"Stéphane Moreau bleibt an der Macht", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Moreau wird vom Nethys-Verwaltungsrat ausgeschlossen, bleibt aber der Chef", heißt es bei L'Echo. Und La Libre Belgique titelt: "Stéphane Moreau profitiert von Kakophonie unter den Parteien."
Der umstrittene Geschäftsführer der Lütticher Interkommunalen Nethys darf das Unternehmen weiter leiten. Das beschloss gestern die Generalversammlung von Nethys. Moreau gilt als einer der Hauptverantwortlichen für den Skandal, der Nethys und ihre Muttergesellschaft Publifin erschüttert hat.
Dazu kommentiert Le Soir: Seit Monaten fordern Politiker aller Couleur, allen voran die Parteipräsidenten, dass Moreau nicht mehr Chef von Nethys bleiben darf. Die Untersuchungskommission im wallonischen Parlament kam sogar zu dem ganz eindeutigen Beschluss: Moreau muss Nethys verlassen. Und dann gestern dieser groteske Tag. Zwar ist Moreau tatsächlich nicht mehr Geschäftsführer und gehört damit nicht mehr dem Verwaltungsrat an, aber er bleibt der Boss unter dem Titel Generaldirektor. Was für Geheimnisse kennt Moreau, wegen derer die Politiker sich fürchten, ihn zu entlassen? Das alles wirft ein schlechtes Bild auf den politischen Willen, klaren Worten auch klare Taten folgen zu lassen, bedauert Le Soir.
Auf Worte folgen nicht immer Taten
La Libre Belgique sieht das ähnlich und führt aus: Drei Gründe werden immer genannt, warum sich die Politik mit der Trennung von Moreau so schwertut. Zum einen ist Moreau äußerst gut vernetzt, was ihm Schutz von höchsten Ebenen ermöglicht. Zum anderen scheint es so, dass er viel weiß. Auch über Dinge, die einige nicht gerne in der Öffentlichkeit sehen wollen. Es herrscht also Angst, dass Moreau auspacken könnte.
Schließlich besitzt Moreau noch einen fein ausgeklügelten Vertrag, der ihm bei einer Entlassung mehrere Millionen Euro garantieren würde. Um es deutlich zu sagen, es geht hier nicht um eine Hexenjagd. Aber viele Parteien haben gesagt, dass sich Moreau zurückziehen sollte. Jetzt bleibt er. Ist das kohärent, fragt rhetorisch La Libre Belgique.
MR ohne klare Linie
Die Wirtschaftszeitung L'Echo beklagt nicht nur die wankelmütige Politik in Hinsicht auf Moreau und schreibt: Auch die wallonische Regierung zeigt, dass Worte in der Politik noch längst nicht Taten bedeuten. Jetzt hat auch die MR geführte Regierung Borsus dem Verkauf von Waffen nach Saudi-Arabien zugestimmt. Dabei hatte die MR, als sie noch in der Opposition war, doch so heftig gegen diese Waffen-Geschäfte mit den Saudis gewettert. Es scheint nicht die Stärke unserer Politiker zu sein, im praktischen Handeln Werte zu verteidigen, für die man sich vorher stark gemacht hat. Der Graben zwischen Politik und den Bürgen wird dadurch noch tiefer, befürchtet L'Echo.
Einen Lichtblick in dieser Hinsicht sieht Het Laatste Nieuws bei Premierminister Charles Michel. Der hatte die Gewalt von spanischen Polizisten in Madrid als erster und fast einziger Regierungschef verurteilt. Jetzt hat die spanische Regierung Michel dafür scharf kritisiert. Dazu meint Het Laatste Nieuws: Michel kann stolz auf diese diplomatische Verstimmung mit Spanien sein.
Denn Michel hat Werte, die eigentlich alle teilen sollten, über realpolitische Interessen gestellt. Er sollte jetzt auf keinen Fall zurückweichen vor der Kritik, nicht umfallen, so wie es seine Parteigenossen in der Wallonie getan haben. Der Waffenverkauf an die Saudis zeigt mal wieder: oft ist das Geschäft wichtiger als Ethik. Beschämend, das auch bei uns feststellen zu müssen, meint Het Laatste Nieuws.
Frischer Wind bei der SNCB
Die neue Chefin der belgischen Bahn, Sophie Dutordoir, hat gestern ihre Ideen zur Reform der SNCB vorgestellt. Dafür bekommt sie viel Zustimmung von den Zeitungen. Het Nieuwsblad meint: Dutordoir hat den Finger in die Wunde gelegt, kein Blatt vor den Mund genommen. Sie hat allen vor Augen geführt, was für ein schwerfälliger Staatsbetrieb die SNCB doch ist. Mit veralteten Strukturen, fehlender Kommunikation und verkrusteter Mentalität. Kurz: Ein lebloser Körper, dem Dutordoir wieder Leben einhauchen will. Gestern bekam sie in der Kammer dafür viel Applaus. Hoffen wir, dass die Politiker sie auch dann unterstützen, wenn sie mit ihren Reformen beginnt, notiert Het Nieuwsblad.
De Standaard analysiert: Geschickt hat Dutordoir gestern zwei wichtige Gruppen versucht, mit in ihr Boot zu holen. Zum einen die Fahrgäste. Sie sollen künftig im Zentrum aller Bemühungen der Bahn stehen. Alles soll gemacht werden, damit sie die Bahn attraktiv finden und nutzen. Zum anderen hat Dutordoir die Mitarbeiter quasi an ihr Herz gedrückt. Nicht sie seien verantwortlich für das schlechte Funktionieren der Bahn, sondern die schlechten Strukturen des Unternehmens. Mit dieser Herangehensweise könnte der Wandel tatsächlich gelingen, hofft De Standaard.
Auch Het Belang van Limburg lobt die neue Bahn-Chefin: Dutordoir hat eine Rede gehalten, die Hand und Fuß hatte. Die Frau ist perfekt zweisprachig, mit allen Wassern gewaschen. Sowohl in der Unternehmenswelt, als auch in den politischen Hinterzimmern bestens vernetzt. Wenn es ihr nicht gelingen sollte, den schwerfälligen Tanker namens SNCB wieder auf Kurs zu bringen, wer sollte es dann schaffen, schlussfolgert Het Belang van Limburg.
Kay Wagner - Fot: Bruno Fahy, belga