In der Eskalation der Katalonien-Krise sieht De Morgen Spaniens Premier Rajoy in der Verantwortung. Es ist seine Regierung, die Verhandlungen über mehr Autonomie für Katalonien verweigert hat. Es ist seine Regierung, die mit dem Einsatz von "RoboCops" gegen die eigenen Bürger alte Traumata wieder hochkommen lässt. Es ist seine Regierung, die mit der Absetzung der Regionalregierung losgelegt hat. Und es ist seine Regierung, die damit ein Umfeld geschaffen hat, in dem die Inhaftierung von Politikern Realität werden konnte.
Das alles kann nicht oft genug wiederholt werden. Interessanter ist allerdings die Frage, warum Rajoy sich so unbeugsam gibt. Ungeachtet aller Muskelspiele ist Herr Rajoy ein politisch schwacher Premier. Die sozialistische und liberale Opposition könnte seine Minderheitsregierung mit einem Fingerschnippen jederzeit stürzen. Das tut sie aber nicht, obwohl die Katalonien-Krise durchaus einige Anlässe dafür geben könnte.
Das bedeutet, dass das politische Spektrum von sozialistisch bis rechtskonservativ hinter der Vorgehensweise der Regierung steht. Mit gutem Grund: Ein sehr großer Teil der spanischen Bevölkerung will schlicht und ergreifend nicht, dass Katalonien unabhängig wird. Vielleicht denkt Rajoy, deshalb nichts Anderes machen zu können, als das, was seine Wähler von ihm verlangen: keinen Fußbreit nachgeben. Das macht aus ihm noch keinen Möchtegern-Diktator, sondern nur einen ohnmächtigen Politiker, der nicht das tut, was langfristig richtig ist, weil er Angst um seine Wiederwahl hat, kommentiert De Morgen.
Zum selben Thema meint L'Avenir: Man kann den abgesetzten katalanischen Regionalpräsidenten Puigdemont durchaus dafür kritisieren, mit seinen Unabhängigkeitsbestrebungen die europäische Einheit geschwächt zu haben. Man kann ihm auch vorwerfen, systematisch die spanische Regierung provoziert zu haben, ohne wirklich nach einem Modus Vivendi gesucht zu haben. Doch wie dem auch sei, ob man der katalanischen Regierung recht gibt oder nicht, eines ist nicht zu tolerieren: einen politischen Anführer für seine Ideen ins Gefängnis bringen zu wollen, meint L'Avenir.
Brisantes aus dem Paradies
Le Soir beschäftigt sich mit den sogenannten "Paradise Papers". Das Internationale Konsortium investigativer Journalisten hat über 13 Millionen geheime Dokumente aus Steueroasen ausgewertet. Darin tauchen die Namen von Politikern, Superreichen und Unternehmern aus aller Welt auf. Für die Zeitung wird es allerhöchste Zeit, etwas zu tun.
Ob Offshore Leaks, Lux Leaks, Malta Files oder Panama Papers – seit fünf Jahren werden wir mit Enthüllungen über globale Steuervermeidungspraktiken bombardiert. Und ohne, dass sich grundlegend und entschieden etwas daran ändert. Die meisten Politiker hören nicht auf, uns zu versprechen, dass Steuergerechtigkeit mehr als je zuvor eine Priorität nationaler und internationaler Politik sein müsse. Doch wo bleiben die konkreten Gegenangriffe der Herren Van Overtveldt, Geens und Michel?, fragt Le Soir.
Andere Sorgen als die Erwärmung der Erde
Het Belang van Limburg nimmt die jährliche Klimakonferenz in Bonn zum Anlass, nicht nur über den Klimawandel und die Folgen für Mensch, Natur und Umwelt nachzudenken, sondern auch über die anderen Herausforderungen der Globalisierung und der wachsenden Ungleichheit. Es ist eine Welt, in der große Unternehmen und reiche Individuen Hunderte Milliarden in Steuerparadiesen parken, anstatt ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenleben zu leisten. Eine Welt, in der die politische und gesellschaftliche Elite blind ist für die Verlierer von Globalisierung und Kapitalismus. Ein LKW-Fahrer oder Bauarbeiter, der seinen Job verliert, weil sein polnischer oder bulgarischer Kollege für die Hälfte arbeitet, hat andere Sorgen als die Erwärmung der Erde. Und dann wird gejammert, dass Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit zunehmen, stellt Het Belang van Limburg fest.
Antwerpener Polit-Laboratorium und Syrienkämpfer
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit der Rolle Antwerpens vor dem Hintergrund der Kommunalwahlen 2018. Für La Libre Belgique ist die Stadt eine Art politisches Laboratorium: Die Vorherrschaft der N-VA und ihres Chefs Bart De Wever bröckelt. Groen und SP.A haben sich zusammengetan. Und CD&V-Kandidat Kris Peeters verkündete am Wochenende, Bürgermeister der Scheldestadt werden zu wollen.
In Antwerpen, so die Zeitung, spielt sich die Zukunft des ganzen Landes ab. Hinter dem Kampf der Spitzenkandidaten De Wever, Peeters und Van Besien kommen so langsam aber sicher entscheidende Fragen zum Vorschein: Trägt die CD&V zur Niederlage der N-VA bei, ihrem Partner aber auch ihrem größten Feind innerhalb der Föderalregierung? Und könnte die N-VA in Versuchung geraten, den "Cordon sanitaire" um den Vlaams Belang zu brechen und ihren nationalistischen Bestrebungen freien Lauf zu lassen? Die Antworten gibt es ab dem 14. Oktober 2018, so La Libre Belgique.
De Standaard analysiert die großen Herausforderungen durch zurückgekehrte Syrienkämpfer. Mindestens 500 Belgier müssen ein Reintegrationsprogramm nach Maß erhalten. Das könnte eine Sisyphus-Arbeit werden. Einen Arbeitsplatz zu finden, ist für Menschen mit Migrationshintergrund ohnehin schwierig.
Wie wird das dann erst für vorbestrafte Radikalisierte? Deradikalisierungsprogramme können nur funktionieren, wenn die Betroffenen eine Perspektive bekommen. Diese Programme werden oft als zu weich belächelt. Ein repressiver Ansatz gefällt der öffentlichen Meinung besser. Aber eine Gesellschaft, die Radikalisierte abschreibt, legt den Grundstein für lebenslange Ressentiments, mahnt De Standaard.
Volker Krings