"Francken bringt Spanien und Regierung auf die Palme", schreibt Het Laatste Nieuws. Das Angebot von Asylstaatssekretär Theo Francken, dem abgesetzten katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont gegebenenfalls politisches Asyl gewähren zu wollen, schlägt hohe Wellen.
Le Soir meint dazu: Was für eine Dummheit! Das ist die einzige Schlussfolgerung, die man ziehen kann. Mit dieser dummen wie unnötigen Aussage macht Francken Belgien auf der internationalen Bühne lächerlich. Theo Francken hätte allen Grund gehabt, zu schweigen.
Erstens: Premierminister Charles Michel ist dafür zuständig, sich nuanciert zur Katalonien-Krise zu positionieren. Zweitens: Franckens Haltung bringt Belgien in eine delikate Situation gegenüber Spaniens Regierung. Und drittens: Der Staatssekretär ist weder der Außenminister, noch steht ein Asylantrag von Puigdemont auf der Tagesordnung.
Allerdings ist Theo Francken nicht dumm und spielt sein übliches Spiel: Den flämischen Nationalisten macht der N-VA-Politiker mündliche Zugeständnisse und weist später jegliche Schuld von sich. Die Kollateralschäden an seinem Premier, seiner Regierung und seinem Land sind ihm dabei egal, stellt Le Soir fest.
So gelegen wie Zahnschmerzen
Für Premier Charles Michel kommen Franckens Äußerungen so gelegen wie Zahnschmerzen, meint Gazet van Antwerpen. Nach dem "Referendum" in Katalonien war er der einzige europäische Regierungschef, der aus der Deckung kam und das harte Auftreten der spanischen Polizei kritisierte. Das hat man ihm in Madrid übel genommen.
Nach dem Ausrufen der Unabhängigkeit am Freitag twitterte Michel dann auch auffallend diplomatisch und rief zu Dialog und einer friedlichen Lösung auf, mit Respekt vor der nationalen und internationalen Rechtsordnung. Eine Rechtsordnung, die natürlich keinen Platz für das einseitige Ausrufen einer Unabhängigkeit lässt. Michel pfiff Francken dann gestern auch zurück, nicht zum ersten Mal übrigens. Und bat ihn, kein Öl aufs Feuer zu gießen, analysiert Gazet van Antwerpen.
Für De Morgen sind es gerade diese unverantwortlichen Poltereien, die Theo Francken zu einem der populärsten Politiker des Landes gemacht haben. Möglicherweise trägt die Kritik an ihm sogar noch dazu bei. Und möglicherweise geht der Rest der Regierung deshalb auch schweigend darüber hinweg.
Aber manchmal gibt es Momente, in denen die Wichtigkeit der Sache die Jagd nach den Umfragewerten übersteigt. Mit seinem soundsovielten Krawall hat Francken unser Land international zum Außenseiter gemacht. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem Charles Michel sich entscheiden muss, welches seine Rolle als Premier ist: Ist er der Chef der Regierung oder der Aufpasser eines Kabinettmitglieds, das, im Gegensatz zu seinen Parteigenossen Geert Bourgeois oder Jan Jambon, zum wiederholten Mal nicht den Unterschied kennen will zwischen Aktivismus und Regierungsverantwortung?, fragt sich De Morgen.
Francken missbraucht Amt und Asylrecht für Propaganda
L'Avenir kommentiert: Bis heute hat der Staatssekretär für Asyl und Migration immer Entscheidungen getroffen, die seiner Aufgabe widersprechen: Denjenigen Schutz zu bieten, die aus Kriegsgebieten flüchten. Und plötzlich, obwohl Spanien und Katalonien sich nicht im Krieg befinden, spielt er den großen Verteidiger der Genfer Konvention, die jedem Menschen das Recht auf Asyl zuspricht. Indem er den roten Teppich für die einen und den Stacheldraht für die anderen ausrollt, missbraucht unser Staatssekretär das Asylrecht zu Propagandazwecken, schreibt L'Avenir.
Ähnlich sieht das auch La Libre Belgique: Theo Francken liebt das Spiel mit den roten Linien. Das ist Teil seiner bewährten Kommunikationsstrategie, um sich bei den Wählern seiner nationalistischen Partei beliebt zu machen. Und nicht nur dort. Wenn er provoziert, macht er das ausreichend subtil, um sich nicht außerhalb des Gesetzes und seiner politischen Partner zu stellen. Und das, obwohl viele seiner Aussagen, besonders in Sachen Migration, eine Herausforderung sind: für die Justiz und für unsere demokratischen Werte, meint La Libre Belgique.
Separatistische Blindheit und Wunschdenken
Apropos Katalonien: De Standaard kommentiert den Marsch Hunderttausender Katalanen für die Einheit Spaniens in Barcelona. Die separatistischen Freudentänze der vergangenen Tage haben uns beinahe vergessen lassen, dass auch viele Katalanen keine Unabhängigkeit wollen.
Im Gegenteil: Nach einer Umfrage der spanischen Zeitung El País sind gerade einmal 29 Prozent von ihnen für ein unabhängiges Katalonien. Eine Minderheit also. Es scheint, dass die separatistischen Parteien den Willen des Volkes, sich von Spanien zu lösen, überschätzt haben. Nach ihrem Wahlsieg 2015 hielten sie ihre eigenen Wünsche für die Wirklichkeit.
Das "Referendum" mit 90 Prozent der Stimmen für die Unabhängigkeit machte sie blind. Dabei ging weniger als die Hälfte der Katalanen überhaupt abstimmen. Es ist nicht, weil viele Katalanen mehr Autonomie gegenüber Madrid wollen, dass sie auch per se für ein unabhängiges Katalonien sind, analysiert De Standaard.
Volker Krings