"Ryanair versinkt noch immer tiefer in der Krise, titelt La Libre Belgique. Für Le Soir ist es sogar eine "unendliche Krise". Die irische Billigfluggesellschaft Ryanair hat gestern erneut die Streichung von Flügen angekündigt. Erst vor knapp zwei Wochen hatte die Airline kurzfristig 2.100 Flüge annulliert. Jetzt kommen obendrauf nochmal weitere 18.000.
Die neuen Flug-Streichungen betreffen den Zeitraum zwischen November dieses und März kommenden Jahres. Hintergrund sind immer noch Schwierigkeiten bei der Verwaltung der Urlaubsansprüche des Personals. Die Piloten nehmen die Probleme zum Anlass, um gegen ihre Arbeitsbedingungen zu protestieren.
Die Analyse von Le Soir ist aber messerscharf: "Wenn Ryanair jetzt wieder Flüge annulliert, dann ist das wohl auch eine Botschaft an die Piloten, nach dem Motto: 'Wir verhandeln nicht'".
Ryanair: "unvorhersehbar und rücksichtslos"
La Dernière Heure bringt in diesem Zusammenhang eine fast schon tödliche Schlagzeile. Zu sehen ist der Ryanair-Geschäftsführer Michael O'Leary, der offensichtlich Faxen macht. Darunter der beißende Satz: "Ihre Ferien sind in Gefahr; und der Ryanair-Chef macht sich über die Passagiere lustig".
"Ist das jetzt die letzte Welle von Flugstreichungen?!", fragt sich jedenfalls Le Soir. La Libre Belgique scheint die Antwort zu geben: "Die Krise wird noch mindestens ein Jahr dauern".
Die Schwierigkeiten bei Ryanair sollten auch den Verantwortlichen des Flughafens Charleroi zu denken geben, mahnt Le Soir in seinem Leitartikel. Der wallonische Airport ist bislang eine einzige Erfolgsgeschichte. Das Fundament des Wachstums ist aber nicht so solide, wie man glaubt. Der Flughafen ist regelrecht abhängig von Ryanair.
Zwar muss man jetzt nicht gleich eine Pleite der irischen Gesellschaft befürchten. Die letzten Wochen haben aber gezeigt, wie unvorhersehbar und rücksichtslos die Verantwortlichen agieren können. Ein Grund mehr für Charleroi, sich von Ryanair zu emanzipieren. Auf die Gefahr hin allerdings, dass man die Gesellschaft dadurch verärgert.
Verständnis für Fahrerflucht?
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute mit der Verkehrssicherheit. Da gibts eine Reihe von bemerkenswerten Schlagzeilen. "Immer mehr Unfallopfer bei Radfahrern", titelt etwa De Morgen. Die Zahlen betreffen eigentlich nur Flandern, es dürfte sich aber um einen allgemeinen Trend handeln. Fakt ist, dass noch nie so viele Radfahrer bei Unfällen verletzt wurden. Für De Morgen gibt es dafür eine wesentliche Ursache: Die Radwege sind immer noch zu wenig ausgebaut.
"Es gibt immer mehr Unfälle mit Fahrerflucht", so derweil die Aufmacher-Geschichte von L'Avenir. Im vergangenen Jahr betraf das knapp 4.500 Unfälle mit Toten oder Verletzten. Die Zahlen betreffen das ganze Land. Dazu passt die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen: "Sieben von zehn Flamen haben Verständnis für Fahrerflucht", schreibt das Blatt auf Seite eins. Das bedeutet wohl bemerkt nicht, dass die Betreffenden Fahrerflucht gutheißen.
"Es ist nachvollziehbar, dass ein Autofahrer nach einem Unfall erst einmal in Panik gerät", so fasst Het Laatste Nieuws die Meinungen vieler zusammen. Experten finden die Argumentation dennoch bedenklich. Justizminister Koen Geens (CD&V) und Kollege Transportminister François Bellot (MR) haben jedenfalls eine Verschärfung der Strafen insbesondere für Fahrerflucht angekündigt.
Irrungen und Wirrungen des Kabbel-Kabinetts
In der Föderalregierung droht derweil neuer Streit. Finanzminister Johan Van Overtveldt (NV-A) hat in den letzten Tagen wiederholt durchblicken lassen, dass ihm die geplante Steuer auf Wertpapier-Depots in ihrer jetzigen Form nicht gefällt. Diese Abgabe ist allerdings ein Steckenpferd der flämischen Christdemokraten CD&V. Für Het Nieuwsblad steht damit vielleicht sogar das gesamte Sommerabkommen jetzt auf der Kippe.
Geht das schon wieder los?, meint das Blatt sinngemäß in seinem Leitartikel. Schon wieder scheinen die Parteien nicht so ganz genau zu wissen, worauf sie sich da Ende Juli genau geeinigt haben. Erst gab es Verwirrungen um die Pensionen, jetzt also über die Steuer auf Wertpapierdepots. Einmal mehr entsteht hier das Bild einer Regierung, die einfach nicht sorgfältig arbeitet.
Siemens "schluckt" Alstom
Einige Blätter beleuchten die geplante Elefanten-Hochzeit in der europäischen Eisenbahnindustrie. Der deutsche Siemens-Konzern und der französische Konkurrent Alstom legen ihre Zugsparten zusammen. Damit wollen sich die Europäer wappnen, gegen die aufstrebende Konkurrenz aus China.
"Endlich", jubelt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Es ist gut, dass insbesondere die Franzosen ihre bisherige Politik aufgeben, die im Wesentlichen daraus bestand, die heimische Industrie abzuschotten. Natürlich passiert das nicht ganz freiwillig. Angesichts der zunehmenden Konkurrenz aus Fernost ist es aber mehr als vernünftig, dass sich die Europäer zusammenraufen. Man hat hier wohl Erfolgs-Geschichten wie Airbus vor Augen. Leider ist eine solche, ausdrücklich europäische Strategie immer noch eher die Ausnahme.
Auch L'Echo spricht von einer Vernunftheirat, die außerdem zutiefst europäisch ist. Insbesondere in Frankreich sind die Gewerkschaften aber sehr besorgt, weil Alstom de facto von Siemens geschluckt wird. Besonders wachsam muss man aber in den belgischen Alstom-Niederlassungen sein. Um Franzosen und Deutsche zu schonen, könnten am Ende wieder die belgischen Arbeiter in die Röhre gucken.
rop - Foto: Laurie Dieffembacq (belga)