"Kalifat ohne Hauptstadt", titelt heute die flämische Tageszeitung De Standaard. Kurdische und arabische Kämpfer der demokratischen Streitkräfte Syriens haben die IS-Hochburg Raqqa unter ihre Kontrolle gebracht. Und damit der radikalislamischen Terrormiliz eine schwere Niederlage zugefügt.
Dazu meint La Libre Belgique: Es gibt wohl nur wenige Städte, die unter dem Islamischen Staat so gelitten haben, wie Raqqa. Seit der Eroberung Anfang 2014 haben die Dschihadisten der Bevölkerung ihre Vision einer totalitären Gesellschaft aufgezwungen und ihr schlimmste Grausamkeiten zugefügt. Der IS träumte davon, ein islamistisches Paradies zu errichten und erschuf ein Monster.
In Raqqa lebten die Attentäter von Paris und Brüssel. Hier wurden hunderte junge, jesidische Frauen als Sexsklavinnen gefangen gehalten und wie Vieh verkauft. Das Ende des IS in Raqqa ist leider nicht das Ende seiner Ideologie. Eines radikalen, rassistischen, gewalttätigen und politischen Islam. Dieser bleibt eine Bedrohung für alle Länder, inklusive der Islamischen, schreibt La Libre Belgique.
"Bauern im Schachspiel"
Ähnlich sieht es Het Nieuwsblad: Mit dem Kalifat verschwindet nicht die Ideologie. Der moderne, muslimische Extremismus braucht weder Land noch Strukturen. Wo die Kämpfer des Kalifats in den kommenden Monaten landen werden, muss in der Region und in Europa genau beobachtet werden. Und der IS ist nicht mal die größte Sorge der gerade befreiten Einwohner von Raqqa.
Sein Verschwinden wird nur die alten Spannungen bloßlegen. Zwischen Sunniten und Schiiten, zwischen Kurden und all den anderen. Der Kampf gegen den IS konnte sie vorübergehend vereinigen. Aber im Irak stehen sie sich mit gezückten Waffen wieder gegenüber. Dabei sind sie lediglich Bauern im Schachspiel der USA, Russland und regionaler Großmächte, wie dem Iran und der Türkei.
Muss man wirklich noch erwähnen, dass der Wiederaufbau kaputt gebombter Städte, die Wiederherstellung von Ordnung und das Stärken einer zentralen Politik für niemanden wirklich eine Priorität ist, fragt Het Nieuwsbladt.
Immer mehr Verkehrsopfer in Antwerpen
Ein wichtiges Thema der flämischen Presse ist die Sicherheit der Fahrradfahrer in den größeren Städten. Anlass ist der Tod eines Fahrradfahrers in Antwerpen, nachdem er von einem rechtsabbiegenden Auto angefahren wurde. Beide hatten grün. Es war das dritte Todesopfer im Antwerpener Straßenverkehr in den letzten zwei Wochen.
Für Gazet van Antwerpen muss da eine kritische Frage erlaubt sein: Ist das Festhalten am durchströmenden Autoverkehr in der Innenstadt noch die richtige Basis für eine sichere städtische Mobilitätspolitik? Es stünde den Stadt-Verantwortlichen gut zu Gesicht, sich nach diesen Unfällen etwas demütig zu zeigen. Wahrscheinlich müssen Experten, Interessengemeinschaften, Polizei und Behörden eingeladen werden, um die Mobilitätspolitik kritisch zu durchleuchten.
Neuen Einsichten solle man sich dabei offen zeigen, anstatt sie einfach vom Tisch zu wischen. Eines muss bis dahin deutlich werden: Wollen wir mehr Verkehrssicherheit, dann muss das Auto angesichts einer steigenden Zahl von Fußgängern und Radfahrern seinen Platz räumen, rät Gazet van Antwerpen.
Auch De Standaard sieht dringenden Handlungsbedarf. Das Problem ist strukturell. Die Verkehrsflüsse sind so eingerichtet, dass Unfälle passieren. Auch für erfahrene Fahrradpendler auf ihren gewohnten Strecken. Es herrscht bitterer Streit um den Platz. Die Fahrradfahrer sind im Aufwind, es werden immer mehr. Viele sind elektrisch unterwegs, und als größere Gruppe beanspruchen sie Vorfahrt. Autofahrer sind frustriert, die Nerven sind angespannt. Die Zahl der Konflikte steigt. Nichtstun ist für die Stadtverantwortlichen und die flämische Regierung keine Option mehr, stellt De Standaard fest.
Sexuelle Übergriffe scheinbar Teil des Lebens
De Morgen beschäftigt sich angesichts des Weinstein-Skandals und der zunehmenden Zahl von Opferberichten mit dem Thema sexuelle Übergriffe: Nicht dass es passiert schockiert, sondern dass es für so viele Frauen scheinbar so oft und so unvermeidlich Teil ihres Lebens ist. Nein, sie übertreiben nicht. Dass jetzt darüber gesprochen wird, ist ein wichtiger und guter Schritt. Das Bewusstsein und die soziale Kontrolle werden größer, die Fehlermarge wird kleiner.
Natürlich können Männer Frauen helfen. Sie können zuhören. Sie können die Frauen ermutigen, ihre Stimme zu erheben. Sie können, wenn nötig, ihre Geschlechtsgenossen korrigieren. Und sie können solidarisch den anklagen, der angeklagt werden muss. Und das funktioniert auch ohne Pranger. Dass Politik und Justiz das Problem unterschätzen, ist Beweis genug für die fehlende Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau.
Wenn uns das Zusammenleben ohne sexuelle Übergriffe wichtig ist, dann müssen wir den Richtern auch die strafrechtlichen Instrumente in die Hand zu geben, um strenger durchgreifen zu können. Das ist nur logisch und gerecht, findet De Morgen.
Xi erntet Früchte der Vergangenheit
Het Belang van Limburg kommentiert den heute beginnenden Kongress der Kommunistischen Partei in China, des alle fünf Jahre stattfindenden Hochamts der politischen Elite im Reich der Mitte. Mehr als seine Vorgänger hat Präsident Xi Jinping sein Land auf's internationale Parkett gebracht. Dabei konnte er vor allem die Früchte ernten, die durch die viel früher begonnene Liberalisierung der chinesischen Wirtschaft gesät wurden.
Diese hat das Land zu einem der Reichsten der Welt gemacht und auch mehr und mehr an die Spitze in den Bereichen Wissenschaft und Technik befördert. Doch während seine Vorgänger für eine bescheidende und zurückhaltende Rolle Chinas auf der internationalen Bühne eintraten, beansprucht Xi ganz eindeutig den Platz des mächtigsten Landes der Welt, so Het Belang van Limburg.
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