächerlich, um darauf zu reagieren.
Der Vorgang ist alles andere als lächerlich, wiederspricht Het Nieuwsblad in seinem Kommentar. Es ist vollkommen legitim, sich die Frage zu stellen, wie weit die guten Kontakte zwischen Politikern und Privatunternehmern tatsächlich gehen. Jeglicher Eindruck von Parteilichkeit untergräbt die Glaubwürdigkeit. Einige haben das offensichtlich noch nicht kapiert.
Ein verschworenes Clübchen?
De Standaard formuliert es nüchterner: Zu offensichtliche Kontakte zwischen der Politik und der Geschäftswelt können beim Bürger den Eindruck schaffen, dass es sich da letztlich um ein verschworenes Clübchen handelt. Natürlich muss es Kontakte geben, zwischen der Politik und der Wirtschaftswelt. Es muss aber wenigstens erlaubt sein, Fragen zu stellen, wie weit diese Kontakte tatsächlich gehen. Das ist nicht lächerlich, sondern unvermeidlich.
Moral ist offenbar bei der N-VA eine Frage des Blickwinkels, meint sinngemäß Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Wir erinnern uns: Als Fotos auftauchten, auf denen der sozialistische Bürgermeister von Gent, Champagner schlürfend auf der Jacht eines örtlichen Geschäftsmanns zu sehen war, forderte die N-VA demonstrativ empört den Rücktritt des Bürgermeisters.
Und jetzt ist es plötzlich das normalste der Welt, sich von einem Bauunternehmer einladen zu lassen, der noch dazu in den letzten Jahren einige sehr lukrative Projekte in der Schelde-Stadt an Land gezogen hatte. Vielleicht ist das nicht illegal. Der reine Anschein von Parteilichkeit reicht aber schon, um das Vertrauen in die Politik einmal mehr zu beschädigen.
De Morgen sieht das ähnlich. Es ist nicht verboten, dass Spitzenpolitiker einem exklusiven Festchen beiwohnen, zu dem ein allseits bekannter Unternehmer eingeladen hat. Genauso wenig, wie es verboten ist, auf einer Jacht an der Côte-d'Azur mit einem Geschäftsmann anzustoßen. Nein, verboten ist das nicht. Es ist aber mindestens ernüchternd.
Politiker bewegen sich nach wie vor offensichtlich gerne in diesem Halbschatten. Und das gilt auch für die N-VA, die doch eigentlich mit den Methoden der Vergangenheit brechen wollte.
rop/jp - Bild: Laurie Dieffembacq (belga)