"Brüssel leckt seine Wunden", titelt De Standaard. "Mein Geschäft wurde innerhalb von 30 Sekunden völlig verwüstet", sagt ein Ladenbesitzer auf Seite eins von Het Nieuwsblad. "Ich sah den blanken Hass in ihren Augen", zitiert Het Laatste Nieuws einen Augenzeugen auf Seite eins.
De Morgen bringt heute eine Reportage aus den Brüsseler Problemvierteln und lässt dabei vor allem Jugendliche zu Wort kommen. Einige von ihnen haben eine klare Meinung über die Randalierer: "Das sind doch nur Bekloppte, die sich weigern, erwachsen zu werden".
"Ein Schlagstock löst nicht alle Probleme"
Die Föderalregierung will jetzt jedenfalls hart durchgreifen, wie auch das GrenzEcho auf seiner Titelseite hervorhebt. Unter anderem wurde ein neuer "Aktionsplan" in Aussicht gestellt. Premier Charles Michel versprach eine Politik der Null-Toleranz. "Ein Schlagstock löst aber nicht alle Probleme", zitiert Het Laatste Nieuws einen Kriminologie-Professor. Auch La Libre Belgique geht der Frage nach, ob eine Politik der Null-Toleranz wirklich das Patentrezept im Kampf gegen die Gewalt in Städten ist.
Le Soir jedenfalls bescheinigt der Föderalregierung auf seiner Titelseite sinngemäß eine "sicherheitspolitische Hysterie". Und in La Libre Belgique nimmt der Brüsseler Bürgermeister Philippe Close seine Ordnungskräfte in Schutz: "Wir müssen jetzt den Unruhestiftern den Prozess machen, nicht der Polizei", sagt der PS-Politiker, der bei der Gelegenheit darauf hinweist, dass 400 Polizisten-Stellen in Brüssel derzeit nicht besetzt seien.
Close reagiert damit auf die heftige Kritik insbesondere auf flämischer Seite an den Brüsseler Behörden in ihrer Gesamtheit. Doch auch heute feuern einige Zeitungen aus dem Norden des Landes wieder aus allen Rohren.
Die Brüsseler Verantwortlichen suchen den Fehler nach wie vor nicht bei sich selbst, giftet kopfschüttelnd Het Laatste Nieuws. Stattdessen kommt der Brüsseler PS-Bürgermeister jetzt wieder mit der alten Leier, wonach der armen Hauptstadt mal wieder die Mittel fehlten. Allein die Zone Brüssel Hauptstadt zählt 2.200 Polizisten. Wenn man damit kein Feuerchen gelöscht bekommt, dann hat das wohl eher mit politischem Unvermögen zu tun. Wenn schon Null-Toleranz, dann für inkompetente und inkonsequente Politiker. "Bruxelles, ma belle, es gibt keine Entschuldigungen mehr", schimpft Het Laatste Nieuws.
"Krebsgeschwür" muss wegoperiert werden
De Standaard glaubt, eine beängstigende Entwicklung beobachtet zu haben. Es sind nicht die ersten Ausschreitungen, die Brüssel erschüttern. Was aber neu ist, das ist die fast zügellose Wut, die Arroganz der faktischen Straffreiheit. Das Risiko ist inzwischen groß, dass hier ein soziologischer Deich brechen könnte. Und das mitten im Herzen der Hauptstadt, wo ja bekanntermaßen die Banlieue nicht weit ist, in Frankreich etwa befinden sich solche Problemviertel in den Vorstädten. Diese soziale Krankheit wird dann nochmal verstärkt durch die Unfähigkeit der Brüsseler Politiker.
Wenn Innenminister Jan Jambon von einem "Krebsgeschwür" spricht, das entfernt werden muss, dann hat er doch recht, meint auch Het Nieuwsblad. In einem solchen Fall ist ein drastischer chirurgischer Eingriff nötig. Sprich: Null-Toleranz. Aber, um im Bild zu bleiben: Nach der Operation folgt die Reha, die Nachsorge. Im vorliegenden Fall heißt das: Prävention und Dialog. Anderenfalls könnte der Patient Brüssel einen Rückfall erleiden.
Auch L'Echo ist davon überzeugt, dass jetzt ein für alle Mal klare Grenzen gesetzt werden müssen. Der Alltag in Brüssel wird schon seit längerer Zeit vergiftet. Das ist das Werk einer kleinen Minderheit von Nichtsnutzen: Kleine Bengel, die mit jeder kleinen Straftat aber immer mehr das Gefühl bekommen, unantastbar zu sein. Das Resultat sind dann Entgleisungen wie in den vergangenen Tagen.
"Wahnvorstellungen" bei flämischen Politikern?
La Libre Belgique unterstellt gewissen flämischen Politikern und Journalisten "Wahnvorstellungen". Natürlich sind die Ausschreitungen absolut inakzeptabel. Natürlich gehören die Unruhestifter bestraft. Brüssel hat aber nicht das Monopol auf solche Vorfälle. Vor einigen Wochen gab es ähnliche Ausschreitungen im Antwerpener Problemviertel Borgerhout. Hat da etwa jemand den Rücktritt von Bürgermeister Bart De Wever gefordert? Die derzeitige Kritik aus Flandern kann man auch gewissermaßen als eine Abrechnung mit der ungeliebten, weil frankophon dominierten, Hauptstadt, betrachten. Die flämische Forderung, Brüssel unter Vormundschaft zu stellen und von außen zu verwalten ist jedenfalls absurd.
"Könnten wir uns vielleicht mal bitte beruhigen?", appelliert derweil Le Soir. Eines nach dem anderen! Hier wird schon mit dem Finger auf Schuldige gezeigt, bevor die Vorfälle untersucht worden sind. Hier kommt die Föderalregierung schon mit einem Aktionsplan, bevor die Verantwortlichkeiten ermittelt sind. Dabei können nur wirklich erwiesene Fakten uns dabei helfen, die Hintergründe zu verstehen und entsprechend dann auch Lösungen auszuarbeiten. Beleidigungen und gegenseitige Schuldzuweisungen beziehungsweise abschätzige Kritik von der Seitenlinie, das bringt uns einer Lösung keinen Schritt näher.
Roger Pint