Kommen wir zunächst zum Fall Danneels. Dazu einige Schlagzeilen: „Kardinal Danneels zehn Stunden lang verhört“, titelt Le Soir. „Danneels im Schockzustand“, lautet die Balkenüberschrift in Gazet Van Antwerpen. „50 Pädophilen-Opfer klagen Danneels an“, heißt es auf der Titelseite von La Derniere Heure. Und De Standaard sieht den „Kardinal in die Enge getrieben“.
Sämtliche Blätter unterstreichen die außergewöhnliche Dauer von über zehn Stunden. Im Kommentar von La Libre Belgique heißt es, die Vernehmung von Danneels ist insofern logisch, als er zu der Zeit der untersuchten Pädophilie-Vergehen von Priestern an der Spitze der katholischen Kirche Belgiens stand.
Sollte sich herausstellen, dass die führenden Vertreter dieser Kirche sexuelle Missbräuche von Kindern durch Geistliche dem Gericht verschwiegen haben, um die Probleme sozusagen hausintern zu regeln, so wäre dies ein nie da gewesener und besonders schwerwiegender Fehler.
Gilt Beichtgeheimnis als Berufsgeheimnis?
L'Avenir schreibt dazu unter anderem, sollte Kardinal Danneel davon gewusst haben, dann musste er das nicht der Polizei melden, wenn es sich um verjährte Fälle handelte. Waren sie nicht verjährt, so stellt sich das Problem des Beichtgeheimnisses. Die Opfer, die sich ihm anvertraut haben, rechneten zweifellos mit seiner Diskretion. Das Beichtgeheimnis gilt für Kirchenvertreter wie ein Berufsgeheimnis, sodass der Kardinal, nach Ansicht der Zeitung, nicht verpflichtet war, das Vergehen anzuzeigen, wohl aber hatte er die Pflicht, den Opfern sexuellen Missbrauchs beizustehen.
Ganz anderer Ansicht ist diesbezüglich La Derniere Heure, wo es kommentierend heißt, in unserer heutigen modernen Zeit sind die Angehörigen der Kirche zu Bürgern wie jeder andere geworden, eine Entwicklung, die man nur begrüßen kann.
Die Justiz tut ihre Pflicht
Le Soir stellt fest, dass die Justiz die Pädophilie-Vergehen in der Kirche sehr ernst nimmt und sich seit zwei Wochen besonders intensiv damit beschäftigt. Da es solche Vergehen leider gegeben hat, ist das auch ihre Pflicht. Der Justiz vorzuwerfen, sie gehe zu brutal vor, ist sicherlich fehl am Platz, denn wir haben es offensichtlich mit einer der schlimmsten Krisen in der Geschichte der katholischen Kirche überhaupt zu tun. Angesichts dessen ist es nicht übertrieben, selbst einen Kardinal mal zehn Stunden lang zu verhören.
Het Nieuwsblad notiert im gleichen Zusammenhang, praktisch keiner glaubt noch, dass der Kardinal die Wahrheit sagt, wenn er behauptet, von den sexuellen Vergehen zahlreicher Priester nichts gewusst zu haben. Wenn er trotzdem die Wahrheit sagt, dann obliegt es ihm, dies so rasch wie möglich zu beweisen. Sollte er sich jedoch durch Verschweigen von Straftaten schuldig gemacht haben, dann ist ein zehnstündiges Verhör wohl nur eine Kleinigkeit im Vergleich mit dem fürchterlichen Leid, für das er im Falle seiner Schuld mitverantwortlich ist.
Kirche hat Problem der pädophilen Priester falsch behandelt
De Standaard erinnert daran, dass der Kardinal vorerst als Zeuge vernommen wurde. Selbst wenn er angeklagt werden sollte, bedeutet das noch lange nicht, dass er auch schuldig ist. Es scheint jedoch eine Tatsache zu sein, dass die Kirche das Problem pädophiler Priester in der Vergangenheit falsch behandelt hat. Genau dies hat ja der Danneels Nachfolger, Erzbischof Léonard, indirekt zugegeben, als er sagte, die Kirche will das Kapitel beenden, wobei vor nicht allzu langer Zeit bei sexuellen Vergehen von Priestern geschwiegen und vertuscht wurde.
Die Politik muss wieder glaubwürdig werden
Kommen wir zum zweiten Schwerpunktthema der Inlandspresse, der gestrigen Vereidigung der am 13. Juni gewählten Abgeordneten und der direkt gewählten Senatoren im Parlament. Het Belang van Limburg bedauert, dass so viele Ersatzkandidaten den Eid ablegten und fordert deshalb dringend die Revision des Wahlgesetzes. Dabei gilt es, das System der Ersatzkandidaten abzuschaffen. Wer als effektiver Kandidat gewählt wird, muss das Amt annehmen. Tut er es nicht, dann gilt eben der nächst folgende mit den meisten Stimmen als gewählt. Nur so können die Politiker die Glaubwürdigkeit der Politik wieder herstellen.
Gazet Van Antwerpen kommentiert die Tatsache, dass das Wahlergebnis im Wahlbezirk Brüssel-Halle-Vilvoorde gestern von der Mehrheit der Kammer für gültig erklärt wurde. Damit wurde das entsprechende Urteil des Verfassungsgerichtes mit Füßen getreten. Möglich ist dies, weil hierzulande die Volksvertreter als Richter und Partei auftreten, so dass die Zeitung die Frage aufwirft, in wie fern Belgien überhaupt noch ein Rechtsstaat ist.