"Rajoy auf Konfrontationskurs", titelt Het Belang van Limburg. "Rajoy bekommt Freibrief von der EU", heißt es bei De Standaard auf Seite eins. "Die katalanische Krise würzt den EU-Gipfel", so die Schlagzeile von Le Soir. Die neuerliche Zuspitzung des Konflikts in Spanien zwischen der Zentralregierung und Katalonien beschäftigt die Zeitungen auch in ihren Kommentaren.
L'Avenir stellt fest: Nur der luxemburgische Premier Xavier Bettel hat sich gestern auf dem EU-Gipfel an die Seite von Charles Michel gestellt. Auch er hat jegliche Form von Gewalt verurteilt und zum Dialog aufgefordert. Anders die offiziellen Positionen von Angela Merkel und Emmanuel Macron. Sie unterstützen ganz eindeutig Madrid.
Spaniens Premier Rajoy nutzt derweil den Gipfel dazu, weiter für sein Anliegen zu werben. Er will möglichst breite europäische Zustimmung für sein Vorhaben, am Samstag den famosen Artikel 155 anzuwenden. Es sieht so aus, als ob er mit seinem Werben erfolgreich ist. Am Samstag soll aber auch in Katalonien demonstriert werden. Und wenn dann erneut Gewalt aufflammt, wird Charles Michel zweimal überlegen, bevor er einen Tweet aussendet, der als zu katalonien-freundlich gedeutet werden kann, prophezeit L'Avenir.
Michel im Spagat
Die Wirtschaftszeitung L'Echo schreibt: Viele wollten gestern eine Krise zwischen Spanien und Belgien sehen. Ausgelöst durch die Verurteilung der Gewalt in Katalonien von Charles Michel und seinen Aufruf zum Dialog. Rajoy soll darüber verärgert gewesen sein. Aber Michel beruhigte. Es gäbe keine Krise, versicherte er.
Und warum er überhaupt so anders handelt, als die meisten anderen EU-Staaten, ist auch klar: Er kann nicht anders. Dafür sorgt die N-VA, die in Michels Regierungskoalition die stärkste Partei ist. Belgien kann sich deshalb in dem Konflikt nicht klar positionieren. Michel muss einen Mittelweg finden zwischen den Positionen der flämischen Nationalisten und den Positionen der anderen. Er muss quasi einen Spagat vollführen. Eine Übung die Michel perfekt beherrscht, weiß L'Echo.
De Morgen stellt fest: Sollte Rajoy am Samstag den Artikel 155 aktivieren, kann er sich einer breiten Zustimmung in Spanien sicher sein. Im Parlament sowie bei der Bevölkerung. 66 Prozent der Spanier sind laut Umfragen für ein hartes Vorgehen gegen die katalanischen Separatisten. Bei den Wählern von Rajoys konservativer Partei PP sind es sogar 86 Prozent.
Kurz: Rajoys Popularität könnte durch Artikel 155 durch die Decke schießen. Trotzdem wird es dabei bleiben: Auch wenn Rajoy mit Artikel 155 vielleicht zum populärsten Jungchen seines Landes wird, wird er mit seinem harten Vorgehen eine Instabilität geschaffen haben, die eines Regierungschefs unwürdig ist, urteilt De Morgen.
Nationalisten als Opfer
Auch De Standaard warnt vor den Folgen des Artikels 155 und schreibt: Eine autonome Region in eine rebellische Kolonie zu degradieren, ist wohl das dümmste, was Premier Rajoy tun kann. In der Praxis wird das nämlich nicht lange funktionieren und nur die Gemäßigten in die Arme der Extremen treiben. Es wird Neuwahlen geben, denn die sind auch unter Artikel 155 möglich. Dann können sich die Nationalisten als Opfer hinstellen. Die Chance wird noch größer sein, als jetzt, dass sie die Wahlen dann gewinnen. Glaubt Europa wirklich, dass es bei so einem Szenario weiter nur von außen zusehen kann, so kritisch De Standaard.
In Flandern wächst der Widerstand gegen die Schulreform, die ab Herbst 2018 in den flämischen Sekundarschulen greifen soll. Dazu kommentiert Het Nieuwsblad: Mittlerweile ist der Protest so groß, dass es so aussieht, als ob die Regierung Abstand nehmen könnte von dieser Reform. Für Ministerpräsident Geert Bourgeois wäre das wiedermal eine schlechte Botschaft. Denn 2019 muss er im Wahlkampf mit Erfolgen aufwarten.
Doch bislang fällt die Bilanz seiner Regierungszeit nicht sehr gut aus: Das Erreichen der Klimaziele ist so gut wie gescheitert, einen wirklichen Energieplan gibt es nicht. Das Wald-Dekret liegt im Papierkorb. Der Baustopp scheint nicht realisierbar zu sein. Welchen Erfolg wird Bourgeois noch vorweisen können, fragt Het Nieuwsblad.
Ende der Platzierungsspielchen
Le Soir kommt nochmal auf die Pläne der neuen Bahn-Chefin Sophie Dutordoir zurück und schreibt: Dutordoir hat auch deshalb so viel Beifall bekommen, weil sie Probleme offen angesprochen hat. Und alle dazu aufgefordert hat, in größter Transparenz die Bahn fit für die Zukunft zu machen. Diese Botschaft war vor allem an die Politiker gerichtet.
Denn sie haben das Unternehmen Bahn in der Vergangenheit zu oft dafür genutzt, Parteifreunde auf einen gut bezahlten Job zu platzieren. Ohne Rücksicht auf Kompetenzen. Wenn sich das ändert, könnte es etwas werden mit den Plänen von Dutordoir, hofft Le Soir.
La Libre Belgique widmet sich dem Thema Aufklärung und schreibt: In Flandern werden seit Kurzem Schulkindern ab 10 Jahren über eine Internetseite praktische Ratschläge zum Thema Sex gegeben. Dabei geht es nur um Techniken. Über Liebe und Zärtlichkeit wird fast nicht gesprochen. Das ist eine seltsame Art die Kinder auf das Erwachsenenleben vorzubereiten. Das Liebesspiel wird damit auf einige, zum Teil halsbrecherische akrobatische Übungen reduziert, bedauert La Libre Belgique.
Kay Wagner - Foto: Aurore Belot, afp